Runde 5: HSK 30 gegen HSK 29 - schon wieder Punktgewinn knapp verpasst

Die äußeren Umstände hielten diesmal keine unangenehmen Überraschungen bereit. Insbesondere gab es diesmal Uhren, die auf „7“ eine Voreinstellung für die HMM-Zeit hatten. Bernd Grube, der HSK 30 leitete, traf zeitgleich mit mir ca. 40 Minuten vor Spielbeginn ein. Da es nur zwei Kämpfe gab, konnten wir großzügig jeden Tisch mit einem Brett ausstatten. Bernds Idee, die Tische von vorn nach hinten versetzt zu bestücken, um dem Spieler mehr Luft nach hinten zu verschaffen, verdient unbedingt Nachahmung. Schon mit solch kleinen Aufmerksamkeiten kann man die drei bis fünf Stunden, die ein Spieler unter höchster Anspannung für seine Mannschaft „arbeiten“ muss, erträglicher gestalten. Das gilt übrigens auch für die Namensschilderansammlung im Schrank, die jeder Ordnung entbehrte und zwar für HSK 31 vier Schilder bereit hielt, für HSK 30 aber keines. Ich habe dann selber eins für unseren „Gastgeber“ gemalt (was dieser erwartungsgemäß mit einem nur müden Lächeln quittierte).

Für den folgenden Bericht über das Spiel gegen die Überraschungsmannschaft der Saison konnte ich mehr oder weniger auf Erinnerungen der betreffenden Spieler zurückgreifen. Fast 1:1 konnte ich Georg-Walters, Oles sowie Andreas´ Anmerkungen übernehmen, wobei ich zu Oles Spiel aber noch einiges ergänzt habe.

Helmut Bruger brachte uns gegen den leicht besser gelisteten Horst Jürgen Feis 20.10 Uhr in Führung. Dieser hatte sich mit Caro-Kann verteidigt, Helmut mit einer abgewandelten Abtauschvariante erwidert. Helmut sagte, er habe davon profitieren können, die gegnerische Aufstellung gekannt zu haben, indem er bewusst mit der langen Rochade jeglichen Angriffsversuchen die Zähne habe ziehen können. Horst-Jürgen hatte zunächst eine leichte Initiative erreicht. Nachdem diese verpufft war, landeten die Spieler in einem Springer-Endspiel mit je 6 Bauern, davon alle hälftig auf die Flügel verteilt. Horst-Jürgen hatte eine Bauerninsel mehr zu beklagen, nämlich einen vereinzelten d-Bauern, und musste sogleich Helmuts mit Schach gabelnden Springer einen b-Bauern überlassen. Als später sein König den durch Helmuts König angegriffenen Springer aufgrund eines Schachs nicht mehr decken konnte, gab er die Partie auf.

Eine Stunde später gab unsere Marianne an Brett 4 gegen den leicht favorisierten Gerald Becker von HSK 30 auf. Ich habe nur oberflächlich mitgebekommen, dass sie gegen das Londoner System früh in einen Raumnachteil geriet und später Material verlor.

Nun lasse ich Georg-Walter, der an Brett 2 spielte, zu Wort kommen: “Gegen Dieter Wichmann, der seit Jahren das "Londoner System" spielt, hatte ich mit Schwarz einen Damenindischen Aufbau vorbereitet. (für Kenner: "Gewinnen mit dem Londoner System" von Kovacecic, Variante 11 C, S. 178). 

Nach beiderseits flüssiger Entwicklung wurde das frühe Mittelspiel zunächst von der unaufgelösten Zentrumsspannung geprägt. Die Bauern d4+c4 und d5+c5 standen sich längere Zeit gegenüber. Die dabei verdeckten taktischen Hinterhalte wurden von beiden Spielern gesehen und pariert. Ab Zug 19 löste Weiß das Zentrum auf, und es kam zu Abtauschmanövern der Leichtfiguren. Als Weiß versuchte, ab Zug 29 mit der Turmverdoppelung in der offenen c-Linie die Initiative zu übernehmen, hielt Schwarz dagegen und alle Schwerfiguren flogen vom Brett.

Das entstandene Endspiel mit jeweils 6 Bauern und jeweils dem weißfeldrigen Läufer, sah nur optisch für Weiß besser aus. Es gab kein Ungleichgewicht, denn auf beiden Flügeln standen sich die gleiche Anzahl von Bauern gegenüber, es gab für sie keine Durchbruchsmöglichkeit. Die beiden Könige waren optimal zentralisiert und verhinderten wechselseitig einen Einbruch. Als nur noch sinnleere Läuferzüge übrigblieben, bot Weiß nach Zug 37 Remis an.“

Georg-Walter nahm dieses Angebot an. Es stand 22.00 Uhr 1,5 zu 1,5.

Dietrich-Udo verließ 22:20 Uhr zügig den Raum. Er war um den 30. Zug herum an Brett 8 gegen um 400 Punkte besser gelisteten Ulrich Kibilka in Zeitnot geraten, der er nicht mehr Herr werden konnte. Damit endete das Spiel vorzeitig. Nun lagen wir 1,5 zu 2,5 hinten.

Ich selbst hatte an Brett 1 gegen Bernds Pirc-Verteidigung zunächst die Initiative bekommen, dann aber arrogant und wegen ständigen Umherschauens nach Eröffnungsberichtsmaterial bei unseren Brettern unkonzentriert, ein frühes e5 versucht, um seinen verirrten h5-Springer gegen meinen Läufer zu tauschen. (Besser wäre es gewesen, erst auf e5 zu nehmen, dann den Springer mit g4 zu fangen). Nach seinem dxe5 und meinem ungeduldigen Lxh5 stelle mich Bernd mit einer Figuren-Gabel auf d4 vor Probleme, sein Bernds Bauer fraß sich bis auf e3 durch und bescherte meinem Läufer ein trauriges Ende. Ich musste materiellen Gleichstand und Bernds Initiative hinnehmen. Diese verlor er nach zähem Stellungskampf allerdings nach einem unnötig langsamen Turmzug nach d6 (statt dem für meinen f3-Springer unangenehmeren Bauernvorstoß nach e4). So konnte ich den Springer nach dem erst einen Zug später erfolgenden Be4 von Bernd auf das Feld d2 zurückziehen, wo er erstaunlich aktiv wirkte. Bernd verlor einen Bauern, ich hatte einen entfernten Freibauern. Im 39. Zug überschritt Bernd, der bis dahin trotz nur noch weniger Sekunden auf der Uhr unbeirrt weiterhin jeden Zug mitgeschrieben hatte, die Zeit. Der Ausgleich zum 2:2 war somit gegen 22.30 Uhr geschafft.

Oles Gegner Uwe Koch, 150 DWZ-Punkte besser als er, hatte nach einer frühen Lb5-Fesselung von Oles Sc6 durch Se5 diesem an Brett 6 einen Doppelbauern verpasst und setzte Ole laufend unter Druck. Aufgrund einer falschen Schlagwahl verlor Ole Material. Er hatte mal einen Turm, mal eine Leichtfigur weniger. Das Spiel war an sich gelaufen. Uwe wollte jedoch gierig Bauer für Bauer weiter verspeisen, vernachlässigte dabei aber sine Königssicherheit. Rochieren konnte er nicht mehr, weil er seinen König schon einmal bewegt hatte. Dies nutzte Ole aus und schob im 27. Zug listig seinen Läufer nach d3. Der Computer bewertet dies bereits trotz des totalen materiellen Ungleichgewichts als nur noch leicht besser für Weiß, was auf einen möglichen Turmrückgewinn hindeutet. Uwe lief aber sogar in Oles Falle und schlug den Läufer auf d3, so dass Ole ihn mit seiner nun mächtig gewordenen Dame schlagen konnte. Nun war mehr als nur ein Turmrückgewinn möglich. Denn es entstand die folgende Diagrammstellung. Seht ihr das Matt in drei Zügen?

Diagramm

Ole schreibt zu seinem Spiel:

„Ich habe beim Start früh Probleme bekommen, der Gegner war zeitweise überlegen. Später habe ich mir dann aber eine riesen Chance erspielt. Ich war mir sicher, dass er da nix mehr gegen machen kann. Dann fand er doch vermeintlich einen Zug. Ich habe sehr bedauerlicherweise übersehen, dass ich im 29. Zug hätte Schach geben müssen. Ich habe den Zug gesehen aber, er hatte mich nicht überzeugt. Ich wollte sofort Schachmatt setzen, dies wäre erst mit ein paar weiteren Zügen möglich gewesen. Somit habe ich mich für einen falschen passiven Zug entschieden. Ich habe die Gewinnmöglichkeit nicht gesehen.“

Auch wenn Oles Gedanken für sich genommen nachvollziehbar sind: Das Schach (!) auf d2 hätte, was auch immer berechnet worden wäre, offensichtlich nichts schlechter gemacht oder etwa etwas Gutes verdorben, nein, es hätte Ole sogar mehr Durchblick verschafft, und den Turm hätte er dann nach erneuter Gelegenheit für ein Durchrechnen im nächsten Zug sicher mit seiner Dame geschlagen. Man lernt: Mit Schach einen Bauer auf der zweiten Reihe mittels einer Dame-Turm-Batterie zu schlagen, muss in jedem Fall erstmal unbedingt geprüft werden, es könnte häufig ein Matt oder partieentscheidender Materialgewinn möglich sein.

Ole machte stattdessen einen Bauernzug vor seinem König, um die gegnerische Dame wegzulocken, der Gegner führte schnell seine Dame zur Verteidigung heran. Etwas später im 31. Zug wäre eine vergleichbare Matt-Fallenstellung mit einem erneuten Damenzug nach d3 möglich gewesen. Aber Ole, wohl noch geschockt, tauschte jetzt die Damen ab, womit es endgültig vorbei war. 2:3 gegen uns um 22:35 Uhr, das war so gut wie für die Mannschaft verloren, denn Andreas Partie (siehe unten) dümpelte an Brett 7 schon länger mit einer Minus-Figur dahin.

Das für die Umstehenden unterhaltsamste Spiel war Wilhelms an Brett 3 gegen Gerd Becker. Wilhelm hatte zunächst im (nach meiner Erinnerung angenommenen Damengambit?) Initiative erlangt, hatte aber einen Bauern weniger. Gerd verlor durch eine Springergabel eine Figur und musste sich mit nacktem König mal auf f8 mal auf g8 gegen Wilhelms Randbauer auf h6, seinen König auf g6 und einen Springer mit nun viel Platz auf dem Brett verteidigen. Wilhelm hatte noch 43 Minuten, sein Gegner zog begreiflicherweise nur noch hin und her. Gleichwohl befürchtete ich schon, Wilhelm würde schnell ziehen, um dem Druck auf ihn ein Ende zu bereiten. Viele tuschelten (Wilhelms Springer musste auf f7, wann auch immer). Irgendwann, nämlich um 23:15 Uhr, war es geschafft, die Freude über Wilhelms richtige Eingebung zum Matt und das 3,5:3,5 war groß, währte aber nicht lange: Andreas musste fast zum selben Zeitpunkt gegen Hauke Blix aufgeben. Er schreibt zu seinem Spiel:

„Am Brett 7 kam bei mir (weiß) eine italienische Variante des Vierspringerspiels auf das Brett. Um aus der Symmetrie auszubrechen, habe ich mich für die lange Rochade entschieden, nachdem mein Gegner kurz rochiert hatte. Der Bauernvorstoß des Gegners bis nach a4 hat mich dann verunsichert, zumal ich selbst nicht schnell genug mit den drei Bauern am Königsflügel vorwärtskam. Anstatt erstmal im Zentrum die d- und e-Linie zu öffnen und den störenden gegnerischen Bauern auf e5 abzutauschen, opferte ich überhastet meinen Läufer auf h6. Für den Läufer hatte ich zwar 2 Bauern, aber kein schnelles Matt. Die drei verbundenen Bauern auf dem Königsflügel waren noch keine echte Bedrohung, sodass ich nach dem Damentausch auch keinen Angriff mehr hatte. Die Minusfigur schleppte ich bis ins Bauern­endspiel mit. Um 23:15 Uhr war die Umwandlung eines Bauern nicht mehr zu vermeiden und ich gab auf.“

Die Vorgeschichte (HSK 30 gewann gegen Blankenese 7:1, während wir diese mit 0:8 unterlagen), ließ diesen Spielverlauf nicht vermuten. Doch das dritte 3,5:4,5 macht diese Saison auch zu einem Test für Frustrationstoleranz. Andreas Gegner bedeutete uns in der U-Bahn durch Worte und Gestik dass wir beim Auswärtsspiel bei Altona Ende April durchaus Chancen hätten. Wir werden sehen. Vorher treffen wir noch zuhause auf Concordia Wandsbek.

Es bleibt in dieser Saison bei der Devise: An den oberen drei/vier Brettern, wo wir öfter mit dem Gegner auf Augenhöhe sind, müssen kontinuierlicher Punkte her, dann würde uns an den unteren drei/vier schon mal ein einziger Überraschungserfolg zu einem Mannschaftssieg verhelfen.



Dieter Floren

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