Erster Sieg für HSK 29

Unsere weite Anreise nach Pinneberg wurde mit unserem ersten Sieg belohnt. Der Start konnte nicht besser sein:
Andreas setzte seinen Gegner an Brett 7 schon nach 10 Minuten auf f7 matt (1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Sd4 4. c3 Sxf3 5. Df3 Lc5 6. Dxf7 matt) und bescherte uns eine Führung im Rekordtempo. Den schwarzen Springer in der Eröffnung drei Mal hintereinander zu ziehen und dann zur Unzeit, nämlich wenn Weiß Dame und Läufer herausgebracht hat, an die Läuferentwicklung zu denken, konnte nicht ungestraft bleiben.

Georgs Gegner eröffnete an Brett 2 nach Art eines verzögerten sizilianischen Flügelgambits (1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. a3), verzichtete dann aber auf d4. Beiden Spielern war danach nicht mehr nach Feindberührung im Zentrum zumute. Georg ließ sich nach Lf4 zu e5 provozieren, wodurch die Spannung im Zentrum aufgehoben war. Weder konnte sein Gegner jemals noch an d4 denken, noch hätte Georg sinnvoll am Damenflügel mit b5 angreifen können. Weiß seinerseits machte aber auch keine Anstalten, einen Springer auf d5 zu platzieren und damit Georg zu einem Abtausch seines b7-Fianchetto-Läufers zu nötigen. Nachdem beide nur noch ihre Damen hin- und her zogen, war das Remis durch dreifache Zugwiederholung keine Überraschung. 1,5 zu 0,5 für uns.

Wie sah Georg sein Spiel? Dazu lasse ich ihn selbst zu Wort kommen:
„Zunächst war ich irritiert vom Stil meines Gegners, der in einer e4-Eröffnung gegen einen Sizilianer, die zu einem aggressiven Vorgehen einlädt, derart defensiv agiert. Merkmale der ersten Züge: d3 geschlossene Variante/ Bauer a3 und h3/ schwarzfeldriger Läufer auf d2! Von da an keinen einzigen Bauernzug mehr gemacht, sein Spiel bestand in Wesentlichen im Auf- und Abschieben des schwarzfeldrigen Läufers auf der Diagonale d2 - g5. Da wäre frühes h6 sinnvoll  gewesen (12. -17. Zug).
Was tun? Ich hielt mich für den aktiveren Spieler z.B. 14... Sd4. Ich hätte ihn cool stehen lassen sollen, statt auf f3 zu tauschen (mein Hauptfehler), was seine Figurenstellung verbesserte. Auch 21.… Db6 war der vorbereitende Versuch doch noch mit b4 ins Gefecht zu kommen, das hätte aber noch a5 vorausgesetzt, was zu weißem Gegenspiel in der a-Linie geführt hätte.
In der Tat habe ich mich zu schnell zu 17.… e5 hinreißen lassen, damit wurde das Zentrum statisch, und ich habe damit Weiß den Ausgleich erlaubt = nächster Fehler.
Der Knackpunkt in meiner Nachbetrachtung bleibt aber 15.… Sxf3, der Abtausch meines aktiven Springers. Das Richtige wäre gewesen, ihn stehen zu lassen, Umgruppierung Sf6-d7.... Le7- f6..., dann geht es mit Db6 und a5 weiter. Als im 22. Zug der weiße Konter De2 kam, der b4 verhindert, hab ich mit Blick nach rechts auf Dieters Partie mit klar besserer Position und mit Blick nach links - Wilhelm hatte noch beide Springer und in einer offensiven Stellung einen Bauern mehr - das Remis angenommen in dem Glauben, damit nichts kaputt zu machen.
Psychologische Grundkonstellation: Ich war mit meinem Sizilianer zunächst auf eine Abwehrschlacht eingestellt. Als nichts kam, hätte ich das Spiel machen müssen. Ich habe mental nicht sofort konsequent umgeschaltet, sondern in der "Findungsphase" zu früh die Betonierung der Stellung mit verursacht.“

20 Minuten später gab Marianne an Brett 4 auf. Mit ihrer Philidor-Verteidigung konfrontiert, hatte sich ihr Gegner mit Sd5 ihren Le7 ergattert, der aber eh eingeengt stand und nicht viel zu tun hatte. Im weiteren Spielverlauf unterminierte Marianne forsch mit c4 das Zentrum des Gegners, was sofort dessen Bauern e4 zum Opfer ihres Springers machte. So weit lief es gut. Doch dann hätte sie diesen Springer mit d6-d5 als mächtige Figur im Zentrum stützen sollen, anstatt ihn gegen den weißen Ld2 einzutauschen, was d6 schwächte. Manchmal muss man prüfen, ob es nicht etwas Wichtigeres zu erreichen gibt als das Läuferpaar. Ihr Gegner musste sich allerdings nicht mehr darum kümmern, die Schwäche d6 auszunutzen: Marianne übersah bei einem Damenausflug mit Schach auf e3, dass der von ihrer Dame einen Zug später gierig auf a3 verspeiste Bauer vergiftet war: Der dahinter stehende Läufer schlug auf f7 zu und machte damit ihre Dame zur Zielscheibe des Ta1, der durch das Läuferschach freie Sicht auf ihre Dame hatte. Wenige Züge später gab Marianne auf, Pinneberg hatte den Gleichstand im Kampf der Kellerkinder hergestellt.

Ein paar Minuten später gab es das zweite Unentschieden: Horst-Jürgen, der an Brett 8 für uns eingesprungen war, weil (zum ersten Mal in dieser Saison) keiner unser drei Ersatzspieler zur Verfügung stand, hatte mit Schwarz im Lg4-Slawen nicht viel Mühe, mit e5 Ausgleich zu bekommen. Zwar hatte er früh einen Bauern auf g6 verloren, doch beraubten sich die Spieler mit ihren ineinander verzahnten Bauernketten (Weiß zog c5-c4, Schwarz seinerseits e5-e4) und dem Damentausch schnell ihrer Chancen, einen Vorteil zu erzielen. Es gab keine vielversprechenden Hebel und auch keine mit Springern angreifbaren Bauern in der jeweiligen Kette. Horst-Jürgen zog nur noch hinter der Kette hin und her, bis sein Gegner ein Einsehen hatte: 2,5 zu 2,5.

Nun war Oles Zeit gekommen: Mit Schwarz hatte er sich gegen e4, d3, c4, also eine Art harmlose Version eines Botwinnik-Dreiecks seines Gegners verteidigt und sich seinen nach d4 gezogenen Springer vom weißen f3-Springer schlagen lassen, und zwar so, dass er mit dem Bauern wiedernahm, der nun seinerseits auf d4 den auf c3 vom Läufer gefesselten Springer bedrohte. Eine weiße Figur verschwand somit ersatzlos. Anstatt einen Rettungsversuch zu starten, so wie es Regina in einer ähnlicher Fesselung in Runde 7 im Spiel gegen Altona getan hatte (dort war es aber nur ein – erfolgreicher – Bluff), nämlich den Läufer seinerseits mit a3 zu bedrohen (das hätte hier Schwarz wirklich geholfen), ergab sich Weiß mit Rochade in sein Schicksal, tauschte danach bereitwillig fast alles ab und ließ Oles Turm in einer geschlossenen Stellung mehrere Bauern abräumen. Zur Freibauernverwertung kam Ole nicht mehr, da sein Gegner seinen König quasi in Form eines Selbstmatts hinter die fünfte, von Oles Turm beherrschte Reihe auf h4 zurückzog, wo er postwendend vom Läufer auf h2 matt gesetzt wurde. Das hieß um 20.55 Uhr: Führung für uns! Ein seltenes Gefühl in dieser Saison für uns, nach zwei Stunden zu führen.

Und dieses Gefühl hatte auch nur ein paar Minuten Bestand: Helmut hatte im ruhigen Italiener seinen Läufer auf e3 getauscht. Der damit verbundene bekannte Plan, d4 mit Unterstützung des f-Bauern zu spielen, ging jedoch nicht auf. Helmut musste seinen Bauern weiter nach d5 ziehen und hatte damit einen vereinzelten f-Doppelbauern, welchen sogleich die schwarze Dame belagerte. Helmut verlor mehrere Bauern und beide Qualitäten. Viele Züge vor dem Durchmarsch des schwarzen Freibauern, dem Signal für die Aufgabe um 21.00 Uhr, war die Stellung schon hoffnungslos verloren. Auch Kenner der italienischen Eröffnung verzweifeln immer wieder (mit beiden Farben) daran, die richtigen Zugfolgen und Pläne zu finden. Das c3/d3/e4- oder d4/e4 „Zentrum“ ist, selbst wenn es sich nur einem e5-Bauern gegenüber sieht, einfach zu wackelig. Vielleicht muss man Partien Dritter nachspielen und mehrmals das Italienisch-mit-c3-und-d3-Weiß-Repertoire-Buch von Georgios Souleidis und Karsten Müller durcharbeiten, wenn man sich selbst daran wagt, den richtigen Plan zum richtigen Zeitpunkt zu finden. 3:3.

In der nächsten halben Stunde war es Wilhelm, der uns in heldenhaftem Kampf gegen eine Mehrfigur seines Gegners einen halben Punkt an Brett 3 bescherte und somit eine gute psychologische Unterstützung für mein Spiel war. Darin war ich derjenige, der ein materielles Übergewicht verwerten musste, doch dazu mehr am Ende des Berichts. Wie war Wilhelm in seine schwierige Lage gekommen? Mit seinem Torre-Angriff gegen die schwarze Triangel war er auf Granit gestoßen. Als sich der Schwarze mit einem Springer-Wegzug von f6 entlastete und so den weißen Lh4 in die Formation Dd8/Le7 schauen ließ, bemerkte Wilhelm dies nicht. Vielmehr wollte eine Dame/Läufer-Batterie gegen h7 aufstellen, wofür sein Lh4 nun büßen musste. Wilhelm gewann später auf f5 einen Bauern wegen einer Dd3-Fesselung des e6-Bauern, aber den verlor er später auch wieder. Allerdings kam er danach zu einem Freibauern auf der e-Linie, welcher dem Gegner zunehmend Sorgen bereitete.

In der folgenden Stellung ließ sich Schwarz zu unserem Glück so stark verwirren, dass er den Überblick vollends verlor: Schwarz traute sich nicht, mit seinem König auf e3 zu schlagen, sondern zog diesen nach f5 und übersah dabei, dass Wilhelm seinerseits nicht mit dem Turm auf g6 auf schlagen konnte. Schwarz hätte nämlich mit dem dann folgenden Springerzug nach f3 eine unabwendbare Mattdrohung aufgestellt.

Diagramm

In der nächsten Stellung der beiden ist der weiße Freibauer scheinbar kaum noch aufzuhalten, und Schwarz kann jetzt mangels Zugänglichkeit des Feldes f3 für den Springer kein Matt mehr drohen. Doch kann Schwarz, was allerdings für Menschen nur schwer zu berechnen ist, seinen Springer von der Deckung der Vormarschfelder des weißen e-Bauern nach e4 abziehen, seinen Bauern bis b2 durchlaufen lassen, den Turm auf der ersten Reihe opfern, danach sofort den b-Bauern mit Schach umwandeln und Weiß mit dem Springer mattsetzen, bevor dieser seine einen Zug früher entstandene Dame noch aktivieren kann.

Diagramm

Stattdessen wiederholten beide die Züge Tb2/b1 und Ke1/e2 bis zum Remis-Schluss, somit stand es gegen 21.30 Uhr 3,5 zu 3,5.

Es lag jetzt an mir: Was würde ich in den kommenden 90 Minuten an Brett 1 gegen meine schwächer gelistete Gegnerin anstellen?
In einem d3-Zweispringerspiel (also schwarzer Läufer auf e7 statt auf c5) spielte meine Gegnerin schon im 4. Zug d5 und musste in der Folge einigen Druck gegen e5 aushalten. Letztlich gelang es mir, mit einer Fesselung ihres e5-Bauern mit meinem Lg3 diesen mit d4 zu erobern. In der folgenden Stellung hätte ich einfach Lxd5 spielen können und danach auf a5 schlagen können.

Diagramm

Ich tat es nicht, weil ich annahm, sie könnte ihrerseits meinen Läufer auf e5 mit ihren beiden Türmen erobern. Zwar nicht sofort wegen Mattgefahr, aber doch wohl nach f7-f6, weil ich meinen Läufer nicht wegziehen kann. Das stimmte zwar auch, aber auch das Endspiel ist nach c4 meinerseits einfach besser für mich. Außerdem könnte ich hier auch einfach statt Txa5 Lc7 spielen, denn für einen Springer-Wegzug hätte Schwarz wegen der Grundreihenschwäche keine Zeit gehabt.

Stattdessen verlor ich Tempi mit Dg3 (weitere Läuferdeckung), sie antwortete mit g6, ich zog Ted1 und wurde durch c4 kalt erwischt. Ich gestand mir jetzt trotz schon knapper Zeit eine Pause zu, um die Stellung nicht schockbedingt noch weiter zu verschlechtern, und das tat mir gut. Ich zog schließlich den Läufer nach f6, um ihren f-Bauern erstmal festzulegen und Zeit für den dann geplanten Damen-Zug nach g5 zu gewinnen (Folgediagramm).

Diagramm

Hier hätte meine Gegnerin den angegriffenen Turm nach b8 stellen müssen. Auf mein Dg5 hätte sie ihren Springer mit Txb5 gedeckt. Hier bringt mich nämlich das Txd5-Qualitätsopfer mit folgendem Dh6 und Matt(illusion) gar nicht weiter. Denn sie treibt durch Turmschach auf der Grundreihe meinen König nach h2 und erobert meinen Läufer auf f6 mit Damenschach auf d6. Doch zu meinem Glück stellte sie ihren Td8 nach a8. Jetzt drohte ich mit Dg5 wirklich den Springer-Gewinn. Für eine Damen-Entfesselung (z. B. auf b7 mit gleichzeitiger Deckung von d5) blieb ihr keine Zeit, da ich Dh6 mit Matt im nächsten Zug ziehen konnte, ohne noch von einer gabelnden Dame auf d6 behelligt werden zu können. Also musste sie mit Sxf6 ihre Dame für Turm und Läufer geben. Es gelang mir, auf ihrer zweiten Reihe mit meinem Turm präsent zu sein, ihren f-Bauern lange Zeit mit meiner Dame zu blockieren und den Bc3 zu halten. Schwarz richtete sein Augenmerk in dieser Phase zu sehr auf den weißen b-Bauern und zog (frustbedingt?) zu entschlusslos mit seinen im Duo an sich nicht ungefährlichen Springern hin und her. Nach einer Öffnung der h-Linie durch mein fxg6 und ihr hxg6 konnte ich meinen Turm schließlich nach h4 stellen – aus und 4,5:3,5 für HSK 29 kurz vor 23.00 Uhr. Wir sind seit heute nicht mehr Tabellenletzter.

Ob wir es auch gegen eine Pinneberger Bestbesetzung geschafft hätten? Bei unserem Saisonausklangstreffen Ende Mai werden wir über den Saisonverlauf schonungslos diskutieren müssen. Der Leistungsgedanke ist bei uns zwar nicht so wichtig, aber fast immer (und fast immer knapp) zu verlieren (vom 0:8 gegen Blankenese abgesehen), kann eine Mannschaft schon ein bisschen verunsichern, wenn sie vorher eher an vierte oder fünfte Plätze gewöhnt war. Dieser Sieg wird uns jedenfalls Auftrieb geben. Unser letztes Spiel geht Freitag vor Pfingsten gegen den Tabellendritten Königsspringer 7, der sich noch Hoffnungen auf den Aufstieg machen darf und gegen uns voll motiviert sein wird.



Dr. Dieter Floren

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