In
der kommenden Woche (24.- 30. Oktober) feiert das HSK Schachzentrum sein
20-jähriges Bestehen. Gefeiert wird, wie schon die Eröffnung, mit
zwei Turnieren, die sportliche Ambitionen mit großem Wiedersehen
verbinden.
Im GM-Turnier begrüßen wir ein Feld, das praktisch nur HSK-Spieler
umfasst. Topfavoriten sind die beiden Großmeister Sipke
Ernst aus Holland und Jose "Pep" Cuenca
Jimenez aus Spanien. Beide haben bis zur vergangenen Saison gemeinsam
für uns in der Bundesliga gespielt. Sipke ist geblieben,
"Pep" hat es beruflich wieder in die Heimat gezogen,
und so nahm er schweren Herzens Abschied von "seinem Team", in dem er
den Großmeister-Titel erlangt hat. Pep hat nach seinem erfolgreichen
Studium, das ihn ein paar Elo-Punkte gekostet hat, beim VMCG-Schachfestival in
Lüneburg bewiesen, wie stark er Schach spielen kann: 8/9 haben
unfassbarerweise nicht zum klaren Turniersieg gereicht, sondern nur zum
geteilten 1. Platz mit dem russischen GM Vorobiov, der die gleiche Leistung
zeigte. Der stets gut gelaunte Spanier nahm es relativ gefasst und meinte:
"Bestimmt gewinne ich das nächste Turnier mit zwei Punkten
weniger." Vor allem seine Schwarzpartien im Königsinder und Italiener
demonstrierten immer wieder seine Kampfstärke. Ich vermute mal, kaum ein
Spieler wird von diesen beiden Spitzen ein schnelles Remis bekommen.
Sipke ist als großer Kämpfer und kreativer Spieler
bekannt und hat für uns schon so manchen Wettkampf aus dem Feuer gerissen.
Als guter Freund von Merijn van Delft und Evi Zickelbein hat er einen kurzen
Weg bis zum Spielort und so beste Voraussetzungen für ein gutes Turnier.
IM Dmitrij Kollars ist der heißeste Kandidat auf eine
Großmeister-Norm. In der Bundesliga mit zwei sicheren Remisen gestartet
und saisonübergreifend noch ohne Niederlage in der Liga, geht Dmitrijs
Karriere weiterhin steil nach oben. Bei der Jugend-WM in Russland reichte es
zwar nicht ganz zur Medaille, aber der Sprung über die 2500er Elo-Marke
ist geglückt und damit eine weitere Hürde zum höchsten Titel
überwunden. Auch die beiden Favoriten sind vor Dmitrij als starkem
Theoretiker nicht sicher. Ich bin vor allem gespannt, wie er sich mit so
starken Praktikern wie Dirk Sebastian und Marta Michna auseinandersetzt. 1996
gab es zur Gründung des HSK Schachzentrums ebenfalls zwei starke Turniere.
Strahlender Sieger des GM-Turniers wurde damals das Hamburger
Aushängeschild GM Matthias Wahls. Zu dieser Zeit war Dmitrij noch lange
nicht geboren. Nun muss man kein Prophet sein, um sich vorzustellen, dass
Matthias' "Nachfolger" sein erstes GM-Turnier gewinnt.
Dirk Sebastians Teilnahme ist vielleicht die größte
und schönste Überraschung des Turniers. Mit Jan Gustafsson
gehört Dirk zum starken 89er HSK Jahrgang, beide haben 1992 wesentlich zum
Sieg in der DVM U13 beigetragen. Dirk hat die Jugendarbeit des Klubs
mitgeprägt; er hat sich viele Jahre als Jugendtrainer engagiert. Er war
immer ein großes Talent; obwohl er vielleicht nie wirklich alles aus sich
herausgeholt hat, hat er immer wieder mit einer perfekten Kombination aus
Schachwissen und starker Praxis beeindruckt. Aus gesundheitlichen Gründen
und vielleicht auch fehlender Motivation war in den letzten Jahren außer
der einen oder anderen Bundesliga-Partie nicht viel möglich, nun aber will
Dirk es noch mal wissen. Als stärkster Spieler ohne Titel ist Dirk mit
Sicherheit nicht zu unterschätzen. Seine Zeiteinteilung ist zwar seit
Jahren ein Problem, aber wenn er die Uhr in den Griff bekommt, könnte Dirk
der strahlende Sieger des Turniers werden. Genügend IM-Normen für den
Titel hat er längst, wenn er nur wüsste, wo
Mit GM Monika Socko ist eine dritte Großmeisterin im
Feld und damit eine der wenigen Spielerinnen, die auch den veritablen GM-Titel
trägt. Zu ihren Erfolgen sei kurz und knapp auf unsere
Porträts im Frauenbundesliga-Kader
hingewiesen.
Beeindruckend vor allem, wie Monika auch aus schlechten Serien immer wieder
gestärkt hervor geht. Exemplarisch das WGM-Turnier in Erfurt 2014, bei dem
Monika mit 2 Niederlagen startete und danach das Feld mit 6,5/7
buchstäblich in seine Einzelteile zerlegte.
IM Frank Bracker hätte sicherlich auch schon seine erste
GM-Norm, wenn nicht Studium und Job mindestens ebenso wichtig wären wie
Schach. Seit Jahren als Teamchef in HSK II tätig und mittlerweile dort am
Spitzenbrett angekommen, ist Frank ein gefürchteter Taktiker.
Diszipliniertes Selbststudium ersetzt weitgehend einen Trainer, aber die
Grundphilosophie des ehemaligen Hamburger Kadertrainers FM Wolfgang Pajeken
Rechnen ist die Grundfähigkeit trägt ihn zu immer höheren
Weihen. Beim Turnier in Oslo hat er sich die notwendige Praxis geholt und am
Abend den Vorträgen der anwesenden Großmeister gelauscht. Danach
ging es ins "Badminton-Trainingslager" beim Autor dieser Zeilen: So
ist also auch für die notwendige Fitness gesorgt. Wer Frank kennt, der
weiß, er wird an der einen oder anderen längsten Partie beteiligt
sein. Wenn die eine oder andere Eröffnungsbombe zündet, bzw. die
Gegner sich erwischen lassen, dann könnte es ein sehr gutes Ergebnis
werden.
IM Merijn van Delft ist kurzfristig für seinen Kumpel
Geogios Souleidis ins Turnier gesprungen. Nach einigen Jahren der Abstinenz und
zarten Versuchen in der Stadtliga der letzten beiden Jahre hat Merijn am
vergangenen Samstag sein Comeback in HSK II gefeiert. Vor lauter Freude
überließ er seinem Gegner den vollen Punkt, aber das war ein
Ausrutscher, der sicher schnell vergessen ist. Merijn war in den letzten Jahren
hauptsächlich als Autor und Trainer tätig. Als Co-Autor von Karsten
Müller und regelmäßiger Kolumnen-Schreiber für
holländische Schach-Medien hat er die neuesten Trends verfolgt, und als
Jugendnationaltrainer ging es für ihn mit den holländischen Teams
quasi permanent um die halbe Welt. Bei der Olympiade in Baku war er zum zweiten
Mal mit den "Karibik-Boys" von Trinidad & Tobago am Start, das
Ergebnis war mäßig, aber es kann auch nicht immer der Coach
verantwortlich gemacht werden. Merijns größtes Problem ist
sicherlich das mangelnde Selbstvertrauen. Viele Remisen pflastern den Weg, aber
er hat sich in den letzten Monaten viel mit diesem Thema beschäftigt. Man
wünscht ihm ein dickes Erfolgserlebnis, damit er wieder spürt, was
für ein toller Spieler er ist. "Ich spüre, ich bin in einer
Phase, wo ich so viel spielen muss, wie ich kann!" schrieb mir Merijn nach
dem Sprung ins GM-Turnier. Das ist schon mal die richtige Einstellung.
Malte Colpe ist neben Dirk der einzige Spieler im Feld ohne
Titel, aber auch hier ist der "IM" nur eine Frage der Zeit.
Häufig spielten die Nerven in der letzten Runde einen Streich, aber bei so
viel Talent wird Malte sich nicht mehr lange gegen den Titel wehren
können. Die Schule ist geschafft: Mittlerweile ist Malte schon im dritten
Semester Pädagogik in Hamburg, und seine Begeisterung, gerade auch
für die Jugendlichen im Klub, kennt keine Grenzen. Wenn er einen
ordentlichen Start erwischt, ist Malte extrem schwer zu besiegen.
IM Hannes Langrock, ein einziger kleiner Elo-Punkt lässt
Hannes hinter Malte auf dem vorletzten Platz in der Startliste stehen. Für
den frischgebackenen Vater liegt der Schwerpunkt zurzeit nicht unbedingt auf
Schach, aber eine einwöchige Auszeit ist ja auch nicht so verkehrt. Auch
wenn die letzten Jahre nicht allzu viele Turnierteilnahmen brachten, hat Hannes
sich als Buch- und ChessBase-Autor einen Namen gemacht. Vor allem, weil er im
Vergleich zu vielen anderen Autoren nur über die Dinge schreibt, von denen
er wirklich Ahnung hat. "Morra-Gambit" und "Modernes
Skandinavisch" werden wir vielleicht eher weniger sehen, aber
Französisch (sowohl klassisch als auch in der Rubinstein-Version)
könnte die Gegner immer wieder zur Verzweiflung bringen. Wir freuen uns
auf Hannes, dessen Leben immer wieder zwischen Leipzig und Hamburg hin und her
pendelte. Vielleicht schlägt er ja irgendwann seine Zelte mit seiner
kleinen Familie wieder in Hamburg auf.
Last but not least, WGM Marta Michna! Einen großen
Abschied haben wir ihr nach 16 Jahren HSK Treue in der Frauenbundesliga
bereitet. Nun kommt sie doch schnell wieder zurück und wird gemeinsam mit
ihrer Freundin Monika die Männerwelt durcheinander wirbeln. Der Schwarze
Tee ist für die beiden bereits im Schrank reserviert und die Vorbereitung
gemeinsam mit GM Karsten Müller ist sicherlich auch bereits abgeschlossen.
Zwischen einem Medaillenrang und der roten Laterne ist Marta alles zuzutrauen.
Auf den "männlichen" IM-Titel verzichtet sie bewusst:
"Frauengroßmeisterin klingt viel besser!" Gut möglich,
dass jede Weißpartie mit einem anderen 1. Zug beginnt, flexibel ist die
vierfache Mutter ja nun wirklich.
Ich will mich auf keinen Turniertipp festlegen, aber ich prophezeie gewaltiges
Kampfschach, eine ganze Reihe Überraschungen und vielleicht zwei
GM-Normen. Zu wünschen wäre es sowohl dem Turnier als auch dem HSK
Schachzentrum!
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