GM-Turnier 2016

Happy Birthday, liebes Klub-Heim!

In der kommenden Woche (24.- 30. Oktober) feiert das HSK Schachzentrum sein 20-jähriges Bestehen. Gefeiert wird, wie schon die Eröffnung, mit zwei Turnieren, die sportliche Ambitionen mit großem Wiedersehen verbinden.

Im GM-Turnier begrüßen wir ein Feld, das praktisch nur HSK-Spieler umfasst. Topfavoriten sind die beiden Großmeister Sipke Ernst aus Holland und Jose "Pep" Cuenca Jimenez aus Spanien. Beide haben bis zur vergangenen Saison gemeinsam für uns in der Bundesliga gespielt. Sipke ist geblieben, "Pep" hat es beruflich wieder in die Heimat gezogen, und so nahm er schweren Herzens Abschied von "seinem Team", in dem er den Großmeister-Titel erlangt hat. Pep hat nach seinem erfolgreichen Studium, das ihn ein paar Elo-Punkte gekostet hat, beim VMCG-Schachfestival in Lüneburg bewiesen, wie stark er Schach spielen kann: 8/9 haben unfassbarerweise nicht zum klaren Turniersieg gereicht, sondern nur zum geteilten 1. Platz mit dem russischen GM Vorobiov, der die gleiche Leistung zeigte. Der stets gut gelaunte Spanier nahm es relativ gefasst und meinte: "Bestimmt gewinne ich das nächste Turnier mit zwei Punkten weniger." Vor allem seine Schwarzpartien im Königsinder und Italiener demonstrierten immer wieder seine Kampfstärke. Ich vermute mal, kaum ein Spieler wird von diesen beiden Spitzen ein schnelles Remis bekommen.

Sipke ist als großer Kämpfer und kreativer Spieler bekannt und hat für uns schon so manchen Wettkampf aus dem Feuer gerissen. Als guter Freund von Merijn van Delft und Evi Zickelbein hat er einen kurzen Weg bis zum Spielort und so beste Voraussetzungen für ein gutes Turnier.

IM Dmitrij Kollars ist der heißeste Kandidat auf eine Großmeister-Norm. In der Bundesliga mit zwei sicheren Remisen gestartet und saisonübergreifend noch ohne Niederlage in der Liga, geht Dmitrijs Karriere weiterhin steil nach oben. Bei der Jugend-WM in Russland reichte es zwar nicht ganz zur Medaille, aber der Sprung über die 2500er Elo-Marke ist geglückt und damit eine weitere Hürde zum höchsten Titel überwunden. Auch die beiden Favoriten sind vor Dmitrij als starkem Theoretiker nicht sicher. Ich bin vor allem gespannt, wie er sich mit so starken Praktikern wie Dirk Sebastian und Marta Michna auseinandersetzt. 1996 gab es zur Gründung des HSK Schachzentrums ebenfalls zwei starke Turniere. Strahlender Sieger des GM-Turniers wurde damals das Hamburger Aushängeschild GM Matthias Wahls. Zu dieser Zeit war Dmitrij noch lange nicht geboren. Nun muss man kein Prophet sein, um sich vorzustellen, dass Matthias' "Nachfolger" sein erstes GM-Turnier gewinnt.

Dirk Sebastians Teilnahme ist vielleicht die größte und schönste Überraschung des Turniers. Mit Jan Gustafsson gehört Dirk zum starken 89er HSK Jahrgang, beide haben 1992 wesentlich zum Sieg in der DVM U13 beigetragen. Dirk hat die Jugendarbeit des Klubs mitgeprägt; er hat sich viele Jahre als Jugendtrainer engagiert. Er war immer ein großes Talent; obwohl er vielleicht nie wirklich alles aus sich herausgeholt hat, hat er immer wieder mit einer perfekten Kombination aus Schachwissen und starker Praxis beeindruckt. Aus gesundheitlichen Gründen und vielleicht auch fehlender Motivation war in den letzten Jahren außer der einen oder anderen Bundesliga-Partie nicht viel möglich, nun aber will Dirk es noch mal wissen. Als stärkster Spieler ohne Titel ist Dirk mit Sicherheit nicht zu unterschätzen. Seine Zeiteinteilung ist zwar seit Jahren ein Problem, aber wenn er die Uhr in den Griff bekommt, könnte Dirk der strahlende Sieger des Turniers werden. Genügend IM-Normen für den Titel hat er längst, wenn er nur wüsste, wo…

Mit GM Monika Socko ist eine dritte Großmeisterin im Feld und damit eine der wenigen Spielerinnen, die auch den veritablen GM-Titel trägt. Zu ihren Erfolgen sei kurz und knapp auf unsere Porträts im Frauenbundesliga-Kader hingewiesen.
Beeindruckend vor allem, wie Monika auch aus schlechten Serien immer wieder gestärkt hervor geht. Exemplarisch das WGM-Turnier in Erfurt 2014, bei dem Monika mit 2 Niederlagen startete und danach das Feld mit 6,5/7 buchstäblich in seine Einzelteile zerlegte.

IM Frank Bracker hätte sicherlich auch schon seine erste GM-Norm, wenn nicht Studium und Job mindestens ebenso wichtig wären wie Schach. Seit Jahren als Teamchef in HSK II tätig und mittlerweile dort am Spitzenbrett angekommen, ist Frank ein gefürchteter Taktiker. Diszipliniertes Selbststudium ersetzt weitgehend einen Trainer, aber die Grundphilosophie des ehemaligen Hamburger Kadertrainers FM Wolfgang Pajeken Rechnen ist die Grundfähigkeit trägt ihn zu immer höheren Weihen. Beim Turnier in Oslo hat er sich die notwendige Praxis geholt und am Abend den Vorträgen der anwesenden Großmeister gelauscht. Danach ging es ins "Badminton-Trainingslager" beim Autor dieser Zeilen: So ist also auch für die notwendige Fitness gesorgt. Wer Frank kennt, der weiß, er wird an der einen oder anderen längsten Partie beteiligt sein. Wenn die eine oder andere Eröffnungsbombe zündet, bzw. die Gegner sich erwischen lassen, dann könnte es ein sehr gutes Ergebnis werden.

IM Merijn van Delft ist kurzfristig für seinen Kumpel Geogios Souleidis ins Turnier gesprungen. Nach einigen Jahren der Abstinenz und zarten Versuchen in der Stadtliga der letzten beiden Jahre hat Merijn am vergangenen Samstag sein Comeback in HSK II gefeiert. Vor lauter Freude überließ er seinem Gegner den vollen Punkt, aber das war ein Ausrutscher, der sicher schnell vergessen ist. Merijn war in den letzten Jahren hauptsächlich als Autor und Trainer tätig. Als Co-Autor von Karsten Müller und regelmäßiger Kolumnen-Schreiber für holländische Schach-Medien hat er die neuesten Trends verfolgt, und als Jugendnationaltrainer ging es für ihn mit den holländischen Teams quasi permanent um die halbe Welt. Bei der Olympiade in Baku war er zum zweiten Mal mit den "Karibik-Boys" von Trinidad & Tobago am Start, das Ergebnis war mäßig, aber es kann auch nicht immer der Coach verantwortlich gemacht werden. Merijns größtes Problem ist sicherlich das mangelnde Selbstvertrauen. Viele Remisen pflastern den Weg, aber er hat sich in den letzten Monaten viel mit diesem Thema beschäftigt. Man wünscht ihm ein dickes Erfolgserlebnis, damit er wieder spürt, was für ein toller Spieler er ist. "Ich spüre, ich bin in einer Phase, wo ich so viel spielen muss, wie ich kann!" schrieb mir Merijn nach dem Sprung ins GM-Turnier. Das ist schon mal die richtige Einstellung.

Malte Colpe ist neben Dirk der einzige Spieler im Feld ohne Titel, aber auch hier ist der "IM" nur eine Frage der Zeit. Häufig spielten die Nerven in der letzten Runde einen Streich, aber bei so viel Talent wird Malte sich nicht mehr lange gegen den Titel wehren können. Die Schule ist geschafft: Mittlerweile ist Malte schon im dritten Semester Pädagogik in Hamburg, und seine Begeisterung, gerade auch für die Jugendlichen im Klub, kennt keine Grenzen. Wenn er einen ordentlichen Start erwischt, ist Malte extrem schwer zu besiegen.

IM Hannes Langrock, ein einziger kleiner Elo-Punkt lässt Hannes hinter Malte auf dem vorletzten Platz in der Startliste stehen. Für den frischgebackenen Vater liegt der Schwerpunkt zurzeit nicht unbedingt auf Schach, aber eine einwöchige Auszeit ist ja auch nicht so verkehrt. Auch wenn die letzten Jahre nicht allzu viele Turnierteilnahmen brachten, hat Hannes sich als Buch- und ChessBase-Autor einen Namen gemacht. Vor allem, weil er im Vergleich zu vielen anderen Autoren nur über die Dinge schreibt, von denen er wirklich Ahnung hat. "Morra-Gambit" und "Modernes Skandinavisch" werden wir vielleicht eher weniger sehen, aber Französisch (sowohl klassisch als auch in der Rubinstein-Version) könnte die Gegner immer wieder zur Verzweiflung bringen. Wir freuen uns auf Hannes, dessen Leben immer wieder zwischen Leipzig und Hamburg hin und her pendelte. Vielleicht schlägt er ja irgendwann seine Zelte mit seiner kleinen Familie wieder in Hamburg auf.

Last but not least, WGM Marta Michna! Einen großen Abschied haben wir ihr nach 16 Jahren HSK Treue in der Frauenbundesliga bereitet. Nun kommt sie doch schnell wieder zurück und wird gemeinsam mit ihrer Freundin Monika die Männerwelt durcheinander wirbeln. Der Schwarze Tee ist für die beiden bereits im Schrank reserviert und die Vorbereitung gemeinsam mit GM Karsten Müller ist sicherlich auch bereits abgeschlossen. Zwischen einem Medaillenrang und der roten Laterne ist Marta alles zuzutrauen. Auf den "männlichen" IM-Titel verzichtet sie bewusst: "Frauengroßmeisterin klingt viel besser!" Gut möglich, dass jede Weißpartie mit einem anderen 1. Zug beginnt, flexibel ist die vierfache Mutter ja nun wirklich.

Ich will mich auf keinen Turniertipp festlegen, aber ich prophezeie gewaltiges Kampfschach, eine ganze Reihe Überraschungen und vielleicht zwei GM-Normen. Zu wünschen wäre es sowohl dem Turnier als auch dem HSK Schachzentrum!

Andreas Albers

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