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Keine Furcht vor stärkeren Teams! – Die U20w bei der DVM in Borken

Unter dem Motto der Überschrift ging es für unsere Mädchen vom 26.12. – 30.12.16 nach Borken zur Deutschen Vereinsmeisterschaft. In unserer Aufstellung gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Wechsel sowie Veränderungen in der Brettreihenfolge. Henrike Voß (Brett 1), Kristina Reich (2), Vivien Leinemann (3) und Neuzugang Nicole Reiter (4) versuchten die Burg - unser Spielort - mit allen Mitteln einzunehmen.

Was können Spielerinnen tun, um den Trainer schon auf der Hinfahrt zu begeistern? Selbstständig Taktikaufgaben lösen! Die Motivation war also schon mal vorhanden und Spaß war auch dabei. Neben den Taktikaufgaben wurde das Kartenspiel „Durak“ gespielt. Während die vier Mädchen ihren Spaß hatten, schaute ich zum Großteil nur mit einem Fragezeichen auf der Stirn zu. Schon hier zeigte sich, dass sich alle gut verstanden und die Teammoral schnell gesichert war. In Borken angekommen, hatten wir zunächst Schwierigkeiten, uns zurechtzufinden. In der Burg selbst wurde nur gegessen. Gespielt und geschlafen wurde in separaten Häusern um die Burg herum.

Die Lokation: Die Burg Foto: Bernhard Jörgensmann

Aber nun zum Schach: Die erste Runde bescherte uns gleich den ersten starken Gegner. Die Karlsruher Schachfreunde waren an Rang 3 gesetzt und hatten einen DWZ-Schnitt von 1829 – 400 Punkte mehr als unser Schnitt! Die Erwartung? Wohl eine deutliche Niederlage. Unsere Einstellung? Keine Furcht vor stärkeren Teams! Nicole legte hervorragend vor. Nach einem Figurenverlust kämpfte sie sich zurück, gewann einen Bauern und machte die Stellung für ihre Gegnerin immer schwerer. Im Endspiel dann der entscheidende Fehler. Nicoles Bauern waren schneller als die Polizei erlaubt und konnten nicht mehr eingeholt werden. 1-0! Henrike verlor nach hartem Kampf gegen die Elo-stärkste Spielerin des Turniers Paula Wiesner. Die Partie war wie gewünscht höchst kompliziert. Zwischenzeitlich war die Stellung wohl sogar klar besser für Henrike. In Zeitnot verlor sie ein wenig den Faden und musste sich geschlagen geben. 1-1. Vivien spielte über lange Strecken der Partie hochklassiges Schach. Im Spanier eroberte sie nach harter Arbeit einen Bauern. Im Endspiel fehlte womöglich der letzte Biss. Der Bauer ging verloren, und so einigten sich beide Spielerinnen auf ein Remis. 1,5-1,5. Kristina spielte als letzte des Turniers. In der Eröffnung verlor sie einen Bauern. Umso besser war die Spielweise danach. Mit einem sehr dynamischen Gegenspiel zum richtigen Zeitpunkt konnte sie die schlechte Stellung des gegnerischen Königs ausnutzen. Kristina gewann den Bauern zurück und erreichte problemlos das Remis. Endstand: 2:2!

In der zweiten Runde spielten wir gegen den SK Langen, welcher an 6 gesetzt war – somit einen Platz vor uns – und dennoch einen 150 Punkte höheren DWZ-Schnitt vorwies. Wieder ging der Wettkampf perfekt los. Als ich mich gerade ein wenig ausruhen wollte, klopfte Henrike an meine Zimmertür und erzählte strahlend vom schnellen Sieg. Die kurze Vorbereitung kam perfekt aufs Brett und die Umsetzung von Henrike war noch besser! Dem stark vorgeführten Königsangriff hatte ihre Gegnerin nichts entgegenzusetzen. 1-0! Kristina kam mit der fünf-Minuten-Vorbereitung leider nicht gänzlich klar und musste so schnell die Niederlage akzeptieren. Das nehme ich auch auf meine Kappe. 1-1. Nicole gewann schon früh in der Eröffnung eine Figur und spielte danach bedacht und gut weiter. Im Endspiel wählte sie dann aber die falsche Springerroute und musste sich so mit dem Remis zufrieden geben. 1,5-1,5. Alles halb so wild: Unsere Topscorerin Vivien spielte noch. Nach einer schönen Taktik im Mittelspiel eroberte sie ganze drei Bauern. Im Endspiel opferte sie korrekterweise eine Figur, da ihre Gegnerin ihre vier Bauern mit einem Springer nicht mehr aufhalten konnte. Endstand: 2,5-1,5!

Am Brett -v.v.n.h.:Nicole, Vivien, Kristina, Henrike

Nach dem sensationellen Start hatten sich die Mädchen in den nächsten beiden Runden Wettkämpfe gegen die zwei besten Teams des Turniers verdient. Die dritte Runde gegen den erstplatzierten SK Lehrte verlief zum ersten Mal erwartungsgemäß. An den ersten drei Brettern hatten wir schon früh Probleme. Einzig Nicole lieferte ihrer 600 Punkte stärkeren Gegnerin einen harten Kampf. Im Endspiel verlor sie einen Bauern und musste damit auch das Handtuch werfen. Endstand: 0-4.

Vor allem schachlich sah es in der vierten Runde deutlich besser gegen unsere Freunde aus Harksheide aus. An Brett 1 erspielte sich Henrike nach sehr kreativem Spiel ein Remis gegen die Kaderspielerin Nathalie Wächter (DWZ 2000!). 0,5-0,5. Kristina hatte mit schwarz eine fantastische Stellung erreicht, die aber weiterhin kompliziert und voller Tricks war. Am Ende musste sie sich geschlagen geben. Vivien und Nicole fanden nach guten Eröffnungen keinen überzeugenden Plan und verloren kurzerhand die Partien. Endstand: 0,5-3,5.

Gegen die Nummer 4 des Turniers, Muldental Wilkau-Haßlau, ging es dann in der fünften Runde. Gegen das durchweg stark besetzte Team hatten wir an den Brettern 1,2 und 4 keine realistische Chance. Nur Vivien konnte mit einem sehr guten Stellungsverständnis der Gegnerin ein Remis abknöpfen. Endstand: 0,5-3,5.

In der sechsten Runde ergab die Auslosung spielfrei für uns. Somit durften wir dann ein wenig entspannen und die Geschehnisse vom Zimmer per Liveübertragung beobachten. Ach, und da war noch was. Ich habe zu Beginn das Kartenspiel Durak erwähnt. Und man mag es kaum glauben. Knapp fünf Stunden haben wir gespielt… Vielleicht sollten wir uns auch da bald nach einer deutschen Meisterschaft umschauen. Am Abend haben wir dann das Essen in der Burg ausfallen lassen und uns selbst auf die Suche nach einem schönen Restaurant gemacht. Fündig geworden sind wir im kroatischen Restaurant „Adria“. Sehr lecker!

Die siebte Runde ergab dann zum ersten und letzten Mal eine nominell etwas schwächere Mannschaft mit den Leegebrucher SF. Dazu muss gesagt werden, dass sich Leegebruch an drei der vier Bretter mindestens auf Augenhöhe befand. Nur Vivien hatte mit 600 DWZ mehr eine eher „leichte“ Aufgabe. Kristina spielte eine sehr solide Eröffnung und erreichte eine angenehme Stellung mit Schwarz. Leider wählte sie dann einen falschen Plan und musste sich schnell geschlagen geben. 0-1. Nicole spielte fast schon eine Mustereröffnung und eroberte sich einen Bauern. Vielleicht kehrte dann so langsam die Müdigkeit durch das anstrengende Turnier ein. Durch zwei leichtfertige Fehler stand es 0-2. Vivien brachte noch einmal Hoffnung auf ein Unentschieden. Sie gewann nach einer soliden Partie. 1-2. Henrike spielte wie häufig die längste Partie des Turniers. Alleine diese Tatsache verdient ein großes Lob, da alle ihre Gegnerinnen 200-500 DWZ mehr neben dem Namen stehen hatten! Aus der Eröffnung kam sie gut heraus und hatte auch im Verlauf gute Chancen. In Zeitnot tauschte Henrike einmal falsch ab, wonach die Stellung praktisch wohl hoffnungslos war. Endstand: 1-3.

Am Tabellenergebnis hätte die Partie von Henrike nichts geändert: Unsere Mädchen erreichten den 7. Platz und bestätigten damit ihren Setzlistenplatz. Aber das war gar nicht das Entscheidende dieser DVM. Durch den grandiosen ersten Tag haben sich die vier Spielerinnen in Folge die stärksten Gegner verdient. Gegen die Nummer 1 bis 4 der Setzliste ging es nicht darum, besonders gute Ergebnisse zu erzielen, sondern vielmehr lehrreiche und interessante Partien zu spielen. Ich glaube, dass alle Spielerinnen eine Menge für die Zukunft aus diesem Turnier ziehen konnten. Ein paar DWZ-Punkte für die Mannschaft sprangen insgesamt auch heraus. Und vergesst nicht: Jeder Gegner ist bezwingbar. Und dabei ist es unwichtig was für eine Zahl auf dem Papier steht. Ihr habt es bewiesen!
Auf dem Bahnsteig irgendwo im Nirgendwo

 

Irgendwo im Nirgendwo – Einer unserer Anschlusszüge fiel ohne Vorwarnung aus, sodass wir eine Stunde lang in der Kälte warten mussten. Wie schön, dass wir eine Beschäftigung hatten (Vivien steht hinter der Kamera)

Partien zum Nachspielen sowie weitere Informationen zum Turnier gibt es hier.

 

Lars Hinrichs



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