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Der Hamburger Schulschachpokal 2015: Anlass zum Feiern oder zum Nachdenken?

Natürlich gibt es Anlass zum Feiern, besonders in der Grundschule Bergstedt, aber nicht nur dort, wie der Bericht von Sebastian Weihrauch und Mark Bölke Foto der Sieger zeigen wird. Aber gibt auch Anlass zu einer nachdenklichen „Bestandsaufnahme“.

 

Traditionell wird das Turnier vom Fachausschuss Schach der Behörde für Schule und Berufsbildung (http://www.schulsport-hamburg.de/Sportarten/Schach) in der Stadtteilsdchule Barmbek in der Fraenkelstraße unter der Regie von Jan Pohl ausgetragen. Es wird rechtzeitig vom HSJB unter www.hsjb.de beworben, und es gibt eine bequeme Möglichkeit der Online-Anmeldung; auch die Ergebnisse werden zeitnah veröffentlicht.

 

Und doch sinken Jahr für Jahr die Teilnehmerzahlen. In der WK V der Grundschulen spielten immerhin noch 20 Mannschaften aus 13 Schulen um die vier Hamburger Startplätze in der Deutschen Meisterschaft, aber in allen anderen Wettkampfklassen war die Beteiligung fast schon beschämend. In den WK III und IV waren je vier Teams am Start, in der WK der Stadtteilschulen trafen sich drei Schulen, in der WK II und WK M wurde die Qualifikation gar nur noch durch einen Zweikampf entschieden. Insgesamt waren 35 Mannschaften aus 25 Schulen dabei und brachten 140 Schülerinnen und Schüler an die Bretter. Beim Turnier der

Hamburger Schulen Rechtes gegen Linkes Alsterufer 2014 waren es 127 Schulen (im Rekordjahr 1988 war die Beteiligung mit 174 Schulen und 3616 Schülerinnen und Schüler sogar noch größer).  Und vermutlich gibt es sogar noch mehr Hamburger Schulen, die mit Schach im Profil werben oder zumindest eine Schach-AG im GBS-System am Nachmittag anbieten.  

 

Bewirkt nur die Location den Unterschied? Das große Werbeturnier hat mit dem CCH als Rahmen natürlich den Charakter eines Events, das Jahr für Jahr in der Presse, sogar im Rundfunk und  Fernsehen Beachtung findet. Die Teilnahme scheint für viele Schulen fast selbstverständlich, obwohl oder weil das Turnier an einem Schulvormittag stattfindet und mit der Unterrichtsbefreiung für Lehrer und Schüler verbunden ist. Zum Stichwort Schach fällt vielen Hamburgern zuerst (und manchmal nur) das Turnier Rechtes Alsterufer – Linkes Alsterufer ein, und auch im Bewusstsein vieler Schulleitungen und Eltern fängt Schulschach mit diesem Event im CCH an – und hört leider damit auch schon wieder auf. Die Beteiligung an den Hamburger Blitzmeisterschaften der Schulen am selben Nachmittag im CCH ist relativ gering, und sie sinkt noch einmal, wenn es um einen sportlichen Wettkampf wie den Hamburger Schulschach-Pokal geht, der an einem Sonnabend stattfindet, also deutlich über das Programm der Schulen hinausgeht. Der Gewinn des großen Pokals im CCH ist fast wie ein Lotteriespiel: Viele Mannschaften haben eine Chance, sie brauchen für den erforderlichen 8:0-Sieg nur einen deutlich schwächeren Gegner (und davon gibt es genug), einen Startplatz auf dem richtigen (erfolgreichen) Alsterufer und schließlich das Losglück, als Pokal-Sieger aus dem Topf gezogen zu werden. Der Gewinn der kleinen Pokale in den einzelnen Wettkampfklassen des Hamburger Schulschach-Pokals ist dagegen nur gegen die besten Hamburger Teams möglich, andere scheinen gar nicht erst zu kommen.

 

Vielleicht könnten doch wieder Anreize für einen größeren Kreis von  Schulen geschaffen werden. Als der Hamburger Schulschach-Pokal vor vielen Jahren noch von Coca-Cola oder Siemens gesponsert wurde, konnte er in einem anderen Rahmen (z.B. der Sporthalle Hamburg) stattfinden und weit mehr Teilnehmer anziehen. Die quantitativ ungleiche Besetzung der einzelnen Wettkampfklassen führte zuletzt zu vielen kleinen Turnieren, für die – abgesehen von dem der Grundschulen – ein einzelner Klassenraum ausreichte, sodass sie fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Turnieratmosphäre kann da natürlich kaum aufkommen. Im Turnier der Grundschulen war das anders, wie Sebastian Weihrauchs Bericht zeigt. Deshalb werde ich meine Darstellung mit diesem Kapitel aus der Bergstedter Erfolgsgeschichte  schließen, um auch einen positiven Ausblick auf die Hamburger Chancen in den Deutschen Meisterschaften geben zu können. Zunächst aber ein paar Erläuterungen zu den Ergebnissen der anderen Wettkampfklassen.

 

„Reines“ Schulschach ohne Vereinsbindung einer Schulschachgruppe an einen Verein gibt es noch bei den Stadtteilschulen, zumindest denen, die am Start waren, obwohl eine Qualifikation für die offenen DSSM gar nicht erforderlich war. Die Rudolf-Steiner-Schule Harburg, schon im November an acht Brettern Hamburger Meister geworden, setzte sich gegen den Zweiten, die Stadtschule Ehestorfer Weg mit 2½:1½ und die Stadtteilschule Winterhude mit 4:0 durch. Kern der Mannschaft ist die 7. Klasse von Georg Weimer, der eine große Schachbegeisterung ausgelöst hat. Auch Hendrik Hauschild macht am Ehestorfer Weg vieles möglich: Vom 24. bis 27. April richtet seine Schule die Deutsche Meisterschaft in Hamburg aus – eine außerordentliche Entwicklungschance für viele Hamburger Stadtteilschulen, ist dieses Turnier doch offen ausgeschrieben.

 

In der WK M gewann das Charlotte-Paulsen-Gymnasium mit 3:1 und 2½:1½ gegen das Margaretha-Rothe-Gymnasium und qualifizierte sich für das Finale auf Bundesebene in Karlsruhe. Beide Schulen werden von Vereinen betreut: Das CPG hat eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit dem MCG im SC Diogenes, das MRG spielt mit Mädchen, die in der Grundschule Genslerstraße („Schach als Fach“) ausgebildet worden sind und beim SC Schachelschweine weiter gefördert werden.

 

Auch die WK II wurde in einem Zweikampf entschieden. Die Emilie-Wüstenfeld-Schule, in der mit dem SK Weisse Dame ein leistungsorientierter junger Verein zu Hause ist, gewann zweimal mit 4:0 gegen das Goethe-Gymnasium, in dem der Oberliga-Spieler Frank Sawatzki viele gute Spieler entwickelt hat, die sich ohne Vereinsförderung bleiben, weil sie noch einen anderen Sport betreiben und die regionalen Schachvereine kein ihrem  Anspruch angemessenes Angebot machen können.

 

Der überlegene Sieger der WK III, das Gymnasium Meiendorf (6:0 / 9), verfügt über drei starke Spitzenbretter aus drei Vereinen: Teodora Rogzenco (HSK), Leonard Killgus (SKJE) und Jonas Gremmel (Caissa Rahlstedt), die ihre Schule auch auf der Bundesebene gut vertreten könnten.

 

Der Sieger in der WK IV, das Private Brecht-Gymnasium (6:0 / 9½), sollte in Bestbesetzung in Bad Homburg sogar eine hervorragende Rolle spielen: Nach der Vizemeisterschaft 2014 geht die Mannschaft von Luis Engel, Lennart Meyling. Robert Engel, Leon Bannöhr, Joris Raschke und Julien Neffe als Favorit in die Deutsche Meisterschaft.

 

 

WK V der Grundschulen                                                 

 

Die Grundschule Bergstedt ist wie schon im Vorjahr Hamburger Mannschaftsmeister der Grundschulen geworden. Und wie schon 2014 wird Hamburgs erfolgreichste Schach-Grundschule mit zwei Mannschaften zur Deutschen Meisterschaft nach Thüringen anreisen, weil das Team Bergstedt 3 überraschend den dritten Platz belegt hat.

WK Grundschule: Die Sieger

Das Siegerteam mit Jakob Weihrauch, Roman Bölke, Benjamin Wöstmann und Tom Prager, aufgenommen von Mark Boelke, einem der vielen Bergstedter Schachväter

 

Für das Spitzenquartett lief in den ersten beiden Runden alles nach Plan: Jeweils 4:0 wurden die Mannschaften der Schulen Genslerstraße 3 und Brockdorffstraße souverän besiegt. Vielleicht schlich sich in der dritten Runde ein wenig Übermut ein. Im Spiel gegen die Bugenhagenschule Hamm wurde an den Brettern 2 bis 4 jeweils geholzt, als gäbe es kein Morgen, und jeweils ging es schief und der Punkt an die Gegner, sodass am Ende ein 1:3 zu Buche stand. Diese Lehre hatte gesessen: Ab jetzt wurde wieder konzentriert gespielt, was in den nächsten beiden Runden die Schulen Turmweg und Knauerstraße zu spüren bekamen. Jeweils mit einem satten 4:0 wurden sie besiegt. In der sechsten Runde ging es gegen den vermeintlich schärfsten Konkurrenten, nämlich die vom SC Königsspringer betreute Grundschule Frohmestraße. In diesem Spiel waren vier Partien mit offenem Ausgang zu erwarten. Schon früh gab es allerdings an allen Brettern Vorteile, die sich immer weiter vergrößerten, sodass auch in diesem Wettkampf am Ende das Ergebnis 4:0 hieß. Die Freude wurde allerdings etwas dadurch getrübt, dass vor der letzten Runde die Bugenhagenschule noch immer einen Mannschaftspunkt vor unserem Spitzenteam lag. In der letzten Runde musste sie allerdings gegen Bergstedt 3 ran, die ein sehr starkes Turnier gespielt hatten und nun ihrem Bruderteam Schützenhilfe leisten wollten. Hinzu kam, dass Bergstedt 3 sich mit einem Unentschieden selbst für die Deutsche Meisterschaft qualifizieren konnte. Bergstedt 1 musste gegen die Strengeschule ran. Während dieses Wettkampfes wurde allerdings immer nach rechts geschielt, wo Bergstedt 3 helfen sollte. Und tatsächlich gelang dort das überraschende 1:0 an Brett 4 und auch an Brett 1 sah es immer besser aus. Parallel liefen auch die Spiele bei Bergstedt 1 rund. Während bei Bergstedt 3 das 1:1 fiel, ging Bergstedt 1 1:0, 2:0 und schließlich auch 3:0 in Führung. Und da zeitgleich nebenan das 2:1 fiel, kannte die Freude keine Grenze und es fiel schwer, die Kinder zurückzuhalten, bis auch die letzten Spiele gespielt waren: 4:0 für Bergstedt 1 und 2,5:1,5 für Bergstedt 3. Wieder Hamburger Meister!

Die Mannschaft von Bergstedt 1 mit Jakob Weihrauch, Roman Bölke, Benjamin Wöstmann und Tom Prager hat insgesamt nur drei Brettpunkte abgegeben und sechsmal das Traumergebnis 4:0 erreicht. Neben dem fast sensationellen dritten Platz für Bergstedt 3 (Bent Reinhard, Dominik Gaffron, Lasse Holst und Max Prager) hat auch das junge Team von Bergstedt 2 (Bahne Fuhrmann, Linus Müller, Yannick Ahrens, Hannes Joswig und Marten Kelling) mit dem 9. Platz ein gutes Turnier gespielt und wird die beiden DM-Mannschaften sicherlich noch mit Ersatzspielern auffüllen. Gratulation an Herrn Schild, der jetzt wieder eine schöne Bahnverbindung über Bayern nach Thüringen heraussuchen darf!

 Sebastian Weihrauch

 

Beim Turnier der Grundschulen lohnt sich auch die Tabelle, denn sie veranschaulicht, wie es im Hamburger Schulschach, wenn wir uns anstrengen, wieder insgesamt besser werden kann. Alle 20 Mannschaften haben mehr oder minder enge Bindungen an Vereine, zwölf zum HSK, vier zum SKJE, drei zum SC Schachelschweine, eine zum SC Köningsspringer, also zu auch im Hamburger Jugendschach führendenden Vereinen.

 

Rang

 Mannschaft

 

S

R

V

Man.Pkt.

Brt.Pkt

Buchh

1.

Grundschule Bergstedt 1

 

6

0

1

12 - 2

25.0

55.0

2.

Bugenhagen-Schule Hamm 1

 

5

1

1

11 - 3

19.5

63.0

3.

Grundschule Bergstedt 3

 

5

1

1

11 - 3

19.0

54.0

4.

Schule Knauerstraße 1

 

4

1

2

9 - 5

18.0

52.0

5.

Schule Frohmestraße

 

3

3

1

9 - 5

15.5

61.0

6.

Schule Genslerstraße 1

 

2

4

1

8 - 6

15.5

55.0

7.

Grundschule Eulenkrugstraße

 

3

2

2

8 - 6

14.5

41.0

8.

Grundschule Turmweg

 

3

1

3

7 - 7

14.5

54.0

9.

Grundschule Bergstedt 2

 

3

1

3

7 - 7

14.5

50.0

10.

Strenge-Schule

 

3

1

3

7 - 7

14.0

61.0

11.

Grundschule Hasenweg

 

3

1

3

7 - 7

14.0

48.0

12.

Adolph-Schönfelder-Schule

 

3

1

3

7 - 7

14.0

47.0

13.

Schule Brockdorffstraße

 

3

1

3

7 - 7

13.0

53.0

14.

Schule Knauerstraße 2

 

2

2

3

6 - 8

12.0

49.0

15.

Schule Genslerstraße 3

 

2

1

4

5 - 9

10.5

40.0

16.

Schule Genslerstraße 2

 

1

3

3

5 - 9

10.0

40.0

17.

Schule Knauerstraße 3

 

1

3

3

5 - 9

9.5

38.0

18.

Bugenhagen-Schule Hamm 2

 

1

2

4

4 - 10

10.0

41.0

19.

Katharinenschule HafenCity

 

1

1

5

3 - 11

8.0

41.0

20.

Schule Richardstraße 1

 

0

2

5

2 - 12

9.0

37.0

 

Zwischen die beiden Bergstedter Teams hat sich die vom HSK Jugendwart Bernhard Jürgens aufgebaute erste Mannschaft der Evangelischen Schule Paulus geschoben. Anderthalb Jahre hat er gebraucht, um aus dem Nichts eine Mannschaft zu formen, die zur Deutschen Meisterschaft fahren wird. Wie die ersten drei Mannschaften haben auch die Spieler der von Hendrik Schüler betreuten Mannschaft der Grundschule  Knauerstraße, die als Vierter zur Deutschen Meisterschaft fahren wird, schon als in einem Team des SKJE in der Basisklasse des HSJB mitgespielt und an weiteren Turnieren teilgenommen.

 

In der Tat wird in den Grundschulen eine Basis für die Entwicklung des Hamburger Jugendschachs geschaffen, die optimistisch stimmen kann. Die Tabelle macht aber zugleich deutlich,  diese Entwicklung nur nachhaltig verlaufen wird, wenn das Schachspiel über die Schach-AG am Nachmittag, die Wahlpflichtkurse oder den Fachunterricht hinaus praktisch wird, wenn die interessierten Kinder in Turniere, die sie herausfordern, begleitet werden.

Die Qualität der größten Turniere sollte durch die Mitwirkung von Sponsoren gesteigert werden, wie die Entwicklung des großen Werbeturniers Rechtes Alsterufer – Linkes Alsterufer zeigt, seitdem Barclaycard Deutschland in Kooperation mit ChessBase die Mitverantwortung für dieses Turnier übernommen hat. Aber eine genauso wichtige Rolle müssen die Hamburger Schachvereine übernehmen: Wenn sie sich nicht für die Kinder öffnen oder genauer: wenn sie nicht in die Schule gehen und in einem weiteren Schritt die Kinder mit tieferem Interesse am Schachspiel an sich binden, bevor die Kinder in  weiterführenden Schulen weniger Zeit haben und vor neuen täglichen Anforderungen stehen, werden die guten Ansätze verspielt. Viele Vereine sehen sich zu einer solchen Leistung nicht in der Lage, und der Hamburger Schachverband, der sich als ihr Dienstleister versteht, verwaltet bestenfalls den Status quo, statt sich selbst zu befähigen, Ziele zu setzen und aktiv Hilfe anzubieten.

 

Früher war mehr Lametta

Ich zitiere noch einmal Sebastian Weihrauch, um  deutlich zu machen, dass ich kein Schwarzmaler bin, sondern mit ihm positive Entwicklungen durchaus registriere. Drei Tage vor der HJEM in Schönhausen stellt er in einem eigentlich internen Text fest:

„Seit einem Jahr ist die U12-Endrunde so stark besetzt wie seit langer Zeit nicht mehr. Während in den Jahren 2005 bis 2013 nur zwei bis maximal zehn Spieler eine DWZ von mehr als 1000 hatten, sind es 2014 und 2015 19 bzw. 18 Spieler. Und während in den acht Jahren vorher zwischen sieben und 14 Spieler überhaupt keine DWZ hatten, sind es 2014 und dieses Jahr jeweils nur vier. Ein ähnliches Bild ergibt sich übrigens auch bei der U10-Endrunde. Entgegen den pessimistischen Einschätzungen von Jürgen [Bildat] und auch zuletzt anlässlich der HJET von [Mark Bölke] könnte es sein, dass zumindest nicht alles früher besser war. Im Gegenteil ließe sich optimistisch schlussfolgern, dass die stärkere Verbreitung des Grundschulschachs auch mehr Vereinsspieler hervorbringt, die sich dem Turnierschach stellen.“

 

Richtig: Das ist der Weg. Aber bisher führt er zu nur wenigen Vereinen. Die 30 Teilnehmer an der U12-Endrunde kommen aus 10 Vereinen, und viel mehr sind’s auch nicht, die aufnahmebereit am Wegesrand ihre Spielbuden aufschlagen.

 

Christian Zickelbein

 

 



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