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Deutsche Vereinsmeisterschaften U20 1998 in Erfurt

Vom 26. - 30. Dezember 1998 wurde Erfurt zum "Mekka" der jugendlichen Schachszene. Diese Übertreibung ist im Hinblick auf das ständige Pendeln zwischen Spielort, Jugendherberge und Mittagessen sicher nicht unangebracht. Die räumliche Trennung von Spielen (in der Thüringenhalle), Schlafen, Frühstücken und Abendbrotessen (in der Jugendherberge) sowie Mittagessen (im Thüringer Landtag) machte das ganze Unterfangen zu einer kleinen "Pilgertour" powered by Erfurter Straßenbahn. Doch um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, möchte ich den Kritikpegel zunächst etwas herabsenken und noch einmal von vorne anfangen:

 

Sa., 26.12.98

 

Morgens, um kurz vor acht traf sich die Mannschaft samt Betreuer am Hamburger Hbf. ganz unverhofft zusammen mit den Königsspringern. Kurz zuvor hatte sich die HSK-U15-Mannschaft in Richtung Niederbayern (Wurmannsquick) verabschiedet. Die Anreise verlief wie geplant, so daß wir (Karsten Müller, Jan Gustafsson, Dirk Sebastian, Steve Berger, Moritz Wiethaup, Leonie Helm, Malin Klawonn und ich) gegen Mittag bei unserer Jugendherberge eintrafen. Am frühen Nachmittag wurde die Deutsche Meisterschaft U20 und parallel dazu die U20w nach der Begrüßung eröffnet. Gesetzt war der HSK auf Platz 3 (hinter Erfurt und Bochum). In der ersten Runde waren unsere Gegner die Sfr. Mainz 1928, eine Mannschaft, die im letzten Jahr nach der Silbermedaille greifen konnte. Wir waren also vorgewarnt; dennoch reichte es - und das war wohl der erste Schock uns - nur zu einem 3:3, das folgendermaßen zustande kam: An Brett 1 konnte Gusti seinen Gegner erfolgreich löschen, Dirk verlor am 2. Brett gegen einen starken Elmar Karst, der für seine 4 ½ Brettpunkte später mit einem Brettpreis belohnt werden sollte, Steve verlor ebenfalls eine hochkomplizierte Partie, Moritz konnte seinen Gegner im Endspiel überzeugen, Malin verlor, weil sie in Zeitnot in ein schlechteres Endspiel abwickelte, und ich konnte punkten.

 

Unzufrieden begab sich die Mannschaft gen Jugendherberge und wohl noch unzufriedener wurde dann das etwas "karge" Abendbrot in der Jugendherberge eingenommen. An den folgenden Tagen einigten wir uns mannschaftsintern des öfteren, lieber einen Abstecher zum nächsten Italiener zu machen (Restaurants mit Namen wie etwa "Zum Schnitzelheinz" wurden - möglicherweise zu unrecht - angesichts des rustikalen Angebots gemieden).

 

So., 27.12.98

 

Der Sonntag fing im Prinzip da an, wo der Samstag aufgehört hatte: Beim Frühstück, das sich im wesentlichsten (mit Ausnahme der Uhrzeit) von der mündlichen (und wohl nötigen) Nachfrage nach Kaffee vom Abendbrot unterschied. Die zweite Runde begann erst nach dem Mittagessen, das im Thüringer Landtag stattfand. Die Damen hatten beim Essen allerdings schon die zweite Runde hinter sich. Da die U20w für 7 Runden ausgelegt war (die U20m für 5) verlief die Meisterschaft für die Schachspielerinnen vermutlich doch etwas stressig. Für das nächste Jahr kommt deshalb in Betracht, die U20w ebenfalls 5-rundig auszutragen. In Runde Nr. 2 trafen wir auf die SG Porz. Diesmal gelang es, den Kampf zu unseren Gunsten zu entscheiden. Dazu trugen hauptsächlich Gusti (1), Dirk (1), Steve (½) und Leonie (1) bei: Gusti gewann in gewohnter Manier, Dirks Gegner lief in einen unwiderstehlichen Mattangriff, Steve konnte sich mit seinem Gegner einigen und Leonie konnte aus der Zeitnot ihres Gegners Kapital schlagen. Moritz bekam unerwarteter Weise eine vorbereitete Variante ins Gesicht, mir erging es ähnlich (Karsten konnte bei der späterern Heimanalyse meine Variante zwar noch "retten", dennoch konnte ich mit dieser Partie, die meine letzte Jugendpartie gewesen sein sollte, nicht zufrieden sein. Nichts desto Trotz gewann mein Gegner, Michael Scharfenberg, mit späteren 5/5 einen Brettpreis).

 

Mo., 28.12.98

 

Nach dem Mittagessen im Landtag, der mittlerweile renoviert wurde hieß es HSK versus Dresdner SC. Das Ergebnis dieser Paarung fiel deutlicher aus als erwartet: Mit 5:1 wurden die Dresdner von uns doch etwas angerempelt. Wir gaben zudem keinen vollen Punkt ab, lediglich Gusti und Steve trennten sich friedlich von ihren Gegnern, Dirk, Moritz, Leonie und Malin verbuchten je einen vollen Zähler.

 

Di., 29.12.98

 

In der vierten Runde sollte die Vorentscheidung fallen: Wir durften uns mit dem Gastgeber, Empor Erfurt, auseinandersetzten.

 

An Brett 3 war die Partie schmerzhafterweise als erstes entschieden: Steve hatte gegen Thomas Paehtz jr. verloren. Nach einiger Zeit konnte Gusti zum 1:1 ausgleichen. In einer vorbildlichen Partie bezwang er das Erfurter Talent Ferenc Langheinrich und nahm diesem den einzigen Punkt im Turnier ab. Als nächstes mußte Moritz kapitulieren, da sein Gegner Moritz` Angriff, der nicht ungefährlich war, abwehren konnte und zum Konter ansetzte. Dafür wurde Raul Jordan später mit einem Brettpreis belohnt. Malin opferte in der Zeitnot ihres Gegners einen Turm und erhielt dafür gewinnbringenden Angriff. Es stand 2:2. Bei Dirk sah es so aus, als würde sich ein remis abzeichnen, insgeheim hoffte man auf mehr. Letztendlich zeigte sich jedoch, daß die Blockadestellung vom amtierenden Deutschen U17-Meister, Thomas Hänsel, wasserdicht war, so daß doch eine Punkteteilung erfolgte (Dirk hatte seine Zeit allerdings voll ausgereizt; der remis-Schluß erfolgte ca. 20 Sekunden vor Fall des Plättchens). Bei der letzten Partie (sowohl unseres Kampfes als auch des gesamten Tages) führte Leonie die schwarzen Steine. Nach einigem Hin und Her konnte sie die Stellung noch remis halten. Mit dem resultierenden 3:3 konnten wir uns von dem Gedanken an den größten Pokal des Wettkampfes quasi endgültig verabschieden.

 

Mi., 30.12.98

 

Bereits am Dienstag hatten wir erfahren, daß wir in der letzten Runde ausgerechnet gegen "alte Bekannte" spielen durften. Das Schicksal wollte es so, daß die DVM um das Schlagerspiel HSK - Königsspringer ergänzt wurde. Die Nacht zuvor hatte man noch zusammen DoKo gekloppt und nun (Rundenbeginn 9:00 Uhr) das? Wie auch immer, das Endergebnis hat aus unserer Sicht gestimmt: 3 ½ - 2 ½. Gusti spielte gegen Markus Lindinger (der sich "ganz gut gewehrt" [Gusti] hat) remis, Dirk konnte Jörg Lampe bei beidseitig knapper Zeit bezwingen, Steve gewann gegen Julian Zimmermann und Malin verlor gegen Shreyas Davè. Leonie spielte mal wieder die längste Partie, übersah gegen Ingo Wilms den Gewinnweg und mußte sich schließlich mit einem Remis zufrieden geben.

 

Bei der abschließenden Siegerehrung erhielt jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer einen Sachpreis und eine Urkunde. Darüber hinaus erhielt Gusti für 4 Punkte aus 5 Partien einen geteilten Brettpreis.

 

Platzierungen

 

U20: 1. SV Empor Erfurt (9:1 MP, 20,5 BP), 2. SG Bochum 31 (8:2 MP, 21 BP), 3. HSK (8:2 MP, 18,0 BP), 7. KS Hamburg (4:6 MP, 15,0 BP) von insg. 12 Mannschaften

 

U20w: 1. ZSG Waltershausen (11:3 MP, 20,5 BP), 2. SV Empor Erfurt (11:3 MP, 19,0 BP), 3. SK König Tegel 49 (10:4 MP, 17,5 BP) von insg. 15 Mannschaften

 

Fazit

 

Schachlich gesehen denke ich, hat der HSK seine Erwartungen erfüllt; mehr aber auch nicht. Der erste Platz war durchaus zum Greifen nahe, es fehlten Punkte an den entscheidenden Stellen und das nötige Quentchen. Auch wenn der große Erfolg ausblieb, mindestens drei Leistungen stehen für eine tendenziell positive Bilanz:

 

Bronzemedaille (immerhin)

 

Sieg gegen Königsspringer (Revanche für die Niederlage in der JUBLN)

 

SG Bochum wurde nicht (wie im Vorjahr) Erster

 

Im übrigen noch ein paar Worte zur Organisation und zur Reiseatmosphäre: Das gesamte Turnier war sehr gut organisiert, der schachliche Part war gut geplant. Dennoch war ich von der gesamten Spielatmosphäre nicht gerade besonders angetan. Das eher trockene Klima in der großen Thüringenhalle gab dem Ganzen einen etwas eigenen, unpersönlichen Touch.

 

Zum Aufenthalt allgemein kann ich sagen, daß aus räumlicher Sicht mit Erfurt sicher keine Optimallösung gefunden wurde.

 

Abschließend gebührt Karsten Müller, der - wie man es von ihm gewohnt ist - als vorbildlicher Reiseleiter fungierte, besonderer Dank. Zusammen mit seinem Notebook, das man nur wegen Kompatibilitäts-Pr3oblemen nicht über den Klodeckel der Jugendherberge an das Internet anschließen konnte, trug Karsten enorm zur Vorbereitung und damit zum Erfolg der Mannschaft bei.

 

Steffen Krause



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