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DVM U20 in Bad Godesberg: NRW deklassiert Restdeutschland

"Immerhin sind wir noch beste nicht NRW-Mannschaft geworden...": So versuchte der Hamburger Teamchef GM Karsten Müller immer wieder, seine Mannschaft zu trösten. So recht wollte ihm das nicht gelingen, zu abgestumpft waren die Gemüter nach vier Tagen DVM schon und zu lange, genaugenommen schon seit der zweiten Runde, musste man sich schon mit dem Gedanken abfinden, dass es auch in diesem Jahr mal wieder nicht klappen sollte.

 

Dabei standen die Vorzeichen für den Klub so gut wie schon lange nicht mehr: Mit IM Jan Gustafsson konnten wir den stärksten Spieler des Turniers aufbieten, der sich auch in seinem letzten Jugendjahr zur Teilnahme überreden ließ - und dafür auf eine Einladung nach Groningen verzichtete. Auch an Brett 2 waren wir mit Dirk Sebastian gegen jeden Gegner Favorit und auch Steve Berger am dritten Brett hielten wir für sehr durchsetzungsfähig - im Dezember konnte er zum zweiten Mal in Folge Klubmeister werden. Auch um unsere Youngsters an den Brettern vier bis sechs machten wir uns keine Sorgen: Hannes Langrock und Leonie Helm hätten sogar noch die DVM U16 spielen können - das U16-Team des Klubs wurde allerdings auch ohne sie Deutscher Meister (!) - und auch Malin Klawonn zeigt seit Jahren kontinuierlich gute Leistungen, zuletzt in der Damen-Bundesliga.

 

Somit fuhren wir also guter Dinge nach einer "haarigen" und sehr glücklichen Qualifikation in der Jugendbundesliga (ein Zeichen für die Stärke dieser nördlichsten Jugendliga, die es noch unverständlicher macht, dass nur ein Qualifikationsplatz für die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen zu Verfügung steht) nach Bonn.

 

Von der Landesjugendakademie in Bonn-Röttgen hatten wir in der Ausschreibung den Einruck eines eher gestrengen Hauses bekommen - dort angekommen waren wir positiv überrascht über den Komfort und die Möglichkeiten des Hauses. Der ausrichtende Verein Godesberger Schachklub hat mit diesem Haus einen wirklich idealen Partner für die Ausrichtung einer solchen Meisterschaft gefunden: Spieler und Betreuer waren in 2er Zimmern untergebracht, gespielt wurde in einem sehr geräumigen und lichtdurchfluteten Saal, für die sportliche Betätigung waren Tischtennisträume eingerichtet worden und ein gemütliches, mit Sitzecken ausgestattetes Foyer machte eine angenehme Abendgestaltung möglich: Für diejenigen Mannschaften, die sich des Abends aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr so intensiv auf die nächste Runde vorbereiteten, und auch wir Hamburger gehörten zumindest in der Mehrzahl dazu, avancierte das Foyer der Akademie zum Treff- und Spielort. Aber natürlich wurden die Schachbretter zur Seite geräumt und anderer Spiele ausprobiert!

 

Absoluter Renner war neben dem Klassiker Tabu das Zettelspiel, bei dem jeder Spieler von seinem Nachbarn einen Zettel auf die Stirn geklebt bekommt, den er mit dem Namen eines Prominenten oder ähnlichem beschrieben hat, von dem er meint, dass er zu der betreffenden Person passen würde. Dann müssen die Spieler durch Ja/Nein-Fragen herausfinden, wer sie denn nun sind. Dabei zeichneten sich vor allen Dingen unsere Freunde aus Rosenheim aus:

 

Jochen Maurer, Robert Bischof und Markus Meingast fielen besonders durch die eindeutige Richtung ihrer Fragen auf: So wollte Robert alias Sasha und später alias Roque Santa Cruz zuallererst immer wissen, ob er denn sexbesessen sei - und diese Feststellung wurde dann bei jeder neuen Runde wiederholt... Und auch Jochen Maurer als Dolly Buster, Jan Gustafsson als Peter Enders und Leonie Helm als Blümchen machten sich sehr gut!

 

Das Rahmenprogramm bot u.a. einen Stadtrundgang, zu dem der Ausrichter auf der Betreuersitzung kurzerhand zwei Spieler oder Betreuer pro Mannschaft verpflichtet hatte. Wie kamen die beiden gerne langschlafenden Hamburger Betreuerinnen dennoch um diese Pflichtveranstaltung herum!? Den Hauptstädtern sei’s gedankt: Die Berliner von Rotation nahmen mit vorbildlichen vier oder fünf Personen an der Führung teil - aus touristischer Neugier oder um ihren kleinen Vorgänger mal kennen zu lernen.

 

Außerdem bot der Ausrichter ein Blitzturnier an, das - leider im Gegensatz zur Meisterschaft - die Hamburger dominierten: Jan Gustafsson mit 9 aus 9 und Steve Berger mit 8 aus 9. Mehr ist dazu nicht zu sagen - wäre da nicht noch die Sache mit dem Buchpreis... Jan Gustafsson hatte sich eine Monographie über irgendeine abgefahrene Eröffnungsvariante gewählt und stellte später beim Blättern fest, dass das Spitzenbrett von Godesberg und Sohn des Ausrichters, Dennis Breder, darin sein Autogramm hinterlassen hat. Darauf war Gusti so stolz und Steve Berger so neidisch, dass sich Steve zu nächtlicher Stunde ebenfalls ein Autogramm in seinen gewonnenen Informator geben ließ und diese außerordentliche Szene konnte sogar festgehalten werden.

 

Doch nun zum Verlauf der Meisterschaft:

 

Schon bei der Eröffnungsrede äußerte der Vorsitzende des Godesberger Schachklubs seine Freude darüber, dass aufgrund der direkten Qualifikation seines Vereins der Ausrichterfreiplatz an eine weitere NRW-Mannschaft, Porz, vergeben werden konnte, und auch die Bochumer wieder dabei wären - dass diese dann auch,... aber das steht ja schon im Titel. Mit folgender Bemerkung über die großen Verdienste des Bochumer Betreuers sorgte er für eines der ersten Highlights der Meisterschaft: "...Es sind schon viele Jugendliche durch Ihre Hände gegangen..."

 

Die erste Runde brachte keine besonderen Überraschungen, aber schon in der zweiten Runde gelang es den Godesbergern, unseren Hoffnungen einen gehörigen Dämpfer zu versetzen: Nachdem Dennis Breder Gusti in der Eröffnung durch eine Neuerung überrascht hatte und schließlich in ein Dauerschach abwickelte, und es an den Brettern von Steve und Leonie schlecht aussah, setzten wir unsere Hoffnungen auf Hannes, Dirk und Malin. Hannes konnte auch sehr sehenswert gegen Elena Kouznetsova gewinnen, Leonie verlor aber und die Partien von Malin und Dirk gingen Unentschieden aus. Gedrückte Stimmung natürlich auf Hamburger Seite, große Freude bei den Bad Godesbergern - ein umkämpfter Wettkampf mit einem unglücklichen Ausgang für uns. Noch unglücklicher war allerdings unsere Niederlage in der vierten Runde gegen den ewigen Hauptgegner auf den DVM’s, Bochum (in der dritten Runde zitterten wir uns gegen Pang-Rosenheim zum Sieg). Der Wettkampfverlauf hätte klarer nicht sein können und die Hamburger Betreuer rechneten sich schon die Konstellationen für die fünfte Runde aus, als das unglaubliche passierte: An den Brettern 1 bis 3 hatte es Remisen gegeben - die Verantwortung wurde auf die letzten Bretter abgeschoben... Eigentlich auch nicht zu Unrecht: Hannes Langrock, der ein ausgezeichnetes Turnier spielte, gewann sehenswert. Leonie verlor zwar, aber Malin stand total auf Gewinn gegen den Jüngsten im Bochumer Team, Ilja Zaragatzki. In Zeitnot jedoch stellte sie Stellung und entscheidendes Material ein und verlor - ausgeträumt.

 

Parallel hatten sich im NRW-Spitzenduell Porz und Godesberg 3:3 getrennt, so dass in der letzten Runde das Finale zwischen Bochum und Bad Godesberg auf dem Spielplan stand. Dieses gewannen die Godesberger Dank Siege von Tommy Keller und Elena Kouznetsova und einer großen Zeitnotschlacht glücklich mit 4:2. Herzlichen Glückwunsch also nach Bad Godesberg, das sich als Underdog gegen die beiden großen, Bochum und HSK, durchsetzte und mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung zu überzeugen wusste.

 

Bei der Siegerehrung verzichtete Herr Dr. Braun auf seine Rede, damit Gusti sich im Namen der Teilnehmer bei Herrn (mit Millennium Sekt) und Frau Breder (mit Blumen) bedanken konnte und auch an dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an die Ausrichter, die ein schönes Turnier auf die Beine stellten und eine angenehme Atmosphäre schufen. Neben Gustis filmreifen Auftritt gab es ein weiteres Novum auf der Siegerehrung: Dennis Breder stimmte auf dem Klavier die Nationalhymne zum Ende der Siegerehrung - allerdings ohne uns, da wir unsere Bahn bekommen mussten. Trotzdem erhielten wir (dankenswerterweise) am Ausgang der DLA die Urkunden und die Brettpreise.

 

Eva Maria Zickelbein



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