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Reisebericht NDVM U16 und U14w in Berlin

Angestachelt von den Erfolgen der U12 und U14 Jungs in Magdeburg, wollten wir eine ähnlich erfolgreiche Fahrt nach Berlin unternehmen. Unsere Reise stand allerdings zunächst unter keinem guten Stern. Kurzfristig musste unser eigentlicher U16 Trainer krankheitsbedingt absagen. Einen Ersatz zu finden gestaltete sich alleine schon wegen der Zeitnot als schwierig. Glücklicherweise fand sich ganz spontan mit GM Petar Genov (der, wie er mir sagte, nicht mal Zeit hatte ein Schachbrett mitzunehmen) ein starker Ersatz. Petar kam dann allerdings erst nach der Abfahrtzeit des Zuges am Hauptbahnhof an, zum Glück war auf die Deutsche Bahn einmal mehr Verlass, da der ICE so viel Verspätung hatte, dass wir es dann doch alle entspannt an Bord schafften. Dass ich vorher eine gute halbe Stunde gefühlte 23 Bahnmitarbeiter kirre machen musste, um das auf den falschen Namen ausgestellte Ticket umzuschreiben, versteht sich da fast von selbst. Hilfsbereit waren übrigens alle, nur leider fühlte sich keiner zuständig und verwies immer auf einen anderen Kollegen - Wer Asterix kennt: Passierschein A38!

 

In Berlin erwartete uns wunderschönes Spätsommerwetter, was die Tage über sogar anhielt. Blauer Himmel, Sonnenschein und schön warm - da kann man sich wohl fühlen. Die riesige Jugendherberge war ebenfalls zum Wohlfühlen geeignet. Hochmoderne Zimmer mit sehr viel Platz, gutes Essen (2x täglich warm, Salatbuffet) und ein Kaffeevollautomat, da kann man sich nicht beklagen. Für Schachspieler nicht ganz optimal war, dass es in den Zimmern keine beweglichen Tische gibt, so dass man ein Schachbrett nicht wirklich aufbauen konnte. Aber das war nur ein kleines Problem, ansonsten passte alles.

 

Die Ausrichtung des Turniers hatte Olaf Sill übernommen, der gemeinsam mit seinem sehr freundlichen und engagierten Team eine hervorragenden Job gemacht hat. Die typische lockere Berliner Mentalität "passt scho (irgendwie)" sorgte für eine allzeit entspannte Atmosphäre vor Ort.

Vielen Dank dafür!

Ein kleiner Wermutstropfen war für mich, dass es keine Liveübertragung der Spitzenbretter gab. Die Begründung, dass Berlin zu arm für Livebretter sei, überzeugt mich nicht restlos. Da Berlin in zwei Jahren wieder als Ausrichter fungieren möchte (was mich freuen würde), weise ich jetzt schon darauf hin, nicht dass es hinterher heißt: es hat sich ja keiner drüber beschwert. ;-)

 

Unsere Mannschaften konnten unterschiedlicher nicht sein. Die U16 der Jungs ist ein eingespieltes Team, das in dieser Konstellation schon oft zusammengespielt hat und auch schon den einen oder anderen Titel gewonnen hat. Unser Spitzenspieler in der U16, Luis Engel, verzichtete auf die NDVM, weil er die zeitgleich stattfindende Deutsche Schnellschachmeisterschaft spielen wollte (wo er einen sensationellen 2. Platz holte!), aber auch ohne Luis waren wir die Favoriten auf den Turniersieg.

Unser zweites Team war die U14w, hier sagt schon das Alter der Spielerinnen aus, was das größte Problem des Teams ist: 14, 11, 10, 9 und 7 bedeutet natürlich, dass hier die Erfahrung fehlt. Da es aktuell nur zwei Altersklassen bei den Mädchen gibt (U14w und U20w), müssen alle jüngeren Kinder in der U14w spielen, allerdings haben wir auch einfach keine älteren Mädchen, die stark genug wären, als dass wir sie hätten mitnehmen können. An diesem Punkt arbeiten wir natürlich im Verein und da ich auch als Mädchentrainer aktiv bin, kann ich sagen, dass einige junge Talente in den Startlöchern stehen und sich das Nachwuchsproblem in den nächsten Jahren daher hoffentlich verbessern werden wird.

 

Die Ziele waren klar abgesteckt: Die U16 der Jungs hatte das Minimalziel, sich für die Deutsche Meisterschaft zu qualifizieren, aber die Titelverteidigung war klar angepeilt. Bei der U14w hingegen war vor allem Erfahrung sammeln angesagt. Die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft war zwar denkbar und es wurde auch schon mit einem Auge darauf geschielt, aber realistisch gesehen war dieses Ziel als eher unwahrscheinlich eingestuft - es sollten Erfahrungen gesammelt werden, damit man in einigen Jahren um den Titel mitspielen kann.

 

Turnierverlauf U16:

Nach einem lockeren 4:0 Auftaktsieg kassierten wir in der zweiten Runde eine bittere, aber verdiente 1:3 Pleite gegen den SK Lehrte. Dies schreckte alle ziemlich auf und in der Folge wurde die Zusammenarbeit mit den Trainern, insbesondere mit GM Genov, nach vorsichtigem Beginn immer intensiver und besser und die Qualität des Schachs, das wir aufs Brett brachten, nahm insgesamt deutlich zu. Entscheidend war dann der Wettkampf in der 5. Runde gegen die bis dahin verlustpunktfreien Jungs aus Harksheide. Der Kampf war ein absoluter Krimi, in dem es hin und her ging, alles möglich war, aber am Ende gewannen wir 2,5:1,5 und setzten uns, dank der klar besten Zweitwertung, an die Spitze. Von da an gab es kein Halten mehr und die letzten beiden Runden wurden überlegen mit je 4:0 gewonnen (darunter das 4:0 in Runde 6 gegen Uelzen, immerhin die 2 der Setzliste!) und die am Ende sogar souveräne Titelverteidigung war damit perfekt!

Wer gewinnt hat gut lachen! - vlnr: Robert, Johnson, Ilja, Lennart und Henning bei der Siegerehrung

Henning Holinka spielte am Spitzenbrett und holte bärenstarke 6/7 gegen gute Gegner, seine Performance von 2354 DWZ Punkten spricht für sich. Dass er damit die Goldmedaille für Brett 1 holte, versteht sich von selbst. Beeindruckt hat mich bei Henning vor allem, dass er sein geliebtes Modern sehr objektiv einschätzt und sich völlig bewusst ist, dass er oft in sehr brenzlige und objektiv kritische Stellungen damit kommt, aber sich zutraut diese besser als seine Gegner zu spielen - und genauso liefen eigentlich auch alle seine Schwarzpartien ab. Nervenstärke bewies er ebenfalls, als er ein sehr kompliziertes und enorm wichtiges Endspiel (mit 3 Bauern für einen Läufer) gegen Daniel Kopylov gewann und uns damit den entscheidenden Punkt brachte.

Schach ist schwer! Das entscheidende Endspiel gegen Daniel Kopylov nach dem einzigen Zug Kd3!

Robert Engel an Brett 2 holte ebenfalls ganz starke 6/7, gewann ebenfalls ordentlich DWZ dazu und holte selbstverständlich mit der Leistung auch die Goldmedaille für Brett 2. In praktisch allen seinen Gewinnpartien hat er seine Gegner überspielt und seine Siege waren oft früh absehbar und er ließ dann nie wieder echte Zweifel am Ergebnis aufkommen. Das freut den Trainer natürlich. Zwei seiner Partien hätten durchaus sogar einen Schönheitspreis verdient gehabt. Einfach nur Klasse!

 

Lennart Meyling hat ebenfalls sehr starke 5/6 geholt. Das reichte jedoch leider nur für die Silbermedaille an Brett 3, weil es hier nach absolut erzielten Punkten und nicht auch nach Prozentpunkten ging. Verantwortlich dafür bin ich, weil ich ihm nach der dritten Runde, in der er eine enorm komplizierte und sehr lange Partie gespielt hatte und erschöpft wirkte, eine Pause verordnet habe, auch um die Gelegenheit zu nutzen, die beiden anderen gleichzeitig einzusetzen. Sorry Lennart, aber ich würde es wieder tun!

Bei Lennart hat mich vor allem gefreut, dass er sich, was die Eröffnungen angeht, von allzu kreativen Ideen (die nicht nur unorthodox, sondern schlicht schlecht sind) abbringen ließ und dann immer noch kreatives, aber eben auch solides Schach zeigte.

 

Da wir mit 5 Spielern angereist waren und Brett 4 und 5 ungefähr auf einem Level liegen, habe ich versucht beide Spieler gleich einzusetzen.

 

Johnson Foo war an 4 gesetzt und holte hier gute 3/4. Seine größte Schwäche ist das Zeitmanagement. In seiner Verlustpartie hat er auf Zeit verloren und in der ersten Runde hat er in völliger Gewinnstellung 2x mit 1 Sekunde Rest die Uhr gedrückt, was mir ein paar neue graue Haare beschert hat (und Ilja einen Einsatz in Runde 2). Schachlich war das sehr solide bzw. stark, aber die Uhr muss auch beherrscht werden Johnson!

 

Ilja Golser kam auf ebenfalls 4 Einsätze und holte hier 2,5 Punkte. Die beiden Siege waren sehr stark und souverän raus gespielt. Die Verlustpartie völlig unnötig und ärgerlich (er hat sich selbst am meisten darüber geärgert). Aber das Remis war im Nachhinein enorm wichtig, um nicht zu sagen Gold wert, da er in der Eröffnung gegen Harksheide gepatzt hatte, dann aber Zähigkeit bewies und eine schlechte Stellung souverän ins Remis führte. Dass es trotz nur 4 Einsätzen zur Bronzemedaille an Brett 5 reichte, soll hier nicht unerwähnt bleiben und sorgte mannschaftsintern für so einige Frotzeleien. ;-)

vlnr: Johnson, Lennart, Robert und Henning - ob sie da schon das 4:0 gegen Uelzen erahnt haben?

Die Mannschaft hat immer fest zusammengehalten. Kleinere Unstimmigkeiten gab es, wenn überhaupt, dann nur bei Fragen der Aufstellung, weil eigentlich immer alle fünf spielen wollten, aber das habe ich dann geregelt. Ansonsten waren immer alle gut drauf und haben beim jeweils anderen mitgefiebert. Oft auch waren die Jungs bei den Mädchen am Kiebitzen, das ist nicht selbstverständlich und zeigt den guten Charakter der Jungs. Bezeichnend ist auch, dass wir in der letzten Runde, nachdem das 3:0 für uns gefallen war und damit der Titel auch mathematisch feststand, alle ganz ruhig blieben und noch eine ganze Stunde kiebitzend im Turniersaal ausharrten, bis auch Henning seine Partie gewonnen hatte. Wahnsinns Einstellung! Ein ganz tolle Teamleistung, der ich nur großen Respekt zollen kann!

 

Nicht unerwähnt bleiben soll hier, dass Petar Genov, der übrigens nur Englisch spricht, so produktiv und intensiv mit den Jungs zusammengearbeitet hat, dass aus der Einstellung vom Anfang: "eigentlich brauchen wir keine Hilfe bei der Vorbereitung, wir haben unsere Files und müssen nur die Varianten mit der Engine checken" - ein "kann Petar auch bei der Deutschen mit dabei sein oder uns ein Trainingslager geben?" wurde. Wie er das gemacht hat? Er hat mit den Jungs über Schach im Allgemeinen gesprochen und über Ideen und Pläne in den einzelnen Eröffnungen, also all das was die Engine nicht kann - und siehe da: es macht Spaß und hilft auch in Sachen Spielstärke... ;-)

vorne die Mädchen, im Hintergrund im blauen Shirt GM Petar Genov

 

Turnierverlauf U14w:

Das Turnier der Mädchen hat im Grunde den erwarteten Verlauf genommen. Wir haben gegen die Teams, die deutlich vor uns sind, verloren und gegen die schwächeren gewonnen, bei Wettkämpfen auf Augenhöhe war es im Grunde immer ein Münzwurf und beide gingen dann auch 2:2 aus.

vlnr: Nikki, Alissa, Charlotte und Maggy

Am ersten Brett hat mit Magdalina Genova die Tochter von Petar gespielt. Sie ist auch die einzige echte U14 Spielerin was das Alter angeht. Maggy, wie sie nur genannt wird, hat richtig gutes Schach gespielt und war ein würdiges Spitzenbrett. 5/7 und 30 DWZ Punkte gewonnen ist ein sehr starkes Ergebnis. Der Zeitverbrauch war in jeder Partie sehr hoch. Für meinen Geschmack oft zu hoch, aber wie sie mir erklärt hat, lag das oft daran, dass sie in den entsprechenden Stellungen keinen Plan kannte oder sah und sich diesen erst mühsam erarbeiten musste. Mit mehr Erfahrung wird sich das verbessern. Dann steigt auch das Selbstvertrauen und die Ergebnisse werden noch besser! Maggy hat auch die Bronzemedaille am Spitzenbrett geholt, was bei der extrem starken Konkurrenz am ersten Brett wirklich bemerkenswert ist.

 

Charlotte Hubert war als Gastspielerin an Brett 2 gesetzt. Wobei Charlotte so oft für uns spielt, dass sie eigentlich schon zur Familie gehört. Charlotte hatte ein wirklich unglückliches Turnier. Denn sie hat in allen 7 Partien solides und gutes Schach gezeigt, gerade für ihr Alter sogar sehr reifes Schach. Aber ihre Gegnerinnen waren entweder auch stark und hatten das nötige Quäntchen Glück mehr oder aber haben in eben der Partie gegen Charlotte ihre beste Turnierpartie gespielt. Dass natürlich dann auch die wenigen groben Fehler von Charlotte jedes Mal eiskalt bestraft wurden, versteht sich da von selbst. Erst kein Glück und dann kommt noch das Pech dazu! So liest sich das Ergebnis von 3/7 eher bescheiden, aber wie gesagt: schachlich bin ich zufrieden. Mit nur etwas mehr Glück wären auch 5/7 drin gewesen, und dann sähe das alles viel positiver aus.

 

Alissa Wartenberg

Für Alissa war dies das erste große Turnier. So war auch ein Teil des Lernprozesses mit anderen Mädchen und nicht mehr nur mit der Familie zusammen zu sein und auch zu übernachten. Das hat seine Zeit gebraucht, aber alles in allem hat der Integrationsprozess sehr gut geklappt. Alissa hatte, wie viele andere Mädchen in dem Turnier auch, zunächst große Schwierigkeiten vom Blitzschachmodus auf echtes Turnierschach umzustellen. Allerdings wurde auch dies im Turnierverlauf immer besser. Und in den letzten Runden hat sie deutlich mehr Zeit verbraucht als ihre Gegnerinnen, was mich sehr freut. Schachlich war es ein Auf und Ab. 2,5/7 stehen am Ende zu Buche. Sehr gute Partien wechselten sich mit weniger guten ab, wobei auch dies für mich vor allem der mangelnden Erfahrung anzulasten ist. Aber wie gesagt: all das ist normal. Alissa ist erst 9 und da sollten die Maßstäbe auch entsprechend gewählt werden. Dass sie sich über ihre verlorenen Partien extrem geärgert hat, kann auch eine Motivation sein es beim nächsten Mal besser zu machen. Wir arbeiten jedenfalls dran!

 

Nikki Modali war unser viertes Brett, konnte aber aus schulischen Gründen leider nur die ersten 4 Runden mitspielen, was insbesondere ihre Zimmernachbarinnen sehr betrübt hat, da Nikki immer gute Laune verbreitet hat. Nikki hat noch kein besonders hohes Selbstbewusstsein im Schach. Sie hat dennoch respektable 1,5/4 geholt, wobei die Partien ähnlich wie bei Alissa auch Achterbahnfahrten waren, aber auch hier gilt: Erfahrungen sammeln war das Wichtigste, an den schachlichen Grundlagen arbeiten wir gemeinsam und dann wird auch das Selbstbewusstsein wieder steigen und die Ergebnisse werden automatisch besser.

 

Kristina Abram war mit 7 Jahren (fast 8 wie sie immer betonte) die jüngste Teilnehmerin des Turniers und als Ersatz für Nikki ab Montag fest eingeplant. Sie hat die ersten 4 Runden bei einem Team ausgeholfen, das nur mit 3 Spielerinnen angereist war, und hat dort viel zu schnell gespielt. Sie war auch oft mit als Erste fertig und hat den Tag dann weitgehend auf dem Spielplatz verbracht, wo sie dann gemeinsam mit Alissa die Schaukel gegen alle anderen erfolgreich verteidigt hat. Als sie dann aber am Montag in HSK Diensten am Brett saß, war sie wie ausgewechselt. Es wurde ernsthaft nachgedacht und die Qualität des Spiels stieg um viele hundert DWZ Punkte. Ich konnte das kaum glauben, aber sie hat da wirklich den Schalter umgelegt. 3/3 ist die konsequente Folge, die Siege waren nicht einmal glücklich, sondern herausgespielt. Ich bin immer noch baff - ganz stark junge Dame! Die verdiente Brettpreismedaille für Brett 5 war da natürlich die logische Folge.

vlnr: Maggy, Charlotte (im DEM Shirt!), Alissa und Kristina

Auch das Mädchenteam hat einen guten Teamgeist bewiesen, trotz des enormen Altersunterschieds innerhalb der Mannschaft. Überhaupt war die Reise insgesamt sehr harmonisch und verlief, abseits der Bretter, mit wenigen Ausnahmen so, wie man es sich wünscht, wenn man stressfreie Tage verbringen will.

Auch die großen Jungs haben sich sehr gut mit den Mädchen verstanden und wurden sie von denen dann doch geärgert, haben sie das mit einem Lächeln über sich ergehen lassen.

 

Ein Dank auch an dieser Stelle an GM Petar Genov, der was die schachliche Arbeit angeht, Großes geleistet hat, und ebenfalls an Bessie Abram, die vor Ort einiges bewegt und angestoßen und vor allem bei den Mädchen auch als Betreuerin viel Gutes bewirkt hat.

 

Ole Poeck

 

P.S.: Was macht eigentlich das Siegerteam auf der Rückfahrt im ICE? Richtig, Taktikaufgaben und gegeneinander Blitzschach spielen! Von nichts kommt nichts! ;-)



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