25.04.2024. Auch St. Pauli hat am Millerntor eine feine Spielstätte. Zumindest kann in der gleich neben dem Spielraum liegenden Vereins-Bar sehr gut verweilt werden. Am heutigen Abend findet der Mannschaftskampf aber bei uns in der glorreichen Schellingstraße statt. Die Ruhe der ersten Runden ist allerdings vorbei. Gab es an unseren bisherigen Heimspiel-Tagen nur ein oder maximal zwei zeitgleiche Mannschaftskämpfe, stehen heute zeitgleich drei Mannschaftskämpfe an. Dennoch herrscht wieder gute Atmosphäre in unserem Klubhaus.
Ich (Jörg Spreu) spiele mit Weiß gegen den gegnerischen Mannschaftsführer Markus Willnauer. Die Partie beginnt verhalten. Zwei Leichtfiguren-Paare tauschen sich ab. Mein Gegner könnte eine der geschlagenen Figuren mit seinem Läufer wiederschlagen, und die Stellung weiter ausgeglichen halten. Statt dessen schlägt er mit einem seiner Bauern wieder und bringt Unruhe aufs Brett. Seine Stellung gerät bald darauf in eine schiefe Lage. Seine Bauern-Struktur am Damenflügel wird zerschrottet, und im 15. Zug kann ich einen schwarzen Zentrums-Bauer erobern. Die letzten Leichtfiguren tauschen sich ab. Aufgrund des Mehr-Bauers und der besseren Struktur habe ich sichtbaren Vorteil. Problematisch ist aber mein relativ luftig stehender König. Die diesbezüglich bedrohlich wirkenden schwarzen Schwerfiguren suchen nach offenen Linien und trachten grimmig nach meinem König. Ich schaffe es dann aber, den Damentausch zu erzwingen, und stehe mit zwei verbundenen Freibauern (bei 5 zu 4 Bauern-Mehrheit insgesamt) im Doppel-Turmendspiel. Meine beiden Türme besetzen die siebte Reihe. Schwarz ignoriert eine dreizügige Mattdrohung und im 33. Zug wird dem gegnerischen König der Trauermantel umgehangen. Mit meinem Sieg bringe ich die Mannschaft 1:0 in Führung.
Horst Feis hat im fünften Liga-Spiel das fünfte Mal Schwarz. Nicht ideal, und ich wollte im Vorfeld die Aufstellung so zusammenbasteln, dass Feis endlich mal mit Anzugsvorteil spielt. Andere Kriterien waren aber gewichtiger, und so sitzt Feis wieder vor den dunklen Steinen. Feis kommt aber ganz gut aus der Eröffnung. Im 13. Zug kann sein Gegner Norbert Mohr dann aber eine Taktik (drohende Bauerngabel) anbringen, und Feis muss einen Läufer unfreiwillig zum Opfer-Altar bringen. Als Kompensation gibt es nur einen lausigen Bauern. Gewinnstellung für Weiß. Und Weiß verwertet am Ende dann auch zum Sieg. Quod erat demonstrandum. St. Pauli gleicht damit zum 1:1 aus.
Rolf Lohkamp spielt mit Weiß und der Englischen Eröffnung gegen Bernd Wegner. Die Bauern sind ineinander verkeilt. Bis zum 19. Zug steht Lohkamp solide bis gut. Aber ihm gehen die Ideen aus. Sein Remis-Angebot wird abgelehnt. Lohkamp spielt in der Folge wohl ein paar Ungenauigkeiten oder kleinere Fehler, die sich summieren und die Schwarz zwei Mehrbauern und die bessere Stellung schenken. Jeweils Dame, Turm, Läufer und sieben fremde bzw. fünf eigene Bauern sind noch auf dem Brett. Lohkamps Stellung sieht wackelig aus, und der bösen Vor-Ahnung eilt schon bald die unglückselige Erfüllung nach. Der Gegner hat einen gedeckten Freibauern auf b4. Unterstützt durch Dame und Turm. Der schwarze Läufer steht ebenfalls gut. Der schwarze Bauer prescht nach …b3 vor. Lohkamp kann weder den Bauern effektiv stoppen, noch vernünftiges Gegenspiel generieren. Im 42. Zug erfolgt Lohkamps Aufgabe. Mannschaftlich liegen wir somit 1:2 zurück.
Omar El Khyari spielt mit Weiß und bekommt einen Nimzo-Inder aufs Brett. Die Partie-Stellung ist ihm bekannt und seine Vorbereitung gut. Die ersten Züge kann er recht zügig runterspielen. El Khyari hat ein starkes Bauern-Zentrum sowie die halb-offene f-Linie. Im 16. Zug spielt El Khyari mit Txf6 ein starkes Qualiätsopfer, und öffnet damit die gegnerische Königsstellung. Die weiße Dame und ein Läufer schalten sich in den Angriff auf die schwarze Königsstellung ein. Bei geöffneter g-Linie und angriffslustigen weißen Figuren bekommt der gegnerische König Probleme. Im 19. Zug kann El Khyari die Qualität zurückgewinnen und dabei auch noch einen Bauern abgreifen. Die Damen sowie weiteres Material tauscht sich ab, und vom taktischen Mittelspiel geht es ins Springer-Endspiel. El Khyari dabei mit Mehr- und Freibauern auf d5. Schwarz mit schwieriger Position. El Khyari aktiviert den König. Die schwarze Lage ist schon seit Längerem ungemütlich. Aufgrund des anhaltenden Drucks greift Schwarz fehl und aus der schwierigen Lage wird eine aussichtslose. Dunkler kann die Nacht nicht werden und El Khyaris Gegner Robert Kocher bleibt nur die Aufgabe. Mit diesem Sieg gleichen wir zum 2:2 aus.
Dieter Wichmann spielt mit Schwarz gegen Dieter Büscher. Es kommen slawische Strukturen aufs Brett. Wichmann gewinnt Raum am Damenflügel. Seine Bauern auf a4, b5 und ein rückständiger auf c6. Recht früh tauscht sich dann das ein oder andere ab, sodass im 23. Zug beide Seiten noch zwei Türme, eine Leichtfigur und jeweils sieben Bauern haben. Die für Schwarz halboffene h-Linie und die für Weiß halboffene c-Linie bleiben ohne Konsequenzen. Die Kontrahenten bleiben recht friedfertig, verzichten auf brachiale Gewinnversuche und vereinbaren im 30. Zug Remis. Mannschaftlicher Zwischenstand 2,5 : 2,5.
Jonny Skibb spielt mit Schwarz und bringt gegen seinen Gegner Darius Toman wieder mal die Französin aufs Brett. Weißes e5 leitet die Vorstoß-Variante ein. Im 6. Zug mit …Dxb3 dann der frühe Damentausch. Und es folgen weitere Abtausche. Recht schnell lichtet sich das Brett. Am Ende verbleiben auf beiden Seiten ein Turm, zwei Leichtfiguren und je zwei Bauern am Königsflügel. Weiß versucht noch mit seinen Figuren in Skibbs Stellung zu wüten. Aber die Stellung hält und auch Skibb hat immer mögliches Gegenspiel. In ausgeglichener und vermutlich ausgetrockneter Stellung fliegen im 32. Zug die Tauben ein. Remis und mannschaftlicher Zwischenstand 3:3.
Linus Advani spielt mit Weiß gegen Florian Jeschke. Als ich bei Advani aufs Brett gucke, sieht es nicht gut aus. Vor Kurzem half Advani als Ersatzspieler bei einer anderer HSK-Mannschaft aus. In jener Partie stand er in einem verlorenen Endspiel. Damals zog er sich durch eine geschickte Patt-Verteidigung aus dem Sumpf und erreichte noch ein Remis. Auch diesmal braut Advani wieder was in der Hexenküche zusammen und findet doch noch einen Weg aus dem düsteren Wald. Seine schwierige Stellung hat er langsam in ein Endspiel mit Mehrfigur gedreht. Der Zauberlehrling. Ich unterhalte mich derweil unten mit ein paar freundlichen St. Paulianern. 3:3 steht es derzeit noch im Mannschaftskampf. Ich rechne damit, dass unser Advani gewinnt, und dass unser ebenfalls noch spielende Harald Meyer wohl verliert. Ich prognostiziere also ein mannschaftlichen 4:4 Unentschieden. Kurz später verwertet Advani dann auch seine Gewinnstellung und bringt uns 4:3 in Führung.
Harald Meyers Partie ist also die letzte noch laufende. Und es sieht nicht gut bei ihm aus. Sein Gegner Frank Pätsch wählte mit Weiß die eher seltener anzutreffende Bird-Eröffnung (1. f4). Die Stellung blieb lange geschlossen, und die Springer suchten in der verwinkelten Bauernstruktur gute Felder. Beide Könige rochierten kurz. Dann bekam Weiß Angriff auf der mittlerweile halboffenen g-linie. Weiße Dame, Turm und Springer nutzten die g- und h-Linie zum Angriff. Die angreifende Dame und ein Turmpaar tauschten sich dann zwar ab, aber das Spektakel kostete Meyer die Qualität und einen Bauern. Mit diesen schwierigen Material-Verhältnissen ging es für Meyer ins Endspiel.
Mehrere Zuschauer gucken sich diese letzte laufende Partie an. Ich selbst rechne mit einem noch langen Geschiebe und am Ende Meyers Niederlage. Mal gucke ich aufs Brett, mal räume ich schon Uhren anderer, nicht mehr benötigter Bretter weg. Als ich mal wieder flüchtig auf Meyers Brett gucke, macht Meyers Gegner einen fatalen Fehler. Meyer gewinnt einzügig entscheidendes Material und steht plötzlich mit Mehrfigur da. Sein Gegner gibt sofort auf. Mit seinem individuellen Sieg sichert Meyer den mannschaftlichen Gesamtsieg. Endergebnis 5:3 für uns.
Die Hälfte der Mannschaft ist nach dem Mannschaftskampf noch in nahegelegenem Restaurant und hat den Abend ausklingen lassen. Wieder ist es Rolf Lohkamp, der den Startschuss zur ersten Runde gibt. Mit Wasser, Baileys, Bier und Pfefferminztee sind die Gläser abwechslungsreich gefüllt.
Eine Runde ist in der Saison noch zu spielen. Aber nach diesem Sieg ist uns der zweite Tabellenplatz nicht mehr zu nehmen. Der Aufstieg ist somit sicher. Nächste Saison spielen wir also wieder in der Kreisliga. In der Kreisliga erwartet uns dann aber wohl eine etwas stürmischere See. Um in der höheren Liga bestehen zu können, suchen wir noch einen Spieler oder eine Spielerin. Sollte noch jemand auf der Suche nach einer Mannschaft sein, und sich einen Einsatz am ersten Brett bei uns vorstellen können, kontaktiert mich gern per Mail: stu234967@mail.uni-kiel.de