Hamburger Schachklub von 1830 e.V.

Königlich in Fantasie und Logik

Offener Spielbetrieb, auch für Gäste: Jeweils Dienstag & Freitag von 18:30 – 22:00 Uhr bieten wir einen offenen Spielabend an! Wir freuen uns über alle Interessierten, die uns kennenlernen möchten. Wir bitten um Anmeldung über schachklub@hsk1830.de.

2. FBL West, 3. und 4. Runde: Mission Impossible Mülheim

Zu Beginn muss ich leider alle Kinofans gleich enttäuschen: Nein Tom Cruise hat sich nicht dazu entschieden seinen insgesamt 9. (ja, ich war auch überrascht wie viele es doch geworden sind) Film seiner Erfolgsreihe nach Deutschland zu verlegen. Aber wer ein Fan von Spannung, überraschenden Wendungen und einer guten alten Außenseitergeschichte ist, der sollte trotzdem auf seine Kosten kommen, denn vergangenes Wochenende standen die nächsten beiden Runden der 2. Frauenbundesliga auf dem Programm und diese sollten eben diese Elemente enthalten.

Zunächst einmal zur Ausgangslage: im Unterschied zu der Herren 2. Bundesliga und Oberliga gibt es bei den Frauen leider keine Nord Staffel und so muss der HSK in der 2. Frauenbundesliga West antreten, was zu einigen weiten Auswärtsfahrten führt. Genauso eine stand auf dem Plan, da die 3. und 4. Runde vom SV Mülheim-Nord in NRW ausgerichtet wurde. Für eine reine Amateurmannschaft, welche einzig vom Spaß am Schach, dem tollen Teamgeist innerhalb der Mannschaft und dem Willen den HSK als guten Standort für Frauenschach zu repräsentieren angetrieben wird, ein enormer Zeitaufwand. Nichtsdestotrotz hatten sich kurz vor Beginn noch 6 Spielerinnen gefunden, welche die Reise auf sich nehmen wollten. Doch dann machte eine unerwartete Krankheitswelle dem ein Strich durch die Rechnung. Zwei Spielerinnen mussten kurzfristig absagen und damit noch nicht genug, wurde doch auch die erste Mannschaft ebenfalls heimgesucht und so wurde das eigentliche Spitzenbrett Stefanie Scognamiglio kurzfristig in die Frauenbundesliga beordert. An der Stelle sei erwähnt, dass sie mit 2 aus 2 einen entscheidenden Beitrag zu den zwei Siegen der „Großen“ beitrug und ihre Beförderung mehr als rechtfertigte. Das macht ihre Teamkolleginnen natürlich zum einen sehr stolz, zum anderen ist es natürlich umso tragischer so eine starke Spielerin zu verlieren, welche sich in so überragender Form befindet. Dadurch wurde die Mannschaft drastisch ausgedünnt und es waren nur noch drei Spielerinnen übrig. Die Mission der drei, sollten sie sie annehmen, lautete denn so: „nach Mühlheim fahren und irgendwie versuchen mit etwas Zählbarem auf dem Punktekonto nach Hamburg zurückzukehren“. Genau wie Tom Cruise es in seinen acht Filmen vorher getan hat, zögerten unsere drei Protagonistinnen keine Sekunde, sich der Herausforderung zu stellen. Und so machten sich am frühen Samstagmorgen Alissa Wartenberg, Nina Stappenbeck und Kristina Reich ins ca. vier Zugstunden entfernte Mülheim auf, um ihren nahezu unmöglichen Auftrag zu erfüllen.

Das Abteil hätte eigentlich komplett besetzt sein sollen, hier aber nur Nina Stappenbeck und Alissa Wartenberg, Kristina Reich hinter der Linse!

Nach einer erstaunlich flüssigen und reibungslosen Anreise, ohne die bahnüblichen Besichtigungsstopps in den weniger bekannten Orten Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens, fanden sich alle Teams im Schachzentrum Mülheim-Nord ein. Der Gegner in der 3. Runde waren die Spielerinnen des Delmenhorster SK. Die Ausgangssituation war klar, für den angestrebten Mannschaftspunkt wäre der perfekte Score von 3 aus 3 von Nöten, um die drei kampflosen Bretter auszugleichen, Raum für Fehler also absolute Fehlanzeige. Die Stimmung wandelte sich, nachdem die Aufstellung von Delmenhorst bekannt gegeben wurde, von freudiger Erwartung zu extremer Entschlossenheit. Wie sich herausstellte hatten auch die Gegnerinnen mit großen Personalproblemen zu kämpfen und mussten auf zahlreiche bewährte Stammkräfte verzichten und sogar das letzte Brett komplett freilassen. Dadurch entstand die kuriose Situation, dass der gesamte Kampf nur an 2 Brettern entschieden werden sollte, 2 Bretter und 2 gute Partien um den Rückstand von 3:1 auszugleichen und den ersehnten Mannschaftspunkt zu holen, das musste doch möglich sein! Es war klar, dass dies die beste Chance war, etwas Zählbares aus dem Wochenende mitzunehmen und so gingen Nina und Alissa mit höchstem Fokus in ihre Partien.

Nina Stappenbeck mit ihrer geliebten Wiener Partie, einst am Gymnasium Bornbrook gelernt und immer noch für einen Punkt in der 2. FBL gut! Foto: Kristina Reich

Am fünften Brett setzte Nina ihre junge Gegnerin von Beginn an mit dem scharfen und trickreichen Wiener Gambit unter Druck. Die riskante Eröffnungswahl sollte sich auch auszahlen, da Schwarz nicht selbstbewusst genug war, das Gambit auch anzunehmen und erlaubte Weiß so, sich bequem zu entwickeln. Schwarz wählte einen sehr ruhigen Ansatz und es war klar, dass der Fokus eindeutig darauf lag, die Eröffnung einfach nur unbeschadet zu überstehen. Ein Ansatz, der sich als zu passiv herausstellen sollte. Nina übernahm schnell mit aktiven Figurenspiel die Kontrolle über die Partie und als Schwarz wertvolle Zeit auf ein Springermanöver am Damenflügel verschwendete, nutzte sie die Abwesenheit schwarzer Verteidigungsfiguren um den König, um mit einem verheerenden Figurenopfer die Partie zu entscheiden. Nur noch 3:2 jetzt war es schon nur noch ein Punkt….

Nach Sd7 Sg5 f6 Lh7+ gab Schwarz auf. Nach gxh6 Dxh6 ist es Matt in vier Zügen und ein Klassiker als Motiv, dem die Stufenmethode ein eigenes Kapitel widmet. Findest du es auch?
Alissa Wartenberg in Mülheim. Foto: Kristina Reich

Die alles entscheidende Partie ereignete sich am vierten Brett von Alissa. Ihr gelang, es aus der Eröffnung raus mit einem Nimzo-Inder schnell auszugleichen und sämtliches weißes Spiel zu negieren. Die erste schwere Fehleinschätzung der Partie leistete sich ihre Gegnerin, als sie es erlaubte, dass der Damenflügel komplett verschlossen wurde und Alissa so langfristigen positionellen Vorteil erlangen konnte aufgrund ihres Raumvorteils und deutlich aktiverer Figuren. Diesen Vorteil begann Alissa nun langsam, aber sicher zu festigen und weiter auszubauen. Anschließend begann sie ihr Augenmerk zunehmend auf den weißen König zu richten und ihre Figuren für einen potenziellen Angriff zu arrangieren. Dabei profitierte sie davon, dass Weiß kaum gefährliches, aktives Gegenspiel entwickeln und sich nur passiv verteidigen konnte. Nach einiger Vorbereitung konnte sie schließlich ihren Angriff starten und Weiß hatte kaum eine Möglichkeit ihn wirksam zu parieren. Für den finalen Schlag hatte sich Alissa etwas Inspiration vom Nebenbrett abgeholt und auch hier war eine geopferte Leichtfigur schließlich der Untergang der gegnerischen Königsstellung. Damit glich Alissa erfolgreich auf 3:3 aus. Mission Completed!!!

Quelle: Schachbund

Dieser Erfolg sorgte natürlich für eine überaus freudige und ausgelassene Stimmung beim abschließenden Mannschaftsessen. Damit war das Ziel für das Wochenende schon mal geschafft und alle Erwartungen, wenn man nur zu dritt ins Wochenende geht, bereits übertroffen. Der Abend wurde mit einem gemeinsamen Public Viewing abgeschlossen. Der Erfolg der Hamburger Teams riss an dem Tag nicht ab und auch der Hamburger SV konnte, unter den Augen des müden, aber glücklichen Teams, sein Spiel nach einigen Drama mit 2:3 im Berliner Olympiastadion gewinnen!

Am Morgen des nächsten Tages wartete jedoch bereits die nächste Aufgabe. Der Gegner in der 4. Runde waren die Gastgeberinnen aus Mülheim. Als Heimteam konnten sie natürlich aus einem deutlich größeren Personalreservoir schöpfen als Delmenhorst oder wir das an diesem Wochenende konnten. Daher war klar, dass diese Aufgabe nochmal um einiges härter als die am Vortag werden würde.

Diese drei Spielerinnen traten auch am Sonntag gegen Mülheim an: Kristina Reich, Nina Stappenbeck und Alissa Wartenberg. Foto: HSK-Archiv

Die erste Entscheidung fiel am fünften Brett von Nina. Dort war sie gegen den Anti-Sizilianer mit 2.b3 ihrer Gegnerin zunehmend unter Druck geraten. Beim Stand von 3-0 entschied sich Weiß jedoch, nicht weiter auf Gewinn zu spielen und lieber auf den sicheren halben Punkt zu gehen und tauschte die Damen. In einem materiell ausgeglichenen Endspiel mit schlechterer Bauernstruktur und nur geringen Gewinnchancen akzeptierte Nina schließlich nach langem Ringen das Remisgebot ihrer Gegnerin und so war der Kampf bereits entschieden.

Am sechsten Brett konnte Kristina mit ihrem Katalanen schnell die Initiative an sich reißen und hatte stets einen leichten Vorteil aus der Eröffnung. Diesen konnte sie durch eine höhere Figurenaktivität zunächst noch weiter ausbauen. Mit der besiegelten Niederlage und dem noch ausstehenden langen Rückweg im Hinterkopf konnte sie jedoch nicht den nötigen absoluten Siegeswillen aufbringen ihren Vorteil durch eine lange und zeitintensive Partie auf Gewinn auszuquetschen und so willigte sie in ein Remis ein.

Den Abschluss bildete wie so oft Alissa. Sie konnte am vierten Brett aus einer spanischen Eröffnung direkt einen Bauern von Schwarz gewinnen und konnte hoch zufrieden mit dem Start ihrer Partie sein. Zu Beginn sah auch alles danach aus, als sollte die Partie eine absolute Einbahnstraße in Alissas Richtung werden, allerdings verpasste sie mehrfach die Gelegenheit die Stellung zu vereinfachen und in ein sehr angenehmes Endspiel mit Mehrbauer abzuwickeln. Dadurch konnte sich Schwarz mit fortlaufender Partiedauer immer weiter zurück kämpfen. In den Zügen vor der Zeitkontrolle entglitt die Partie dann Alissa vollständig und nach einem übersehenen Zwischenschach konnte schwarz nicht nur materiell ausgleichen, sondern selbst einen Bauern gewinnen. In einem Damenendspiel mit 3vs2 Bauern hatte Schwarz dann aber auch nicht mehr die Kraft einen Gewinnweg zu suchen und so einigten sich beide Spielerinnen auf ein Remis zum 4.5:1.5 Endstand.

Quelle: Schachbund

Danach wurde sich, alles in allem glücklich und zufrieden, auf dem Heimweg Richtung Hansestadt gemacht. Am Ende wurde das große Ziel von etwas Zählbarem erfüllt, auch wenn man sich natürlich fragt, was mit nur einer Spitzenspielerin mehr dieses Wochenende alles drin gewesen wäre… In der Bahn wurden dann noch die Ergebnisse und die Tabelle der anderen Matches gecheckt.

Quelle: Schachbund

Es wird also wie immer extrem knapp mit dem Klassenerhalt und wir sind über jede Unterstützung dankbar! Abschließend bleibt mir nur noch übrig mich zu bedanken beim SV Mülheim für ein tadellos ausgerichtetes Wochenende und bei allen, die uns aus der Ferne angefeuert, unterstützt und nette Nachrichten geschrieben haben. Am 16.02. geht es weiter mit einem Auswärtsmatch bei unseren Reisepartnerinnen aus Kiel.

Bis dahin bleiben Sie dem Frauenschach gewogen und allzeit eine gute Partie!

 

Ergebnisse und Tabelle der 2. Frauenbundesliga West

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