Die Situation vor dem Ligaspiel: Nach drei von insgesamt fünf Runden stehen wir auf einem Abstiegsplatz. Die anderen Mannschaften haben die laufende Runde allerdings größtenteils schon gespielt, und somit ein Spiel mehr absolviert. Da es im Tabellenkeller recht eng ist, könnten wir mit einem Sieg gegen St. Pauli VIII um ein bis drei Plätze nach oben klettern; je nach erzielten Brettpunkten. Es gilt also, das Millerntor zu stürmen.
Früh aber eine erste Ernüchterung: Durch eine sehr kurzfristige, unfallbedingte Absage bleibt eines unserer Bretter verwaist. Kampflose Niederlage an einem Brett, sodass wir gleich zu Beginn 0:1 hinten liegen. Bitter für uns, aber auch für den gegnerischen Spieler Tera Siregar, der sich umsonst zum Spiellokal aufgemacht hat und der keine Wettkampf-Partie spielen kann.
Unser Horst Feis spielt mit Weiß gegen Albert Walke. Es kommt zum materiellen Ungleichgewicht; Feis spielt mit zwei Türmen gegen die schwarze Dame. Daneben tummeln sich noch Leichtfiguren und einige Bauern auf dem Brett. Im weiteren Verlauf schafft Feis es, den gegnerischen König in die Brettmitte zu treiben und mitten auf dem Brett ein Mattnetz aufzuspannen. Schwarz könnte das Matt nur noch durch Weggabe der Dame verhindern, sodass Schwarz aufgibt und Feis mit seinem schönen Sieg zum mannschaftlichen 1:1 ausgleicht.
Unser Dieter Wichmann spielt mit Schwarz und der Skandinavischen Verteidigung gegen Helmut Paulsen. Im Turm- und Leichtfiguren-Endspiel kann Wichmann eine Taktik anbringen und entscheidendes Material gewinnen. Weiß gibt auf und Wichmann kann mit seinem wichtigen ersten Saison-Sieg einen vollen Punkt als Dividende einfahren. Dieser Sieg beschert der Mannschaft die 2:1 Führung.
Unser Rolf Lohkamp spielt mit Schwarz gegen Gottfried Schoppe. Im Turm-Endspiel hat Lohkamp einen Bauern weniger, kann aber seinen Turm auf die gegnerische zweite Reihe bringen. Der gegnerische Turm ist mit passiven Verteidigungsaufgaben beschäftigt und der gegnerische König klebt auf der Grundreihe fest. Vermutlich aber eine remisträchtige Stellung. Durch eine Taktik kann Lohkamp dann allerdings den gegnerischen Turm gewinnen. Ohne Turm ist ein Turmendspiel nicht gut zu spielen, und daher gibt Weiß nach dem Turmverlust sofort auf. Lohkamp knüpft an seine bisherigen guten Saison-Leistungen an und hat aus individueller Sicht bislang 2.5 aus 3 geholt.
Mit einer kampflosen Niederlage sind wir ins Ligaspiel gestartet. Durch drei recht kurz aufeinanderfolgende Siege können wir jetzt aber mit 3:1 in Führung gehen. Es sieht gut aus. Aber Vorsicht. Gegen Barmbek lagen wir sogar 3:0 vorne und mussten am Ende doch noch ein 4:4 hinnehmen. Es gilt also, weiterhin konzentriert zu spielen.
Jonny Skibb spielt mit Schwarz gegen Thomas Hopmann. Skibb geht in den Königsinder und sein Gegner spielt aggressiv mit dem Vierbauern-Angriff. Skibb lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken und spielt ruhig weiter. Im weiteren Verlauf wird es etwas luftig für den auf Kf1 stehenden weißen König. Skibb kann mit einem Turm die offene e-Linie in Beschlag nehmen. Sein Springer steht aktiv in der gegnerischen Stellung und auch seine Dame schaltet sich in den Angriff ein. Weiß bekommt seine Figuren nicht zur Verteidigung koordiniert und die Geier kreisen über den weißen König. Im 37. Zug gibt es kein Entkommen mehr. Skibb gewinnt die Partie und erhöht auf 4:1. In individueller Bilanz hat Skibb gegen starke Gegnerschaft beeindruckende 3 aus 4 geholt.
Martina Gerdts hat vor etlichen Jahren beim Stader SV gespielt. Nach einer längeren Pause vom Wettkampfschach ist sie Anfang des Jahres in den HSK eingetreten und wurde glücklicherweise in unsere Mannschaft gespült. In der Frauenliga hat sie dieses Jahr zwar schon für den HSK gespielt, für HSK 19 ist das aber ihr erster Saison-Einsatz. Sie spielt mit Weiß gegen den gegnerischen Mannschaftsführer Felix Koester. Nach kapitalem Materialverlust ist Martinas Stellung allerdings eine Ruine. Sie versucht noch im Trüben zu fischen, aber die Glücksfee guckt weg und die Partie geht verloren. Völlig ungeachtet der Niederlage sind wir aber froh, sie als neue Spielerin in unseren Reihen begrüßen zu können. Mannschaftlich steht es nur noch 4:2 für uns.
Gerald Deckers wollte eigentlich seine Schwarzeröffnung gegen weißes e4 umstellen. In dieser Partie kommt er aber noch nicht dazu, sein neues Repertoire aufs Brett zu bringen, da sein Gegner frecherweise nicht mit dem Königsbauern eröffnet. Entscheidender als die spannenden Eröffnungsfragen ist aber, dass Deckers im Laufe der Partie die Qualität verliert und er sich am Ende seinem Gegner Christoph Hemker geschlagen geben muss. Unsere Führung schmilzt auf 4:3.
Ich (Jörg Spreu) spiele die letzte laufende Partie des Abends mit Weiß gegen Christine Tetzlaff. Ich komme gut aus der Eröffnung und habe angenehmes Spiel. Durch eine Taktik kann ich einen Bauern gewinnen und verpasse Schwarz gleichsam auch noch einen schwachen Isolani. Die Damen kommen vom Brett und im Turm- und Leichtfiguren-Endspiel spiele ich mit Mehrbauern und besserer Stellung. Es ist ein langwieriges Manövrieren, aber am Ende habe ich zwei verbundene Zentrums-Freibauern. Schwarz hat kein Gegenspiel und die schwarze Stellung ist zerschossen. Meine Freibauern preschen unterstützt durch Turm, Läufer und aktiven König auf die 5te bzw. 6te Reihe. Meine Gegnerin findet aber eine Möglichkeit, wie sie ihren Springer gegen meine beiden Freibauern opfern kann. Eine Möglichkeit, die ich völlig übersehen hatte. Ich stehe immer noch besser, aber der klare Gewinnvorteil ist weg. In besserer Stellung biete ich kurz danach Remis, um damit die bisherigen Siege der Team-Kollegen in einen Mannschafts-Sieg zu gießen. Meine Gegnerin ist wohl froh, dass sie der Niederlage nochmal von der Schippe gesprungen ist, und nimmt das Remis nach Konsultierung ihres Mannschaftsführers an. Mannschaftlicher Endstand 4.5 zu 3.5 für uns.
Der Sturm aufs Millerntor ist geglückt. Mit dem Sieg verlassen wir den Abstiegsplatz und haben nun gute Chancen auf den Klassenerhalt. Im letzten Ligaspiel reicht ein Unentschieden, um in der Liga zu bleiben. Mit etwas Schützenhilfe könnten wir sogar im Falle einer Niederlage in der Liga bleiben.
Die Partien haben sich lange hingezogen, aber auf Rolf Lohkamps Initiative nimmt ein Großteil der Mannschaft noch einen kleinen Trunk im dafür bestens geeigneten St.Pauli Klubhaus. Ungefähr um Mitternacht wird dann der Heimweg angetreten. Insbesondere für Jonny Skibb (Hannover) und mich (Kiel) wurde es noch ein lange Fahrt, aber gute Partien und der wichtige Mannschaftssieg haben die Rückfahrt erleichtert.
Jörg Spreu
Tabelle nach der 4. Runde (Quelle: Hamburger Schachverband)