In der 4. Runde trafen in der B-Gruppe der 1. Liga die beiden Hamburger Vertreter aufeinander: wir spielten gegen Diogenes. Wir konnten diesmal unsere Bestbesetzung aufbieten: mit GM Thies Heinemann (2505), Norbert Sehner (2228), Stefan Schnock (2019) und Helge Colpe (1995) brachten wir einen DWZ-Schnitt von 2187 auf die Waage. Bei unserne Nachbarn aus dem Hammer Park fehlten dagegen die obersten Bretter: mit Michael Neumann (2089), Leon Apitzsch (1983), Christian Kalla (1951) und Robert Buchholz (1944) kamen sie nur auf einen Schnitt von 1992.
Auf dem Papier waren wir also klar favorisiert. Doch davon war zunächst nichts zu spüren, der Underdog hielt gut mit. Wir hatten bereits gegen Porz erfahren, wie die besonderen Spielbedingungen – online und stark verkürzte Bedenkzeit – offenbar nivellierend auf die DWZ-Differenz wirken. Nun erlebten wir das Phänomen erneut, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen.
An zwei bis vier kamen die Weißen mit leichten bis deutlichen Vorteilen aus der Eröffnung. Doch auf beiden Seiten erwiesen sich die Schwarzen als zähe Verteidiger; nach und nach entschwanden die weißen Vorteile, und schließlich endeten die drei Partien friedlich.
Damit wurde der Kampf am Spitzenbrett entschieden. Doch wer nun glaubte, der GM werde mit dem Landesligisten leichtes Spiel haben, hatte bald Grund sich zu wundern. Thies hatte mit der Wahl des Najdorf-Sizilianers die Partie auf spannungsvollen Kampf gestellt. Und spannend wurde es in der Tat: gegenseitige Rochaden, und Neumann war mit seinem Angriff auf dem Königsflügel deutlich schneller.
Doch die Lockerung der schwarzen Königsstellung war noch nicht tragisch, erst als Thies ab dem 25. Zug kurzzeitig den taktischen Überblick verlor, stand Neumann vorübergehend auf Gewinn.
Thorsten Cmiel schrieb dazu in seinem DSOL-Zwischenbericht v. 27. Juli in den ChessBase Nachrichten: “… stand der Großmeister längere Zeit mit offenem König klar auf Verlust.” Das ist leider teils falsch, teils zu flüchtig betrachtet.
Zum einen stand Weiß keineswegs “längere Zeit” auf Gewinn. Er hatte vielmehr im 28., 29. und 35. Zug drei Matchbälle, der erste davon war ausgesprochen knifflig. Nachdem er alle drei verhauen hatte, stand er noch vier Züge besser, bis Thies dann im 39. Zug ausglich. Danach setzte sich endlich der bessere Spieler durch, und im 58. Zug kippte die Partie endgültig. Im 63. Zug gab Weiß auf, und wir hatten 2½:1½ gewonnen.
Zum anderen gibt “klar auf Verlust” nur die analytische Beurteilung wieder, es ignoriert die psychologischen Rahmenbedingungen. Wir vergessen bei solchen Partiekommentierungen leider viel zu oft, daß nicht Computer gegeneinander spielen, sondern Menschen. Und Menschen machen Fehler – insbesondere unter gegnerischem Angriff oder Zeitmangel. In unserem konkreten Fall hatte Weiß im 25. Zug von den ursprünglich 45 Minuten noch etwa fünf Minuten übrig, Schwarz noch ungefähr sieben. Und während der letzten 20 Züge hatten beide Spieler nie mehr als 60 Sekunden auf der Uhr, d.h. sie lebten praktisch vom 15 sec/Zug Increment. Es sollte jedem einleuchten, daß unter solchen Bedingungen subtile Gewinnmanöver allenfalls zufällig gefunden werden.
Hamburger SK II | 2½ | − | 1½ | Diogenes HH | |
1. | GM Thies Heinemann (2505) | 1 | : | 0 | Michael Neumann (2089) |
2. | Norbert Sehner (2228) | ½ | : | ½ | Leon Apitzsch (1983) |
3. | Stefan Schnock (2019) | ½ | : | ½ | Christian Kalla (1951) |
4. | Helge Colpe (1995) | ½ | : | ½ | Robert Buchholz (1944) |