Hamburger Schachklub von 1830 e.V.

Königlich in Fantasie und Logik

Offener Spielbetrieb, auch für Gäste: Jeweils Dienstag & Freitag von 18:30 – 22:00 Uhr bieten wir einen offenen Spielabend an! Wir freuen uns über alle Interessierten, die uns kennenlernen möchten. Wir bitten um Anmeldung über schachklub@hsk1830.de.

European Online Chess Club Cup 2021

Logo des European Online Chess Club Cups | Bild: ECU
Logo des European Online Chess Club Cups | Bild: ECU

Vom 27. bis 31. März fand der Europapokal für Vereinsteams als Online-Turnier statt. Ausgerichtet von der ECU, der European Chess Union, und gesponsort von der Fédération Monégasque des Échecs, konnten bei diesem offenen Turnier alle Mannschaften mitspielen, die bereit waren, 250 € Startgeld zu bezahlen. Insgesamt meldeten sich 90 Teams an, vom Spitzenteam gespickt mit Weltklassegroßmeistern bis zum Zeitnot Express aus der Türkei mit einem Eloschnitt von 2076. Außerdem bekam das Frauen-Team von Monte-Carlo, die den Europacup der Frauen Ende 2020 überlegen gewannen, für das Finale einen Freiplatz. In der Meldeliste fanden sich schließlich über 500 Spieler wieder, davon 404 Titelträger und über 80 Spieler mit einer ELO-Zahl von über 2600!

Logo der Quarantäne-Bundesliga | Bild: rochade Europa

Der HSK ist ja seit Beginn der Pandemie regelmäßig donnerstags und sonntags mit großer Freude und oft auch großem Erfolg in der Quarantäne-Bundesliga auf Lichess aktiv. In unserem Team Hamburger SK spielen wir inzwischen in dem Rhythmus einer Fahrstuhlmannschaft, weil die Ligen immer stärker werden. Aber in der Ewigen Tabelle liegen wir immer noch auf dem dritten Platz und konnten auch schon sechs Meistertitel nach Hamburg holen!

Ewige Tabelle der Quarantäne-Liga Stand April 2021 | Bild Rochade Europa

In unserem Team erleben wir jeden Donnerstag und Sonntag eine wunderbare Mischung aus Bundesligaspielern, starken Jugendlichen und Klubspielern bis runter in die Kreisklasse – also genau das, was den Hamburger Schachklub ausmacht!

Und natürlich freuen sich unsere Klubmitglieder besonders, dass einige unserer Meister sehr regelmäßig für uns antreten und fantastische Resultate holen: Allen voran GM Rasmus Svane, der bisher bei jeder einzelnen Auflage der Quarantäne-Bundesliga am Start war (nur aktuell während der Magdeburger Kader-Challenge hat er einmal pausiert). Ebenfalls regelmäßig dabei sind GM Nils Grandelius, GM Sune Berg Hansen, Thies Heinemann und FM Julian Kramer. Auch GM Luis Engel spielte schon für uns, bis er mit seinem Freund FM Felix Meißner seinen Twitch-Kanal Lockdownchess gründete und seitdem manchmal für dieses Team auf Punktejagd geht.

Und da die Bundesliga „over the board“ immer weiter verschoben wird und unklar ist, ob die Saison 2019-2020 überhaupt noch zu Ende gespielt wird, haben wir uns gesagt, dass wir mit unseren aktiven Meistern doch zumindest bei diesem attraktiven Event antreten sollten, um die HSK-Flagge hochzuhalten und unseren Spielern interessante Partien gegen sehr starke Gegner zu ermöglichen.

Also schickten wir dieses Team ins Rennen (die Mannschaftsführung übernahmen bei diesem Online-Event Eva Maria Zickelbein und Andreas Albers):

Das HSK Team | Bild: chess-result.com

Mit diesem Team fanden wir uns auf Platz 18 der Setzliste wieder, aus deutscher Sicht waren noch Baden Baden (1.), Deizisau (10.) und Hockenheim (15.) vor uns platziert. Gespielt wurde an vier Brettern mit einer Bedenkzeit von 15 Minuten plus 5 Sekunden pro Zug.

Im Online-Schach ist ja das Cheating ein ernsthaftes und leidiges Problem. Die Organisatoren der ECU entschieden sich deshalb, das Turnier auf der australischen Plattform Tornelo auszutragen, auf der beispielsweise auch schon die Jugendweltmeisterschaft gespielt wurde. Der große Vorteil ist, dass die Schiedsrichter eine größere Kontrolle über das Geschehen haben als auf anderen Plattformen. Das passiert u. a. durch einen Zoom-Call, in dem jeder Spieler (und alle Captains) während der Partien angemeldet sein müssen. Dabei dürfen die Spieler nur Tornelo im Browser und den Zoom-Call auf ihrem Rechner geöffnet haben, müssen die Webcam anschalten und ihren Bildschirm teilen. Im Finale kam dann zusätzlich noch eine „Side-Cam“ hinzu, die den Spieler von der Seite und seinen Schreibtisch zeigen musste.

Diese Überwachung schließt Cheating natürlich nicht vollkommen aus, erschwert es aber in einem hohen Maße. Und natürlich war es auch für uns Team-Captains sehr interessant und z. T. sehr witzig zu sehen, wie sich die Spieler während der Partien verhielten und auf unerwartete Züge oder eigene Blunder reagierten.

Einige Tage vor dem Turnier rief die ECO alle Team-Captains zu einem Zoom-Call zusammen, um alle Regeln zu erläutern und die Gruppenphase auszulosen. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich für die ausgezeichnete und sehr professionelle Organisation des Events bedanken. Es hat alles wunderbar geklappt und es gab keinen einzigen Streitfall! Natürlich ab und zu einmal Aufregung, vor allen wegen technischer Probleme im Whatsapp-Chat der Team-Captains, aber die immer freundliche Jirina Prokopova und das Team der Schiedsrichter haben alle Situation mit großer Geduld und Freundlichkeit gemeistert – vielen Dank!

Genau wie in der Quarantäne-Liga und bei anderen Veranstaltungen des Klubs möchten wir die Teilnahme an einem solchen Spitzenturnier natürlich auch für unsere Klubmitglieder und Freunde über die Live-Übertragung auf den verschiedenen Plattformen erlebbar machen. Deshalb fragten wir unsere streamenden Freunde IM Georgios Souleidis, IM Steve Berger und FM Felix Meißner, ob sie mit uns zusammen die Veranstaltung über ihre Twitch-Kanäle kommentieren würden. Vielen Dank an dieser Stelle für diese Möglichkeit, die Ihr uns geboten habt! Wir haben nur positive Rückmeldungen bekommen und hoffen, dass wir einige Klubmitglieder damit erreicht haben und das Erlebnis Europapokal ein bisschen näher in die Wohn- oder Arbeitszimmer bringen konnten.

Die Vorrunde und den zweiten Tag des Finales streamten wir mit Georgios Souleidis auf seinem Twitch-Kanal.
Dann ging es in den Playoffs weiter mit FM Felix Meißner bzw. seiner Vertretung Kenneth Nannsen (vielen Dank!) auf Lockdownchess und den ersten Tag des Finales übertrugen wir mit Steve Berger auf seinem Chess.comde-Kanal.

Teil 1: Vorrunde

Motto: “Gut aussehen und vielleicht Platz 2 verteidigen”
Nils Grandelius die Bank: 5 aus 7 am Spitzenbrett!

Runden 1 bis 3

Die Auslosung für die Gruppenphase bescherte uns mit Novy Bor die tschechische Nr. 2 der Setzliste und mit dem Club d’Échecs de Genève aus der Schweiz, dem Pluspion Wachtebeke aus Belgien und dem Tsafrir Rehovot Chess Club aus Israel drei Klubs in unserer Preisklasse, die man erst einmal hinter sich lassen musste. Wir waren zwar nach ELO die Nummer zwei in dieser Gruppe B, aber jeder Ausrutscher gegen einen der drei genannten Klubs konnte sofort das Aus in der Vorrunde bedeuten, da sich nur die besten zwei Teams für die Playoffs am 28. März qualifizierten.

Die ersten drei Runden verliefen, nachdem wir uns alle mit der Plattform und dem Zoom-Call vertraut gemacht hatten, wie geplant. Interessant war, dass auch die Mannschaftsführer im Zoom-Call ihren Bildschirm teilen mussten und ich das ein, zwei Mal vergaß, um nebenbei schon Eindrücke für unsere Berichte zu sammeln. Es erfolgte gleich ein freundlicher Hinweis durch das Schiedsrichter-Team! So muss es dann ja auch Spielern gegangen sein, bei denen nicht alles rund lief und das ist doch ein gutes Zeichen für die Cheating-Kontrolle!

Blick hinter die Kulissen: hier ein Ausschnitt aus der Übersichtsansicht im Zoom-Call! Aus Hamburger Sicht sind Sune Berg Hansen, Nils Grandelius, Thias Heinemann und Eva Maria Zickelbein zu sehen.

Andreas Albers kommentierte das Geschehen zusammen mit Georgios Souleidis auf seinem Twitch-Kanal TheBigGreek und konnte in der ersten Runde ein deutliches 3,5:0,5 gegen Vandoeuvre-Échecs vermelden:

Das Ergebnis der 1. Runde | Bild: chess-result.com
Georgios Souleidis und Andreas Albers, beide stilecht im HSK-Hoodie, auf Twitch

In Runde zwei stand dann das Duell gegen den Favoriten Novy Bor an. Wir hatten nichts zu verlieren und an allen Brettern klaren Elonachteil. Dieser führte dann auch zu zwei Verlusten an den Schwarz-Brettern: Nils Grandelius geriet in einem Damengambit in Nachteil gegen Santosh Vidit und verlor erst einen Bauern und wenig später flog die ganze Stellung auseinander. In David Navara gegen Sune Berg Hansen wurde Englisch diskutiert, Sune gab früh das Läuferpaar auf und entschloss sich im 20.Zug in gedrückter Stellung zu einem Harakiri-Bauerndurchbruch, der routiniert vom tschechischen Großmeister gekontert wurde. Interessant auch immer wieder zu sehen, wie solche Spitzenspieler nach gewonnenem Material aktiv weiterspielen und die Stellung forcieren, lehrreich! Erfreulich aus Hamburger Sicht die beiden Punkteteilungen von Rasmus Svane und Thies Heinemann! Bei Rasmus wurden früh die Damen getauscht und er musste ein Qualitätsopfer zulassen: unser ehemaliges Spitzenbrett Radek Wojtaszek bekam zuerst nur Springer und Bauer dafür, aber Rasmus‘ Bauernstellung war so zerrupft, dass es später drei, dann auch vier (!) Bauern plus Springer gegen den Turm wurden. Dass er das noch Remis hielt, war natürlich dem unerbittlichen Schnellschachmodus geschuldet, denn trotz 5 Sekunden Zeitbonus pro Zug können natürlich auch solche Weltklassegroßmeister unter großem Stress nicht immer die besten Züge finden. Und wahrscheinlich hatte Radek auch schon längst gesehen, dass das Team klar in Front war und konnte die Punkteteilung deshalb verschmerzen. Am vierten Brett gab es bei Thies Heinemann gegen Markus Ragger einen schönen Abtauschspanier, in dem es Thies gelang, mit einem eingedrungenen Turm auf der achten Reihe so viel Druck zu machen, dass Markus Ragger die Zugwiederholung wählte – auch hier mag natürlich das Teamergebnis eine Rolle gespielt haben!

Das Ergebnis der 2. Runde | Bild: chess-result.com

In der dritten Runde stand gewissermaßen ein Pflichtsieg gegen den slowakischen Klub SK Lions Levice an. Wir waren an allen Brettern deutlich überlegen, konnten auch sicher mit 3,5:0,5 gewinnen und uns so wieder ein positives Punktekonto für der wichtigen Runde gegen Genève erarbeiten:

Das Ergebnis der 3. Runde | Bild: chess-result.com

 

Runde 4: HSK – Club d’Échecs de Genève

Vor der vierten Runde am ersten Tag waren wir nach den beiden Siegen gegen Vandoeuvre und Levice und der Niederlage gegen den Favoriten Novy Bor im Soll und zum Abschluss des Tages stand dann der äußerst wichtige Wettkampf gegen Genève an. Das Team spielt zwar unter Schweizer Flagge, an den Brettern findet man aber ausschließlich französische Großmeister – Robert Fontaine spielt allerdings inzwischen für die Schweiz.

Die ELO-Zahlen favorisierten uns leicht, aber wir waren uns natürlich bewusst, dass dieser Wettkampf eine ganz enge Kiste werden würde. Auffällig übrigens war, dass die Schweizer Franzosen sich wohl vor dem Turnier vorgenommen hatten, durch ziemlich schnelles Spiel im Modus 15+5 Druck auf die Gegner auszuüben, denn es war an allen Brettern so, dass wir permanent einen mittleren bis großem Zeitnachteil hinterherliefen. Immer ausgeglichen und sehr harmonisch spielte sich die Partie von Sune Berg Hansen gegen den französischen ehemaligen Weltklassegroßmeister Andrei Sokolov ab. In einem Damenbauernspiel ging keiner der Spieler ein größeres Risiko ein und schließlich landete man in einem ausgeglichenen Springerendspiel: Remis. Sehr viel dramatischer das Geschehen an den anderen Brettern:

Unser starkes Spitzenbrett Nils Grandelius, in der Vorrunde unsere absolute Bank mit 5 aus 7 am Spitzenbrett und einer Leistung von 2682, spielte eine Glanzpartie gegen GM Romain Edouard, den Mitbegründer des Schachverlages Thinkers Publishing, und zertrümmerte seinen Franzosen komplett! Vielen Dank an Nils, dass er seinen Sieg für uns kommentiert hat (leider reichte es nicht ganz zum Schönheitspreis, den GM Vladislav Artemiev gegen sein brillantes 21. …Sxh4!! In seiner Partie gegen Mateusz Bartel verdienterweise gewann):

Blieben nach diesem erstklassigen Führungstreffer noch unsere beiden Schwarzpartien von Rasmus Svane gegen GM Robert Fontaine und von Luis Engel gegen Vincent Riff. Und hier lief leider alles gegen uns, denn beide liefen bei immer knapper werdender Zeit in komplizierte Stellungen hinein, die unter einem solchen Druck natürlich monsterschwer zu spielen sind. Luis hatte, nachdem er seine Probleme beim Übergang aus der Eröffnung ins Mittelspiel gelöst hatte, sogar eine sehr gute bis gewonnene Stellung und wir rechneten mit dem vollen Punkt und die Engine zeigte auch schon -4 zu seinen Gunsten, er tauschte dann aber ungünstig ab und bekam im Turmendspiel mit ungleichen Läufern den gegnerischen Freibauern nicht unter Kontrolle und verlor. Rasmus Svane hatte in seinem Caro-Kann gegen Robert Fontaine überhaupt keine Probleme, auszugleichen und hatte sogar klaren Vorteil. Aber auch hier ein hoher Zeitverbrauch und eine hochkomplexe Stellung mit vielen taktischen Finessen. Mit nur wenigen Sekunden auf der Uhr wich er dann schließlich einem Dauerschach aus, da er keine Zeit mehr hatte, um den Stand des Wettkampfes zu checken – ein 2:2 wäre natürlich vollkommen ok gewesen! So wurde es leider die knappe 1,5-Niederlage, sodass wir, auch wenn wir die folgenden Runden alle erfolgreich gestalten können, am zweiten Tag der Vorrunde auf Schützenhilfe anderer Teams gegen Genève angewiesen sein würden.

Das Ergebnis der 4. Runde | Bild: chess-result.com

Aber nichts geht über gute Stimmung und Motivation im Team. So schrieb Nils Grandelius in unserem Teamchat nach der unglücklichen Niederlage gegen Genève: „We will come back stronger tomorrow – there is still hope!“ So etwas braucht man natürlich für die Moral und so starteten wir am Sonntag ausgeruht und guter Dinge in den zweiten Tag:

Runde 5: De Pluspion Wachtebeke – HSK

Gleich in den ersten beiden Runden standen wir vor richtungweisenden Wettkämpfen: erst gegen die Mehrbauern aus Wachtebeke und dann gegen den israelischen Klub Tsafrir Rehovot südlich von Tel Aviv.

Im Wettkampf gegen Pluspion Wachtebeke brachte uns Julian Kramer am vierten Btett gegen den niederländischen IM Yong Hoon de Rover schnell in Führung. In einer Najdorf-Nebenvariante produzierte er eine kleine Miniatur und nahm das schwache Feld auf f7 dermaßen unter Beschuss, dass Schwarz schon im 19. Zug die Waffen strecken musste.

Sune Berg Hansen musste sich am dritten Brett mit Schwarz gegen die spanische IM Ana Matnadze in einer schlechteren Stellung gegen sehr aktives Spiel zur Wehr setzen und unter Druck eine Qualität geben. In der Folge kränkelte er an seiner schlecht stehenden Dame, aber Ana Matnadze versäumte es mit immer knapper werdender Zeit, den Druck weiter zu verstärken. Auch taktische Einschläge, die so starke Spieler in langen Turnierpartien sicher gesehen hätten, fallen im Schnellschach natürlich schwerer und oft gleitet einem die Stellung aus der Hand, wenn man das Safety-Car wählt: So auch hier! Einige ungenaue und passive Züge und – zack – setzte Sune seine Bauernwalze im Zentrum in Bewegung und sprengte die weiße Stellung! Und ganz zum Schluss kam sogar seine Dame wieder zu ihrem Recht und konnte von a6 über e2 wieder mitspielen – auf a6 hatte sie über 20 Züge lang geduldig ausgeharrt. Ein wichtiger Punkt, denn die Partien an den Spitzenbrettern zwischen Jaime Santos Latasa und Nils Grandelius sowie Rasmus Svane gegen Miguel Admiraal gingen Remis aus und bei einem 2:2 hätten wir noch einen Mannschaftspunkt liegenlassen. So aber stand es 3:1 für den HSK:

Das Ergebnis der 5. Runde | Bild: chess-result.com

In der sechsten Runde folgte gleich die nächste wichtige Paarung gegen Tsafrir Rehovot. Wir Hamburger waren an allen Brettern elomäßig vorn, wussten aber, dass der Wettkampf eine enge Kiste würde werden können. Denn trotz unserer Favoritenrolle gelang es uns an den ersten drei Brettern nicht, über Punkteteilungen hinauszukommen. Deshalb musste Luis Engel am vierten Brett mit Schwarz in einem Alapin-Sizilianer die Kohlen aus dem Feuer holen. Er gewann zwar frühzeitig einen Bauern, musste aber mit seinem König in der Mitte bleiben und ein paar Drohungen abwehren. Die ungleichfarbigen Läufer sorgten aber dafür, dass er sehr schnell Gegenspiel entwickeln konnte, sobald sein König wenigstens auf f7 etwas aus der Schusslinie flüchten konnte. Dann war es eine Frage der Technik und Luis fuhr den vollen Punkt zum Mannschaftssieg sicher ein, Erleichterung! Parallel verlor Genève gegen Wachtebeke, so dass uns nur noch die Belgier sehr hart auf den Fersen waren.

Das Ergebnis der 6. Runde | Bild: chess-result.com

Runden 7 bis 9

Die Schlussrunden der Vorrunde brachten uns drei Gegner, die wir auf dem Weg in die Zwischenrunde unbedingt schlagen mussten. Und glücklicherweise erledigten unsere Jungs das auch mit so souveräner Sicherheit und guter Punkteverteilung im Team, dass die Team-Captains sich keine Sorgen machen mussten:

In der siebten Runde schlug einmal mehr unser Spitzenbrett Nils Grandelius mit einem Sieg gegen GM Igor Efimov zu und auch Julian Kramer schlug seinen nominell schwächeren Gegner sicher, so dass Punkteteilungen von Rasmus Svane und Thies Heinemann zum 3:1-Sieg reichten. Parallel trennten sich Genève und Tsafrir Rehovot 2:2, was natürlich auch wieder einen schönen zusätzlichen Punkt Vorsprung bedeutete.

Das Ergebnis der 7. Runde | Bild: chess-result.com

In der achten Runde gegen den französischen Klub Stanislas Échecs setzten Nils Grandelius und Sune Berg Hansen aus, aber nach zwei relativ zahmen Remisen an den Spitzenbrettern konnten wir uns auf Thies Heinemann und Julian Kramer verlassen, die volle Punkte einfuhren und auch nie in Bedrängnis gerieten. Und natürlich schielten wir immer mit einem halben Auge zum Wettkampf des belgischen Mehrbauern gegen Tsafrir Rehovot! Sehr hilfreich für uns, dass sich diese beiden Teams 2:2 trennten und wir damit vor der letzten Runde einen Punkt Vorsprung vor den Belgiern verzeichnen konnten!

Das Ergebnis der 8. Runde | Bild: chess-result.com

In der neunten Runde drehten wir ganz zum Schluss der Vorrunde dann auch noch einmal richtig auf und fuhren, wie um alles extra-safe zu machen, unser einziges 4:0 ein!

Nils Grandelius opferte in einem Gründfeldinder zwei Bauern für das Läuferpaar und Entwicklungsvorsprung und sein Gegner brach dann auch irgendwann unter dem Druck zusammen. Sune Berg Hansen diskutierte mit Inna Agrest die italienische Hauptvariante, hatte aber mit einem Läuferopfer im 26. Zug auf h6 die besseren Argumente und gewann schnell. Noch schneller erledigte das Luis Engel in einem Ragosin, nur bei Thies Heinemann wurde ich zwischendurch einmal nervös, da sein König in der Mitte stehenblieb. Zu Unrecht, wie sowohl Thies als auch nachher die Engine zeigten!

Das Ergebnis der 9. Runde | Bild: chess-result.com
Eva Maria Zickelbein und The Big Greek kommentieren den 2. Tag der Vorrunde.

Am zweiten Tag durfte Eva Maria Zickelbein bei Georgios Souleidis zu Gast sein und freute sich natürlich sehr, nach anstrengenden fünf Runden gemeinsam mit TheBigGreek und seinen Subscribern die Abschlusstabelle zu betrachten:

Die Abschlusstabelle der Vorrunde | Bild: chess-result.com
Die Einzelergebnisse der Vorrunde | Bild: chess-result.com

Unsere Einzelergebnisse zeigen, dass wir mit nur vier Verlustpartien und ohne Niederlage am zweiten Tag so richtig Comeback-Qualitäten zeigten! Bärenstark natürlich Nils‘ Hammerergebnis mit 5 aus 7 gegen einen Schnitt von 2524!
Das war aber alles nur ein Vorgeschmack auf die herausragende Leistung, die unser HSK-Team im Playoff am nächsten Tag gegen unfassbar starke Gegner zeigen sollte:

Teil 2, Playoffs:

“Sich so hart wie möglich verkaufen und lange Chancen haben” (Julians Traum)

In den Playoffs – die drei Gruppen wurden automatisch nach den Vorrundenergebnissen eingeteilt – rangierten wir nach Eloschnitt an vierter Stelle. Wie knallhart auch schon die Vorrunden waren, zeigte sich zum Beispiel auch daran, dass sie die Nr. 1 der Setzliste, Baden Baden, ganz knapp und schließlich nur mit Schützenhilfe, für die Playoffs qualifizieren konnte. Aus deutscher Sicht aber sehr erfreulich, dass es vier deutsche Teams in die Playoffs geschafft hatten!

Die Ausgangslage:

  1. Clichy Échecs 92, Frankreich, Eloschnitt 2673
  2. Ladya Kazan, Russland, Eloschnitt 2625
  3. SV 1930 Hockenheim, Deutschland, Eloschnitt 2606
  4. Hamburger Schachklub, Deutschland, Eloschnitt 2592
  5. Klub Szachowy Polonia Wroclaw, Eloschnitt 2569
  6. Beer Sheva Chess Club, Eloschnitt 2575

Beim Anblick dieser geballten Schach-Kompetenz ist das im Titel zitierte Motto von Julian Kramer „Sich so hart wie möglich verkaufen und lange Chancen haben“ natürlich gut nachvollziehbar! „Will be a fun day“ betonte aber auch Nils Grandelius, denn Schnellschachpartien unter Turnierpartien sind natürlich auch immer eine tolle Herausforderung für die Spieler.

Runde 1

Gleich in der ersten Runde spielten wir gegen die russische Mannschaft Ladya Kazan mit den beiden bärenstarken Spitzenbrettern GM Vladislav Artemiev und Legende GM Gata Kamsky. Nils gelang es mit Schwarz scheinbar mühelos auszugleichen und die Stellung immer weiter zu vereinfachen. Auf diesem Niveau weiß man einfach, wann es richtig ist, Aktivität zu entfalten und Figuren zu tauschen. Das Springer-Turm-Endspiel schließlich war so ausgeglichen, dass man sich auf Remis einigte. Rasmus Svane spielte gegen Kamskys Slawische Verteidigung ein kompliziertes und manöverreiches Mittelspiel, das optisch immer sehr gut aussah. Zug für Zug erhöhte er den Druck, bis er plötzlich einen unnötigen Damenschwenk von Kamsky zuließ, der die Sache noch einmal spannend machte: er gab dann wenig später eine Qualität und setzte auf sein edles Ross auf d6, unzählige Mal haben die beiden in der Quarantäne-Bundesliga ähnlich spannende Stellungen im letzten Jahr ausgetragen. Und Rasmus wäre nicht der Rasierer, wenn er nicht Gata Kamsky, dessen Zeit immer knapper wurde, vor immer größere Probleme stellte und es schließlich schaffte, über die e-Linie in das schwarze Lager einzudringen und entscheidenden Vorteil zu erlangen – eine tolle Partie und ein schöner Sieg für Rasmus!

Leider lief es dafür an den Brettern drei und vier nicht in unsere Richtung: Luis Engel hatte mit Schwarz gegen GM Artyom Timofeev eigentlich alles richtig gemacht und sich im Katalanen eine schön spielbare Mittelspielstellung erarbeitet. Er hatte eigentlich immer Ausgleich, schwächte dann aber seine Bauernstellung und wurde geschickt zu einem Bauernverlust austempiert. Bei reduziertem Material hofften wir trotzdem noch auf eine Punkteteilung, aber eine letzte Chance auf Ausgleich ließ er im 43. Zug im Turm-Springer-Endspiel aus und dann wendete sich das Blatt endgültig.

Thies Heinemann hatte einen Spanier gegen den russischen IM Azat Sharafiev auf dem Brett und es gelang ihm in dieser Partie leider nicht, auf einen grünen Zweig zu kommen, so dass auch hier nichts Zählbares heraussprang und der Wettkampf 1,5:2,5 verloren ging.

Das Ergebnis der 1. Runde der Playoffs | Bild: chess-result.com

 

Runde 2

Jedoch hatte uns die erste Runde auch gezeigt, dass wir gegen jedes Team eine Chance haben und so traten wir dann auch guten Mutes gegen den SV Hockenheim und ihre starke Aufstellung mit den Großmeistern Tamas Banusz, Arik Braun, Dennis Wagner und Rainer Buhmann an.

Um es vorwegzunehmen: Hier lief es unfassbar gut an den Brettern drei und vier! Luis Engel durfte endlich einmal Weiß haben und spielte gegen Dennis Wagner eine höchst interessante Spanische Partie, die auch die Kommentatoren auf Twitch (dank Felix Meißner und Kenneth Nahnsen, denn die Playoffs kommentierten wir über Felix‘ Kanal Lockdownchess) und die Zuschauer völlig vom Hocker riss: Luis gewann in besserer Stellung im Mittelspiel einen Bauern, war dann aber sehr gefräßig und verleibte sich einen zweiten Bauern ein. Dadurch aber bekam seine Dame leichte Probleme und er entschloss sich, die Dame gegen Turm, Läufer und zwei Bauern zu geben. Als dann nach ungenauem Spiel noch ein weiterer Bauer fiel, die Türme getauscht und der Freibauer in Bewegung gesetzt war, waren wir uns nicht mehr so sicher, ob das ein aus der Not geborenes oder ein geplantes Damenopfer gewesen ist.

Hier setzte Luis mit 34. Sd5! fort: Gegen Sc3 und c8 ist kein Kraut gewachsen, bei Dennis Wagner fiel zwei Züge später die Zeit.

Julian Kramer musste am vierten Brett gegen Rainer Buhmann ran und wir sahen einen Königsinder auf dem Brett. Rainer opferte für aktives Spiel und ein machtvolles Zentrum einen Bauern, es gelang ihm aber nicht so richtig, die Sache zu forcieren. Julian hielt einfach still, gruppierte seinen Springer um, nahm noch einen Bauern weg – diesmal einen richtig wichtigen Zentrumsbauern von d5 – und verteidigte sich dann noch korrekt gegen Rainers verzweifelten Harakiri-Angriff – mit einem Qualitätsopfer auf f3! Klasse Leistung und damit das 2:0 – was machten unsere Spitzenbretter? 

Hier gab es ebenfalls zwei spannende Partien zu bestaunen, bei denen ich auch niemals damit gerechnet hätte, dass sie beide im Remishafen enden. Schon eher bei Arik Braun und Rasmus Svane, wo es zwar auch ordentlich Würze gab, ein Eindringen ins gegnerische Lager aber immer auch mit einer großen Schwächung der eigenen Königsstellung einhergehen musste. Arik versuchte es, Rasmus konterte und Arik musste Dauerschach geben. Das war zu diesem Zeitpunkt dann schon das entscheidende Remis zum ersten Mannschaftssieg in den Playoffs!

Zuvor musste Nils jedoch noch eine fürchterlicher Ruine gegen Tamas Banusz zusammenhalten. Mit einigem Glück und zwischenzeitlichen sogar unerwartet aufgetretenen Siegchancen gelang ihm das auch und wir konnten ein schönes 3:1 in den Büchern notieren:

Das Ergebnis der 2. Runde der Playoffs | Bild: chess-result.com

 

Runde 3

Allez! Auf in die dritte Runde gegen die Nr. 1 der Setzliste, Clichy Échecs!
Die nominelle Eins der Franzosen, der Überraschungssieger von Wijk aan Zee 2021, GM Jorden van Foreest, hatte bisher nicht gespielt und auch gegen uns wurde auf seinen Einsatz verzichtet. Der Iranische Großmeister Parham Maghsoodloo war mit einer Null in den Tag gestartet. Gegen Nils Grandelius wählte der als Angriffsspieler und Liebhaber nicht ganz korrekter Varianten bekannte Iraner eine Nebenvariante gegen Caro-Kann, aber Nils ließ sich nicht aufs Glatteis führen, spielte ruhig und überlegt, verteidigte sich gut und konnte schließlich im 40. Zug mit einer kleinen Kombination eine Figur gewinnen – 1:0 für den HSK! Rasmus Svane spielte mit Weiß gegen den starken ägyptischen GM Bassem Amin. Ein sehr schwer zu spielendes Mittelspiel entstand, in dem Rasmus in leicht schlechterer Stellung eine Figur für Königsangriff gab. Dieser hätte bei bestem Spiel aber auch nur zum Dauerschach geführt. Das wollte er nicht, gab Bassem die Möglichkeit, rauszukommen und dann übersah er leider eine wunderschöne Fortsetzung, die zum Gewinn geführt hätte:

Hier hätte Rasmus mit 39. Kg2! gewinnen können, ein schöner stiller Zug! Es droht tödlich h7, Schwarz kann nur noch 39. …f5 probieren, aber dann kommt trotzdem 40. h7 und fast schon Zugzwang. Leider sah Rasmus diesen Trick nicht und musste sich nach 39. b4? f5 später geschlagen geben.

Doch wir hatten die Rechnung ohne unseren Thies gemacht! Der spielte mit Schwarz gegen die niederländische Legende GM Loek van Wely ganz ruhig seinen Dameninder runter, schaffte es aber nicht, allen Komplikationen aus dem Weg zu gehen. Als die unvermeidlich kamen, musste er zwar bei vollem Brett mit dem König in der Mitte bleiben, hatte aber extrem viele Zentrumsbauern und auch das Läuferpaar. Ich hätte trotzdem vor Angst nicht gewusst, was zu tun war, aber Thies blieb cool, sammelte einen Bauern nach dem anderen ein bzw. gewann sie zurück und landete schließlich in einem Damenendspiel mit ungleichfarbigen Läufern, aber mit Mehrbauern. Das knetete er so lange, bis Loek mürbe war und fuhr den Punkt ein, genial!

Julian Kramer zeigte am vierten Brett einmal mehr, was er drauf hat und dass bei immer stärker werdender Gegnerschaft: Er brachte GM Hicham Hamdouchi in einer sauber und positionell 1a angelegten Sizilianisch-Partie an den Rand einer Niederlage und wird sich selbst bestimmt am meisten ärgern, dass er den entscheidenden Moment im Turmendspiel verpasste und die Stellung zum Remis verflachte. Aber ihm und uns war es in dem Moment sowieso völlig egal, dann damit hatten wir den Favoriten Clichy mit 2,5:1,5 nach Hause nach Paris geschickt und damit schon vier Mannschaftspünktchen gesammelt – sensationell!

Das Ergebnis der 3. Runde der Playoffs | Bild: chess-result.com

 

Runde 4

Und wie es dann manchmal so ist, folgt auf einen solchen Höhenflug manchmal ein hartes Landen: Im Wettkampf gegen den israelischen Beer Sheva Chess Club mussten wir eine 1:3-Niederlage hinnehmen. Nils Grandelius kam am Spitzenbrett in einer äußerst spannenden Partie mit zwischenzeitlich großem Vorteil nicht über ein Remis hinaus. und Luis Engel misslang seine Partie gegen GM Michael Roiz völlig und er verlor recht schnell. Auch Thies Heinemann geriet in seinem geliebten Abtauschspanier in leichten Nachteil und hatte schließlich ein leicht schlechteres Turmendspiel, das schwer zu halten war. Damit war die Punkteteilung von Julian Kramer mit Schwarz gegen GM Alexander Huzman in einer englischen Symmetrievariante nur noch Ergebniskorrektur und wir verloren diesen Wettkampf mit 1:3.

Das Ergebnis der 4. Runde der Playoffs | Bild: chess-result.com

 

Runde 5

Vor der letzten und entscheidenden Runde hätte die Tabellensituation spannender nicht sein können: Ladya Kazan zog einsam seine Kreise und hatte noch keinen Punkt abgegeben. Dahinter drängelten sich aber drei (!) Teams mit jeweils vier Mannschaftspunkten plus Hockenheim mit Restchancen im Kampf um die beiden verbleibenden Qualifikationsplätze für das Finale. Hockenheim drehte auf und schlug Clichy mit 2,5, so dass auch sie auf 4 Mannschaftspunkte kamen und die Franzosen auf 4 Punkten stehenblieben.

Wir Hamburger mussten gegen den polnischen Klub Szachowy Polonia Wroclaw antreten und schickten Nils Grandelius schon einmal in den Feierabend. Rasmus Svane versuchte alles am Spitzenbrett in seinem geliebten Caro-Kann, aber die Partie gegen GM Mateusz Bartel war immer im Gleichgewicht und folgerichtig die Punkteteilung. Dafür aber holte Luis Engel gegen IM Szymon Gumularz seine spanische Peitsche heraus, spielte eine feurige Angriffspartie und schoss das 1:0 für den Klub! Thies Heinemann neutralisierte am dritten Brett GM Dimitros Mastrovasilis und kämpfte bis zum 79. Zug für die Punkteteilung und Julian Kramer spielte am vierten Brett eine absolute Modellpartie gegen GM Oskar Wieczorek und schlug ihn sehr sehenswert.

Das Ergebnis der 5. Runde der Playoffs | Bild: chess-result.com
Die Tabelle des Playoffs mit unserem großartigen 2. Platz und der Qualifikation für das Finale | Bild: chess-result.com
Die Einzelergebnisse des dritten Tages | Bild: chess-result.com

Gegen sehr viel stärkeren Gegnerschnitt hatten wir besonders an den hinteren Brettern sehr viel härtere Nüsse zu knacken. Insgesamt verteilten wir die Punkte aber gerade richtig, um die Qualifikation zu schaffen und wer könnte es besser zusammenfassen als Rasmus Svane:

„What a great effort by the whole team! Especially Julian, who is playing like absolute boss! 😎

Teil 3, Finale:

“Wir rocken Europa” (Perfekter Teamgeist, 4 x mit 2,5 gewonnen)

Zur Einstimmung auf das zweitägige Finale am 30. und 31. März brachte die European Chess Union ein stimmungsvolles Video zur Vorstellung der zehn Finalteilnehmer auf ihrer Seite europechess.org und in den sozialen Medien. Wir freuten uns sehr über diese schön umgesetzte Idee.

Während sich die Macher des Videos wohl nicht so sicher waren, wo Deizisau liegt und den Verein mit einem Bild vom Brandenburger Tor vorstellen, war es nicht so schwer, schöne Bilder von Hamburg zu finden.

Beim Anblick solcher Bilder geht natürlich jedem Hamburger das Herz auf – “Hamburg meine Perle”! Leider fehlt in der angegebenen Aufstellung Sune Berg Hansen, der schon in den Playoffs nicht zum Einsatz kam: er befand sich mit seinem Sohn in seiner „summer residence on a small island“ und hatte so schlechtes Internet, dass er kein Risiko eingehen wollte.

Der Blick auf die Startrangliste des Finales zeigt, dass sich auch in den anderen Vorrunden und Playoffs noch richtige Schwergewichte versteckt hatten:

  1. Novy Bor, Tschechien, Eloschnitt 2712
  2. Mednyi Vsadnik, Russland, Eloschnitt 2698
  3. 4NCL Guilford, England, Eloschnitt 2682
  4. Odlar Yurdu, Azerbaidschan 2676
  5. Clichy Échecs, Frankreich, Eloschnitt 2673
  6. Poland Hussards, Polen, Eloschnitt 2644
  7. SF Deizisau, Deutschland, Eloschnitt 2641
  8. Ladya Kazan, Russland, Eloschnitt 2625
  9. Hamburger Schachklub, Deutschland, Eloschnitt 2592
  10. Cercle d’Échecs de Monte-Carlo, Monaco, Eloschnitt 2485

Bis auf die OSG Baden Baden hatten es die Top 5 der Setzliste ins Finale geschafft. Dann kommen die Nummer neun bis elf und wir als Nummer 18 der Startliste. Das Frauenteam aus Monte-Carlo qualifizierte sich als Champion des ein paar Monate zuvor ausgetragenen Frauen-Cups direkt für das Finale. Außerdem wurde das Turnier von der Fédération Monégasque des Échecs gesponsort.

Zur Anti-Cheating Kontrolle wurde zum Finale übrigens eine sogenannte Side-Camera gefordert, damit die Schiedsrichter den Spieler von der Seite, den Tisch und den Bildschirm überwachen konnten. Natürlich blieb auch das Teilen des Bildschirms im Zoom-Call notwendig und es durfte nur noch der Tab mit der Turnierplattform Tornelo geöffnet sein. Unsere Spieler waren technisch gut ausgestattet: Vorbildlich natürlich Thies Heinemann, der sich in weiter Voraussicht schon für die Eventualität der Qualifikation eine externe Webcam besorgt hatte! Und auch Julian Kramer fand noch einen alten Laptop, den er einfach neben sich auf den Tisch stellte und der ihn mit überwachte, zuvor abgestimmt mit dem Schiedsrichterteam!

Natürlich schauten wir mit gehörigem Respekt auf die Monsterzahlen und klangvollen Namen unserer Konkurrenten. Als Nummer neun nach Elozahlen wollten wir natürlich zumindest das ein oder andere Team an den Rand einer Niederlage bringen und vor allem schöne Partien spielen und sehen. Und insgeheim hofften wir sogar, dass uns unser Teamgeist auch zu dem ein oder anderen Sieg durchs Finale tragen würde!

Den ersten Tag des Finales kommentierten wir mit Unterstützung unseres Freundes und ehemaligen Spielers IM Steve Berger auf Twitch: Andi Albers durfte auf seinem Kanal von Chess.comde zu Gast sein! Seit Steve Berger mit dem Gymnasium Bornbrook im Team von Christian Zickelbein in den 90ern Deutscher Schulschachmeister wurde, ist viel Zeit vergangen und Steve lebt nun schon seit vielen Jahren in Berlin, doch die Freundschaft bleibt und wir waren sehr glücklich, dass Steve diese Übertragung möglich gemacht hat!

Andi Albers und Steven Berger kommentieren den 1. Tag des Finales.

 

Finale: Runde 1

Und täglich grüßt das Murmeltier: wieder mussten wir in der ersten Runde gegen das russische Team Ladya Kazan antreten! Beide Teams schickten die gleichen Spieler ins Rennen, aber es wurde mit vertauschten Farben gespielt. Am ersten Brett gelang es Nils Grandelius gegen Vladislav Artemiev eine aussichtsreiche Stellung zu erarbeiten! Im 24. Zug opferte er direkt nach dem Damentausch eine Qualität für Läufer und zwei Bauern und hätte danach noch einen dritten Bauern gewinnen können. Doch inzwischen unter großem Zeitdruck entschied er sich für das Dauerschach. Am zweiten Brett bekam Rasmus Svane die ganze Wucht von Gata Kamskys Wut über die Niederlage in den Playoffs zu spüren und verlor. In der Partie von Luis Engel gegen Artyom Timofeev hofften wir noch kurz auf ein kleines weißes positionelles Plus, das aber nicht reichte, so dass auch diese Weiß-Partie Remis endete. Thies Heinemann musste am vierten Brett mit Schwarz gegen Azat Sharafiev ran und hielt sich lange ausgezeichnet. Auch das Leichtfigurenendspiel war noch total ausgeglichen, bis Thies leider die falsche Figur tauschte und dann der weiße Freibauer in der c-Linie zu stark wurde. Mit 1:3 fiel die Niederlage also etwas zu hoch aus, aber auch hier hatten wir wieder gezeigt, dass wir mithalten können!

Das Ergebnis der 1. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

 

Finale: Runde 2

Weiter ging es gegen die englische Nationalmannschaft mit einer „kleinen Verstärkung“ aus Bulgarien, GM Ivan Cheparinov. Eine bärenstarke Mannschaft also, von der wir erwarteten, dass sie um den Titel würde mitspielen können – kleine Einschränkung aber: wir schauten aufgrund des gnadenlosen 15+5-Modus auch immer auf das Alter der Spieler und junge Teams konnten aus unserer Sicht immer einige Elopunkte durch Schnelligkeit und irgendwie wacheres Spiel wettmachen. So hatte Nils Grandelius auch überhaupt keine Probleme, mit Schwarz gegen den Weltklassespieler GM Michael Adams Remis zu halten – es war sogar eher so, dass Adams schließlich mit Minusbauern ins Dauerschach gehen musste. Am zweiten Brett hatte Rasmus Svane in seinem Reti eine vielversprechende Angriffsstellung erreicht: das Qualitätsopfer war aber wahrscheinlich ein bisschen too much und so war es gut, dass sich immer mehr abtauschte, GM David Howell sogar die Damen vom Brett nahm und das Remis dann nur noch Formsache war. Luis Engel spielte gegen GM Gawain Jones eine Seeschlange von 107 Zügen, nachdem er im Mittelspiel einen Bauern gewann und schließlich ein Damenendspiel mit zwei Bauern für Luis und einem Bauern für Gawain Jones entstand. Dann gewann Luis sogar noch den letzten weißen Bauern und alle rechneten mit dem vollen Punkt für den jungen Hamburger. Es gibt jedoch kaum Verstecke für den König und wenn Fortschritt erzielt werden soll, muss einer der Bauern gegeben werden. Dann lief Gawain Jones mit seinem König in die richtige Ecke und nach 107 Zügen wurde automatisch die 50-Züge-Regel angewendet. Luis wusste zu diesem Zeitpunkt zwei Dinge: erstens würde er in der nächsten Runde eine Pause haben und etwas Zeit zum Durchschnaufen und zweitens hatte Julian Kramer am vierten Brett sensationell GM Ivan Cheparinov geschlagen, so dass ein Remis immer für den Mannschaftssieg reichte!

Denn diese Partie haben wir uns natürlich als Höhepunkt dieser zweiten Runde bis zum Schluss aufbewahrt und Julian hat die Partie für uns kommentiert:

Und hier geht es noch zur Analyse von IM Merijn van Delft in seiner wöchentlichen Chessbase-Show (für Playchess-Premium User).

Das Ergebnis der 2. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

Wir waren nach diesem überraschenden Sieg gegen Guilford natürlich bester Stimmung und richtig erleichtert, dass schon zwei Mannschaftspunkte auf unserem Haben-Konto waren. In dieser Verfassung konnte es uns nicht einmal schocken, dass wir es in der nächsten Runde mit der tschechischen Nummer 1 der Setzliste zu tun bekommen würden!

Finale: Runde 3

Und das ambitionierte Team hatte auch noch einmal aufgerüstet: GM Pentala Hariskrishna hatte in der Vorrunde und den Playoffs nur jeweils zwei Mal gespielt, aber gegen die unberechenbaren Hamburger musste man ihn natürlich bringen (Smiley)! Wieder gelang es uns an den beiden Spitzenbrettern, die 27er zu neutralisieren: Sowohl Nils Grandelius als auch Rasmus Svane kamen zu völlig ungefährdeten Punkteteilungen gegen die Weltklasse-GMs Pentala Harikrishna und Santosh Vidit! Und Thies Heinemann bewies am dritten Brett, wie man scheinbar locker-flockig gegen einen Spieler mit fast 200 Elopunkten mehr ausgleicht! In einem sizilianischem Rossolimo strebte er frühzeitig den Damentausch an und konnte danach die Stellung in Balance halten, u. a. da er das wichtige Feld e5 kontrollierte und einen schwarzen Durchbruch verhinderte. Hätte unser ehemaliges Spitzenbrett der Bundesliga – mit Radek Wojtaszek an Brett eins wurden wir 2007 Vizemeister in der Bundesliga – gewusst, was am vierten Brett passierte, hätte er, genau wie die anderen beiden Großmeister, sicher noch etwas länger geknetet: Denn, Duplizität der Ereignisse, wieder war es der glänzend aufgelegte Julian Kramer, der einen Weltklassegroßmeister besiegte und damit den gesamten Klub jubeln ließ, einschließlich Georgios Souleidis und Andreas Albers auf Twitch natürlich!

Und wieder lässt uns Julian am Wechselbad der Gefühle und Stellungsbewertungen während dieser Partie teilhaben, vielen Dank für deine Analyse Julian!

Das Ergebnis der 3. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

So standen wir plötzlich nach drei Runden mit 4:2 Mannschaftspunkten und Siegen gegen die Nummer eins und drei der Setzliste da – ein nie zu hoffen gewagter Auftakt dieser Finalrunde!

Andreas Albers, der sich an diesem letzten Tag ja der Mannschaftsführung im Zoom-Call und auf Whatsapp widmete, konnte nebenbei auch ab und zu einen Blick auf andere Partien der Finalrunde werfen. Hier ein wunderschöner Leckerbissen aus der Partie Mateusz Bartel gegen Vladislav Artiemiev:

Finale: Runde 4

Jetzt waren die anderen Teams natürlich gewarnt und hatten uns auf den Zettel, so kam es uns jedenfalls vor… Die nächste Herausforderung war das starke aserbaidschanische Team Odlar Yurdu: deren Spitzenspieler aus der Weltelite GM Shakhir Mamedyarov hatte in Runde 2 und 3 zwei Nullen eingefangen und deswegen war es natürlich viel zu gefährlich, ihn gegen unser Spitzenbrett Nils Grandelius einzusetzen. So spielte Nils einen Scheveninger-Sizilianer gegen GM Gadir Guseinov und wählte vielleicht mit dem Vorstoß f5-f4 einen etwas dubiosen Plan – der mir natürlich per se sehr sympathisch ist, der aber das Zentrum sehr schwächte und schnell zu großem weißen Vorteil führte. Ebenfalls kurz und schmerzvoll ging es bei Julian Kramer am vierten Brett mit Weiß gegen GM Eltaj Safarli zu Sache, wieder eine Rossolimo-Variante. Diesmal aber wählte Julian in entscheidenden Abtauschsituationen mehrfach nicht die richtige Fortsetzung und ging am Königflügel mit fliegenden Fahnen unter. Thies Heinemann hielt sich mit Schwarz gegen GM Vasif Durarbayli etwas länger, büßte dann aber eine Qualität ein und verlor auch. Bei TheBigGreek auf Twitch verfolgten wir mit großer Begeisterung deshalb die Partie am zweiten Brett zwischen Luis Engel und GM Nijat Abasov, in der in einem klassischen Sizilianer folgende Stellung entstanden war:

Hier spielte Luis den wunderschönen Zug 23. Se4! und nach der Zugfolge 23. …fxe4 24. Lxe4 Tg8 25. Dg5 Le7 26. Dh6 muss man in einer Schnellschachpartie schon mal den Zug 26. … Ke8 finden, denn das ist der einzige Zug, der Schwarz das gewonnene Material sichert. 26. … Tg7 ist auch noch für leichten Vorteil gut, aber der Partiezug 26… Dxc4 verliert!

Leider fand Luis wenig später die richtige Fortsetzung mit einem stillen Zug nicht und flüchtete ins Dauerschach. Sehr schade, aber am Mannschaftsergebnis hätte das auch nicht so viel geändert:

Das Ergebnis der 4. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

Nach vier Runden war an diesem ersten Finaltag Schluss und wir blickten voll stolz auf die Tabelle mit einem ausgeglichenen Punktekonto von 4:4 Mannschaftspunkten – das hätten wir nie für möglich gehalten!

Finale: Runde 5

In der fünften Runde stand erneut das Duell aus den Playoffs gegen den französischen Top-Club Clichy auf dem Tableau: Und das Team kann dann halt auch einfach mal den frisch gebackenen Wijk aan Zee-Sieger, den jungen niederländischen GM Jorden van Foreest, aus dem Hut zaubern, wenn es ins Finale geht! Alle rückten also ein Brett runter und Hamdouchi raus aus der Mannschaft. Aber wir hatten natürlich auch wieder gut geplant und ließen Julian Kramer pausieren, so dass wir uns am vierten Brett auf die Traumpaarung Loek van Wely gegen Thies Heinemann freuen konnten! Dort wurde dann in der Folge ein symmetrischer Engländer diskutiert, der wenig Spektakuläres zu bieten hatte: Aber Thies Heinemann spielte positionell sauber und neutralisierte alle weißen Bemühungen, irgendwie doch einen kleinen Vorteil herauszuquetschen. In der Endstellung steht er vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen besser im Endspiel, jedoch war diese Punkteteilung wunderbar aus unserer Sicht!

Denn zuvor schon hatte Luis Engel mit Weiß gegen GM Amin Bassem (2695 Elo!) eine Glanzleistung hingelegt! Der ägyptische Großmeister wollte im Spanier wahrscheinlich etwas zuviel und schwächte seinen Königsflügel empfindlich: Luis baute eine „Diagonalen-Batterie“ Lc2-h7 und Dc1-Ld2-h6 auf und hebelte dann mit h4-h5 die schwarze Stellung aus! Im 22. Zug wurde die erste Figur auf g5 geopfert, und schließlich stand der schwarze König so mutterseelenallein und nackt da, dass Bassem Amin im 27. Zug die Zeit überschritt – Führung für den HSK!

Die Freude währte nicht sehr lange, denn Nils Grandelius musste sich am Spitzenbrett mit Jorden van Foreests Caro-Kann auseinandersetzen. Es sah eigentlich lange so aus, als ob sich alles in sehr ruhigen Fahrwassern bewegt, aber dann war im 26. Zug ein Bauer weg und, irgendwie magisch, alle schwarzen Figuren standen ideal, um weiter zu drücken und Bauern einzusammeln: im 33. Zug hatte Nils Grandelius genug gesehen und gab auf.

Also richteten sich alle Augen auf die verbleibende Partie von GM Parham Maghsoodloo, der ja in den Playoffs gegen Nils Grandelius den Kürzeren gezogen hatte, mit Weiß gegen Rasmus Svane. Hier sahen die Fans einen Katalanen, in dem Rasmus Svane den genommenen c4-Bauern verteidigte und dann einfach mal zwei Bauern mehr hatte, da der junge iranische Großmeister noch einen ins Geschäft steckte. Doch wieviel waren die wert (Doppelbauer in der a-Linie, dafür aber ein Freibauer, aber schon Entwicklungsrückstand und Koordinationsprobleme für die schwarzen Figuren)? Rasmus Svane hatte das Läuferpaar, gab einen Bauern zurück, wich der angebotenen Zugwiederholung aus und übertrieb es dann leider ein bisschen. Die Stellung kippte zugunsten von Clichy und Parham Maghsoodloo hätte mit schönem Königsangriff zwischendurch auch gewinnen können. Doch mit 15+5, und inzwischen reden wir über die Phase ab Zug 40, hat man meist auch nicht  mehr viel mehr als das Increment zum Nachdenken. Und da geschah es, dass sich das Blatt durch eine vermeintliche Kombination, die aber eine schlechte war, wieder zugunsten von Rasmus Svane wendete und er schließlich mit seinem Sieg den entscheidenden vollen Punkt zu einem abermaligen Sieg gegen Clichy Échecs machte!

Das Ergebnis der 5. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

Jubel auf Twitch und Whatsapp! Vor dem Wettkampf gegen die Ausrichterinnen aus Monaco standen wir mit 6:4 Mannschaftpunkten hervorragend da und freuten uns weiter einfach nur, dabei sein zu dürfen!

Und auch in dieser spannenden Runde gegen Clichy schielte Andreas Albers noch ab und zu auf die Nebenbretter: Hier lässt er uns an einem wahrlich kreativen und verrückten Partiefragment aus der Partie der beiden Weltklassegroßmeister Vladimir Fedoseev und Janek Duda teilhaben:

Finale: Runde 6

Der Wettkampf gegen die Siegerinnen des Frauen-Wettbewerbes war vor dem Finale natürlich der einzige Wettkampf, den wir als halbwegs sichere Bank eingeplant hatten. Jedoch wussten wir natürlich auch hier, dass jeder Moment der Unaufmerksamkeit bestraft werden konnte und dass hier vier Spielerinnen mit viel Erfahrung auf uns warteten. Am Spitzenbrett verstand es die starke russische Großmeisterin mit 2593 Elo, Aleksandra Goryachkina, mit Schwarz, Nils Grandelius Bemühungen in einem Damengambit immer zu neutralisieren. Im entstandenen Doppelturmendspiel musste Nils Grandelius dann sogar noch genau spielen, um das Remis zu halten. Auch Elisabeth Pähtz mit Weiß ließ gegen Rasmus Svane nichts anbrennen und wich im Mittelspiel sogar eine Zugwiederholung aus. Es gab ein bisschen Spiel gegen den schwarzen König, aber da war dann auch schon zu viel getauscht und es drohte beidseitig Dauerschach – 1:1.

Viel spannender ging es an den anderen beiden Brettern zu: Am dritten Brett spielte unsere Freundin und langjährige Bundesligaspielerin GM Monika Socko gegen Luis Engel. Und Luis Engel ist wirklich unser Mann für die Seeschlangen: hier wurde 90 Züge lang gekämpft und wieder wird der Hamburger nach der schließlich vereinbarten Punkteteilung mit einem etwas enttäuschten Gefühl zurückgeblieben sein, denn eigentlich überspielte er Monika Socko nach allen Regeln der Kunst, ließ aber dann noch einmal Gegenspiel zu und die Stellung wurde immer komplizierter. Als sich dann die Reihen lichteten übersah Luis Engel einen allerletzten Trick in der Stellung, der es nochmal spannend und auch sehr schwer machte: Das Endspiel mit Läufer und Bauer gegen drei Bauern wäre immer noch gewonnen gewesen, aber nur bei allergenauestem Spiel. GM Karsten Müller hat dieses und auch das Endspiel am vierten Brett zu einer Endspielanalyse bei Chessbase inspiriert und er kann es natürlich als DER Endspielexperte viel besser und lehrreicher erklären!

Denn nach dieser ausgeglichenen Gestaltung an den ersten drei Brettern musste wieder unser Youngster am vierten Brett die Kohlen aus dem Feuer holen und gegen IM Almira Skripchenkos Pirc ein völlig ausgeglichenes Endspiel gewinnen. Ihm gelang es in einem gleichfarbigen Läuferendspiel den gegnerischen Läufer ins Gefängnis zu stecken und Almira Skripchenko versäumte es, sich zu befreien. Damit feierten wir einen knappen Sieg in einem spannenden Wettkampf und schon ungeahnte acht Mannschaftpunkte!

Das Ergebnis der 6. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

Chessbase: Endspiel-Nachlese mit GM Karsten Müller

Finale: Runde 7

Die siebte Runde sieht auf dem Blatt Papier eigentlich so aus, als wären die Anspannung und die Anstrengung der vorangegangenen Finalrunden zu hart gewesen und als hätte das Team eine kollektive Pause gegen das starke Team Mednyi Vsadnik, Nummer zwei der Setzliste, aus St. Petersburg eingelegt. Dem war aber nicht so!

Lediglich Julian Kramer hatte als Schwarzer gegen GM Aleksandr Schimanov keinen Grund zu lachen, er wurde ziemlich sicher überspielt. In der anderen Schwarzpartie von Rasmus Svane gegen GM Maxim Matlakov sah es optisch auch immer gut aus für Weiß, aber Rasmus Svane entwickelte Gegenspiel und beschäftigte seinen Gegner gut. Als dieser dann mit einem Turmschwenk Ta3-h3 zum Königsangriff ansetzte, blieb Rasmus Svane erst ganz ruhig und die Analyse gibt ihm recht. Jedoch versäumte er dann im richtigen Moment einen wichtigen Figurentausch und danach wurde es schwierig. Zwar gab es auch danach noch Chancen zum Halten, aber da musste man schon sehr, sehr genau spielen. Und das ist im Modus 15+5 natürlich nicht so leicht und so führte ein scheinbar logischer Verteidigungszug plötzlich zu einer völligen Überlastung seiner Stellung, die wenig später zusammenbrach.

Unsere Spieler mit den weißen Steinen hatten da mehr Chancen: Nils Grandelius opferte in einem Spanier gegen Vladimir Fedoseev sehr kreativ eine Figur auf f4, um gleich danach die Damen zu tauschen. Die den Live-Brettern folgende Internet-Community fragte sich, was denn da der Sinn und Zweck sein könnte und sag einige Züge später den Clou: der schwarze König wurde nach h5 getrieben und schon musste Schwarz eine Figur zurückgeben:

Der letzte Zug war 25. Ld1+, bis mindestens zu diesem Schwenk des Läufers musste Nils also die Kombination berechnet haben, als er im 19. Zug den Springer auf f4 hängen ließ! Erzwungen ist 25… Sg4 und der dann korrekte – geniale – Zug ist 26. Kg2! mit Vorteil für Weiß. Leider spielte Nils 26. Sg2 und das Blatt wendete sich zu schwarzen Gunsten.

Thies Heinemann spielte wieder einmal einen Abtausch-Spanier gegen den jungen russischen GM Andrey Esipenko, der vor kurzem Magnus Carlsen over the board in Wijk aan Zee geschlagen hatte. Und man muss sagen, Thies Heinemann machte seine Sache sehr gut! Er vereinfachte stetig und tauschte dann in völlig ausgeglichener Stellung die Damen. Er pflanzte einen schönen Springer-Vorposten nach f5, dem sich Schwarz nur unter Aufgabe des Läuferpaares hätte entledigen können. Außerdem stand der schwarze König noch irgendwie in der Mitte herum und blockierte die Türme. Dann gewann unser Großmeister sogar einen Bauern, versäumte dann jedoch, weiter abzutauschen ein Turmpaar und einen Läufer vom Brett zu nehmen, was ihn dann ziemlich forciert in ein Turm-Läufer-Endspiel mit Mehrbauern geführt hätte. Danach machte er leider ein paar Rückwärts-Züge und dann entfaltete sich plötzlich die ganze Kraft des Läuferpaares und es ging Material verloren, sehr schade!

Das Ergebnis der 7. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

 

Finale: Runde 8

In der achten Runde erwarteten die Zuschauer in den Live-Streams das Duell der beiden deutschen Teams, für viele natürlich der Höhepunkt des Tages!

Und ich denke auch die größten Optimisten hätten nicht damit gerechnet, dass vor dieser achten Runde die Schachfreunde Deizisau mit 11 Mannschaftspunkten das Feld anführen würden! Die Verfolger Clichy und Mednyi Vsadnik hatten 9 Mannschaftspunkte, die Poland Hussards und der Hamburger Schachklub immerhin 8 Zähler.

Die Baden-Württemberger traten mit ihren Top Vier an, ließen also die Großmeister Vincent Keymer und Dimitrij Kollars pausieren und bei uns war Rasmus Svane dran mit einer Pause.

Nur eine Partie des Wettkampfes lässt sich schnell abhandeln: Eine schottische Partie blitzten Julian Kramer und GM Andreas Heimann runter, es wurde viel getauscht und des erreichte Doppelturmendspiel war total ausgeglichen, da Julian Kramer zwar einen Bauern mehr hatte, einer seiner Türme aber am Bauern f2 kleben musste und so der Mehrbauer schnell wieder flöten ging, Punkteteilung. Die andere Weiß-Partie hatte Luis Engel gegen die deutsche Nummer zwei GM Alexander Donchenko zu bestreiten. In der Vorstoß-Variante des Caro-Kann spielte Luis Engel gewohnt umsichtig und doch aktiv und positionell sauber und es gelang ihm, den Springer von Alexander Donchenko auf offenem Brett zu fangen. Aber seht selbst, Luis Engel hat die Partie für uns kommentiert:

Die Führung! Sollte uns wirklich die Sensation gelingen? Am Spitzenbrett spielte Nils Grandlius einen Grünfeld-Inder gegen die deutsche Nummer eins GM Matthias Blübaum, der genau wie unser Spieler am ersten Brett natürlich ein hartes Los gegen die ganzen anderen Weltklassespieler hatte. Das weiße Zentrum in der grünfeldindischen Struktur hätte mir als Schwarz-Spieler so richtig Angst eingejagt, aber Nils Grandelius kennt natürlich solche Strukturen und weiß damit umzugehen! Furchtlos ließ er es zu, dass sich die weißen Bauern nach d5 und e5 vorschoben und suchte Gegenspiel. Und offensichtlich spielte Matthias Blübaum ein bisschen zu prophylaktisch, denn im Mittelspiel hatte Nils Grandelius dann plötzlich die Möglichkeit, den Bauern d5 zu gewinnen. In einer äußerst dynamischen Stellung versäumte es der Deizisauer in einem Moment, die schwarzen Löcher in der Rochadestellung gewinnbringend auszunutzen, aber es gab ein paar mehr Momente, in denen der Hamburger klaren Vorteil hätte erringen können. Eine megaspannende Partie, die dann in einer Zugwiederholung endete, weiter Führung für den HSK!

Und natürlich hatten wir immer auch den ein oder anderen intensiven Blick auf die Partie GM Georg Meier gegen Thies Heinemann geworfen. Besonders Kommentator Georgios Souleidis zeigte sich begeistert ob der positionellen Partieanlage, die Georg Meier mit schlafwandlerischer Sicherheit regelmäßig an den Tag legt. Nur ein klitzekleiner, aber kaum greifbarer Vorteil und wirklich auch sehr genaues Spiel von Thies Heinemann, das ständig das Risiko großer Vereinfachung in sich trug, ließen die Hoffnungen der Hamburger steigen, dass es vielleicht doch zu einer Punkteteilung und damit zu einem knappen HSK-Sieg kommen könnte. Doch Thies Heinemann ließ sich dazu verleiten, im Leichtfigurenendspiel seinen gedeckten Freibauern von h4 nach h3 vorzurücken, von wo aus der nicht mehr beschützt werden konnte. Die Engine sieht zwar immer noch nur einen kleinen Vorteil für Weiß, aber es war wirklich unmenschlich schwer, diese Stellung mit immer knapper werdender Zeit zu halten. Also der Ausgleich für Deizisau nach 85 Zügen und ein weiterer Schritt zum Titel (was uns natürlich auch mitfreute!).

Klar, mit zehn Mannschaftspunkten wären wir vielleicht noch einen Platz im Endtableau nach vorne gerückt, aber so war es auch vollkommen in Ordnung!

Das Ergebnis der 8. Runde der Finales | Bild: chess-result.com

 

Finale: Runde 9

In der neunten Runde traten wir gegen die Poland Hussards an und kamen zum Abschluss noch einmal ganz schön unter die Räder: Nils Grandelius pausierte und Rasmus Svane hatte mit Weiß gegen GM Woijciech Moranda ziemlich Mühe, in seinem Reti etwas zu erreichen. Er opferte einen Bauern auf der Suche nach aktivem Spiel, aber das verkehrte sich ins Gegenteil und er verlor. Bei GM Bartosz Socko gegen Luis Engel hatten wir schon im Mittelspiel das Gefühl, dass unser Freund und Ehemann von Monika Socko Vorteil hatte, denn Luis griff ziemlich wild am Königsflügel an und es sah eigentlich so aus, als könnte sich Weiß gut und gesund verteidigen. Das bewältigte der starke GM mit großer Routine und so stand es 0:2. Am vierten Brett diskutierte diesmal Julian Kramer den Gründfeldinder, hier mit GM Maciej Klekowski. Leider nur war diese Diskussion ziemlich einseitig und Julian kam schon schnell in größeren Nachteil – 0:3 (es kann ja nicht immer laufen…). Unseren Ehrenpunkt bzw. unser Ehrenremis machte in dieser Runde Thies Heinemann, der im Tarrasch-Franzosen sehr sicher den Laden zusammenhielt, aber auch nie eine Tür Richtung Vorteil aufstoßen konnte.

Somit schlossen wir den EOCCC 2021, die Championsleague des Schachs, mit einem ausgeglichenen Punktekonto ab!

Das Ergebnis der 9. Runde der Finales | Bild: chess-result.com
Eva Maria Zickelbein und The Big Greek kommentieren den 2. Tag des Finales.

Die Kommentierung lief am Abschlusstag wieder über den Kanal von Georgios Souleids auf Twitch! Mit großer Begeisterung verfolgten wir 6,5 Stunden das Finale mit den Partien der Hamburger, aber natürlich auch mit dem großartigen Abschneiden von Deizisau, die sich in einer dramatischen Schlussrunde mit einem 2,5-Sieg gegen Ladya Kazan den Titel holten, herzlichen Glückwunsch!

Der Endstand des Finales, mit unserem 6. Platz unter den besten Teams Europas sind wir natürlich hochzufrieden! | Bild: chess-result.com
Die Einzelergebnisse des Finales | Bild: chess-result.com

Die Einzelergebnisse der Finalrunde zeigen natürlich erstens einen sehr viel höheren Eloschnitt der Gegner für unsere Spieler. Was auffällt ist, dass wir die Punkte im Finale sehr effektiv die Punkte verteilt haben, um unsere neun Mannschaftspunkte zu erreichen!
Nils Grandelius und Rasmus Svane hatten an den Spitzenbrettern bärenstarke Gegner und mussten etwas beißen. Luis Engel drehte im Finale richtig auf und machte mit 4 aus 7 unser bestes Resultat – Leistung 2667! Thies Heinemann hatte auch noch einen Schnitt über 2600 und hatte es schwer, wobei auch der ein oder andere halbe Zähler mehr drin gewesen wäre. Und Julian Kramer machte sich und uns natürlich besonders mit seinen beiden Auftaktsiegen glücklich und holte danach auf noch 1,5 Punkte, so dass er auf ein ausgeglichenes Punktekonto und eine Leistung von 2585 kam!

Für uns war das Erlebnis Europacup mit fünf Tagen Schach pur eine tolles Erlebnis und gerade auch die Kommunikation mit unseren Spielern und das gute Verhältnis untereinander haben sehr viel Spaß gemacht! Ich fühlte mich ein bisschen an den European Club Cup in der Türkei im Jahr 2007 erinnert, als wir mit einer Mischung aus Profis und Amateuren antraten, eine tolle Woche hatten und so „ganz nebenbei“ ein junger Spieler seine erste GM-Norm machte, der ein wichtiger Bundesliga-Spieler des HSK und Deutscher Meister wurde, Niclas Huschenbeth!

Wir denken, dass unser junges Team viel Hoffnung macht und es wäre natürlich eine große Freude, im nächsten Jahr mit dem Team den European Club Cup over the board spielen zu können, sollte es möglich sein. Außerdem sind wir in den ersten Planungen für ein GM-Turnier im HSK-Schachzentrum, bei dem sich unsere Spieler und einige Gäste austoben können!

Außerdem hier noch ein ernstes Thema, das nicht so ganz passt, aber das ich nicht so einfach unerwähnt lassen möchte: Nach fünf Tagen Europacup hautnah und regelmäßig ständig wechselnden Stellungsbewertungen der Engines (sprich: wirklich ungenaue Züge und auch Fehler der Protagonisten am Brett) sei mir hier noch folgende Bemerkung gestattet: Es gab im Europacup viel mehr „Fehler aus Engine-Sicht“ als bei einigen Spielern in der DSOL, die mit 500 bis 1000 Punkten weniger als unsere Top-Spieler über mehrere Partien in Folge selten danebengriffen und schlechte Züge bzw. Einsteller sehen ließen. Deshalb mein Appell an die Organisatoren der DSOL und Chessbase, hier in Richtung Anti-Cheating Wirkungsvolleres zu unternehmen und, viel wichtiger noch, mein Appell an alle Online-Spieler: Cheating zerstört unsere tolle Möglichkeit des Online-Schachs! Spielt ehrlich! Sprecht eure Mitspieler an, wenn ihr einen Verdacht habt und klärt Auffälligkeiten, bevor es zur Gewohnheit wird! Kein Amateur-Spieler macht in mehreren DSOL-Partien in Folge keinen einzigen Fehler (im Schnellschach!), während der im Gegensatz in der letzten Saison am Brett die üblich durchwachsenen Partien hat sehen lassen!

Die Teilnehmerurkunde

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