Es lag ein Knistern in der Luft, am Samstag, den 16.03.2024 in der Grundschule Rüderdorf in der Brücknerstraße. Kurz: Vorletzter Spieltag in der zweiten Schach-Bundesliga.
Man konnte die Anspannung fühlen, standen sich doch an diesem Wochenende mit unserem Reisepartner, dem FC St. Pauli, und den Schachfreunden Berlin, der Tabellen-Erste und Zweite im direkten Duell um den Aufstieg in die erste Bundesliga gegenüber.
Dass es am nächsten Tag noch kleinere Fische zu besiegen galt – uns eingeschlossen – SF Berlin vs. HSK 2 sowie ST Pauli vs. Rüdersdorf – war erstmal nebensächlich geworden. GM Rainer Polzin, Mannschaftsführer der SF Berlin, verkündete um 13:35 Uhr vergnügt, dass seine nominellen Bretter 1-8 spielen sollten. Ein wahres Star-Ensemble, zumindest für Zweitliga-Verhältnisse. Die SF Berlin fuhren also alles auf, was der Kader hergab. Ein Line-Up angeführt von 4 Großmeistern jenseits der 2540 Elo Marke. Der Wortlaut “Brett 1 bis 8!” am Schiedsrichtertisch bei der Meldung war in dem ganzen Spielsaal zu hören und ließ die Aula der Brücknerstraße erzittern. Aber nur die Aula, nicht so den FC St. Pauli, deren Mannschaft wenig später durch einen lächelnden IM Benedikt Krause die Bühne betrat. Die Aufstellung wurde zwar nicht mit Brett 1-8 “gecalled”, aber dennoch konnte sich das Line-Up vom FC St. Pauli angeführt von GM Bartosz Socko und etablierten Kräften u.a. “GM in Spee” Aljoscha Feuerstack sehen lassen.
Stille kehrte ein… 13:55, 13:56…13:58 Hamburger Teamfotos?!… 14:00 und es ertönt “Weiß beginnt, Schwarz drückt bitte die Uhr”… los geht’s, das Fest kann beginnen.
Blicken wir zunächst auf unser HSK2-Team. HSK2 reiste professionell am Freitag an und ist hoch motiviert die Augen seiner Fans zum Leuchten zu bringen!
Worum ging es an diesem Doppelspieltag in Rüdersdorf? Die Relegation vermeiden!
Das in Hamburg gefürchtete Wort Relegation ging um. Eine Steigerung wäre noch durch das Wort Abstieg zu erreichen, mit dem wir aber zum Glück schon vorzeitig durch unseren sicheren 6.Tabellenplatz nichts mehr zu tun hatten. Abstieg. Schauder… Abstieg sagt man im HSK-Klubheim schon lange nicht mehr. Es wäre so als würde Harry Potter im Klarnamen von “Du weißt schon wer” in der Öffentlichkeit sprechen und auch er wurde für dieses Verhalten komisch angeschaut. Nun also Relegation, ein Wort was mehr Drohung als Furcht auslöst, aber wir wissen ja, was das im Schach bedeutet.
Mit dem sechsten Tabellenplatz, der uns kaum zu nehmen wäre – selbst mit zwei Niederlagen an diesem denkwürdigen Wochenende, hätten wir wohl sicher die Klasse gehalten. Dennoch mussten wir mit dem 6.Tabellenplatz um die Eintrittskarte in die 2.Bundesliga bangen. Warum?
Relegation! Schauder. Aufgrund der Zusammenlegung der vier 2.Bundesliga Staffeln (Nord, Ost, Süd, West) zu nur noch zwei Staffeln, der Nord- und Süd-Staffel mit jeweils 12 Mannschaften und 11 Runden pro Saison, musste gekürzt werden. Das Motto heißt also aus 4×10 Mannschaften mache 2×12. Kein Wunder, dass die Luft dünner wird. In der Relegation würden uns die Aufsteiger der Oberligen erwarten, die bewaffnet bis unter die Zähne nur darauf warten würden, gestandenen 2.Bundesliga Mannschaften ein Bein zu stellen.
Malte Colpe, als eingefleischtem HSV-Fan und Stammkraft von HSK2, hatte mit dem Wort Relegation wohl am meisten zu kämpfen. Ihm lief bei dem Gedanken vermehrt der kalte Schauder den Rücken hinunter, wohlwissend was die letzten 6 Jahre und Relegationen dem HSV angetan hatten…
MF Merijn Van Delft hatte die Gefahr für unsere Zweite frühzeitig erkannt und unser Line-Up entsprechend bestmöglich aufgestellt. Auch wenn es anfängliche Terminkonflikte zu beseitigen galt und einige Personallösungen zu Lasten unserer OL Mannschaft gingen (Stichwort: Doppelmeldungen), wurde die Aufgabe respektabel gelöst. Letztlich konnte das richtige Line-Up gefunden werden. Der Dank an dieser Stelle gilt insbesondere Merijn Van Delft und Norbert Schumacher, stellvertretend für die Unterstützung aus HSK 3!
Pflichtbewusst und professionell reisten wir, HSK 2, also mit einem jungen Kader am Freitagabend nach Berlin/Rüdersdorf. Selbst einer ‘weselskyschen’ Gefahr eines Deutsche Bahn Streikes, dieser Tage keine Seltenheit, wollten wir mit Prophylaxe entgegenwirken. Die Bahn überzeugte das ganze Wochenende mit überraschend reibungslosen Abläufen und so soll das Lob von Tom Wölk an dieser Stelle Schwarz auf Weiß auch an die DB gehen. Falls jemand von DB mitliest, unsere 1. und 2. Mannschaft suchen noch Sponsoren.
Der Großteil der Mannschaft (Isaac, Malte, Jeremy, Tom, Arne, Frank) reiste per ICE von Hamburg an. Unser Brett 1 an diesem Wochenende, Konstantin Peyrer, kam aus Wien und überraschte uns schon beim Umsteigen Richtung Rüdersdorf am Berliner HBF tief. Wer Konstantin kennt und um seine begnadeten Bahnnetz- und Haltestellen-Kenntnisse weiß, wird an dieser Stelle nicht überrascht sein, dass auch der HBF Berlin tief fest zu seinem Repertoire gehört. Kein Weg ist zu weit für unseren mobilen Wiener und so hielt sich das Gerücht, dass es Konstantin ähnlich leicht falle, uns in beliebigen Bahnnetzen ausfindig zu machen wie seine Partie am Sonntag gegen 2600+ zu remisieren… Ich springe wieder … first things first.
Angekommen am Freitagabend in unserem Hotel, im muckeligen Bildungszentrum in Erkner, ca. 30km östlich von Berlin gelegen und in gut 6km Entfernung vom Spielort des Ausrichters SK Rüdersdorf, läuteten wir vergnüglich einen ersten gemeinsamen Mannschaftsabend ein. Kurz vor Geisterstunde sollte dieser beim Döner-Kebab House um die Ecke enden. Eine niederländische HSK 2 Stammkraft hatte A) mit der Idee geglänzt das letzte offene Lokal für ein paar Blitz-Sessions und konspirative Gespräche aufzusuchen und B) sich um 23:50 kurzfristig an die veraltete Umgangsform eines Hotel Check-Ins sowie deutsche Rezeptions-Öffnungszeiten erinnert, was unseren Heimweg etwas beschleunigte. Der nächste Morgen war um so entspannter. Gestärkt durchs Frühstück im Hotel “Bildungszentrum Erkner”, ging es am Nachmittag bei mittlerweile umschwenkenden Wetter unter regnerischen Bedingungen zum Spielort. Relegation. Regen. Das kennen wir Hamburger. Die feuchte Kleidung sollte bald der Spannung und den sportlichen Tränen in der 2.Liga weichen… Angekommen in der sehr modernen Grundschulaula vom SK Rüdersdorf, fanden wir perfekte Spielbedingungen vor. Ein Lob dafür an den Ausrichter SK Rüdersdorf und sein Orga-Team!
HSK 2 hat nochmal umgeschwenkt. Zwischendurch wurde eine FC St. Pauli Flagge gesichtet, die sich beinahe in unser Mannschaftsbild ‘rein-ge-sneakt’ hätte.
Es sollte ein schöner Kampf gegen den SK Rüdersdorf werden. Schön in dem Sinne, dass unser Brett 1 an diesem Wochenende, IM Konstantin Peyrer, gut aufgelegt war und mit einem frühen Weiß-Sieg gegen den starken GM Marcel Kanarek glänzte und die Marschroute vorgab. Scheinbar hatte sich Konstantin von unserem bisher furios spielenden Brett 1 Nikolas Lubbe inspirieren lassen. Letztendlich können wir uns in dieser Saison über viele Brettpunkte an Brett 1 freuen!
Spielergebnisse der 8.Runde, Samstag den, 16.03.2024 ab 14:00 Uhr:
Gegen 19:30/20:00Uhr war der Kampf zu unseren Gunsten entschieden. Das HSK2 Team überzeugte durch eine geschlossene Mannschaftsleistung und erreicht damit vorzeitig, eine Runde vor Schluss, den sicheren “Hafen”, d.h. Den ersehnten fünften Tabellenplatz. Das bedeutet Klassenerhalt (RdA. Sofern sich HSK1 hält!), auch zu großer Freude von HSK-Fan und Wahl-Berliner Julian Grötzbach, der uns vor Ort mit guter Laune zu Höchstleistungen animierte. Malte Colpe erholte sich gegen 21:30 beim gemeinsamen Essengehen vom Relegationsgespenst, so war es dann aber auch endgültig vertrieben.
Sonntagmorgen, 10:00Uhr. HSK 2 geht vergnügt und mit sichtlich weichender Anspannung in sein letztes Saison-Match gegen die hoch favorisierten Schachfreunde Berlin. Mit den vier Großmeistern, weit über 2500 Elo an den ersten Brettern, wollten die Berliner ihre Aufstiegsambitionen vom Samstag wahren. Die SF Berlin taten auch gut daran, lagen sie doch nach dem 4:4 vom Vortag gegen ihren direkten Konkurrenten und beflügelten FC St. Pauli (42,5 Brettpunkte) mit 40,5 Brettpunkte ganze zwei Zähler in der Blitztabelle zurück.
Um es nicht weiter schön zu reden, es wurde hässlich an unseren Brettern. Auch wenn zum Teil die Braun-weiße FC St. Pauli Flagge hinter uns geschwenkt wurde, um uns Caissas Segen zuzuwehen – St. Pauli zitterte auch bei unserem Mannschaftskampf um jeden halben Brettpunkt, waren sie im Fernduell mit den SF Berlin doch so wichtig – brachen doch die meisten unserer Brett-Stellungen auseinander. Letztlich kamen wir mit Mühe auf 3 Remisen, bei denen jedes Einzelne, wie ein Sieg vom FC St. Pauli gefeiert wurde und für neue Sphären auf der Glücksgefühlsskala sorgten.
Spielergebnisse der 9.Runde, Sonntag den, 17.03.2024 ab 10:00 Uhr:
Boom! 1,5-6,5. Was für eine Schelle. Das tat weh, aber das Line-Up auf beiden Seiten war sehenswert. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Wind, der in der kommenden 2. Bundesliga Nord Saison wehen wird?
Who cares! Eine gute und lehrreiche Erfahrung für unser junges HSK2 Team!
Es hätte auch noch schlimmer ausgehen können. Hier hat der Autor dieser Zeilen viel Glück auf seiner Seite gegen den jungen, talentierten Spieler Emil Schmidek, von den Schachfreunden Berlin:
Schmidek,Emil (2439) – Bracker,Frank (2295) [D35]
2.Bundesliga Nord (9.7), 17.03.2024
20.Bh7+!! Asta la vista. Say goodbye. [20.Rb1?? Die Partiefortsetzung. Lucky me! ½–½ (42) Schmidek,E (2439)-Bracker,F (2295) 2.Bundesliga Nord 2024] 20…Kxh7 [20…Kf8 21.Rxc6! bxc6 (21…Bxf4 22.Qc5+!+–) 22.Qc5+!+–] 21.Ng5+ Kh8 22.Nxf7+ Kg8 [22…Kh7 23.Ng5+ Kg8 24.Qxe8#] 23.Nxh6+ Kf8 [23…gxh6 24.Qxe8+] 24.Qf7#
Der sichere Hafen und 5. Platz für unsere Zweite wurde erreicht. HSK2 ist glücklich und wir können sehr zufrieden mit diesem Saisonabschluss sein!
Unsere Herzlichen Glückwünsche gehen an unseren Reisepartner, den FC St. Pauli, zum erstmaligen Aufstieg in die 1.Schachbundesliga! Es war inspirierend die Willensstärke und den sportlichen Kampfgeist des Teams mitzuerleben.
HSK 2 Einzelkritiken: Stark von Nikolas nach dem unglücklichen 0/2 Start noch ganze 5/7 an Brett 1, Respekt! Tom überzeugte mit 5,5/9 und damit starken +2 gegen gute Gegner.
Grüße von HSK2, i.V. Frank Bracker