Am 24. und 25. März fanden die Runden sieben und acht der Frauenbundesliga statt. Wir reisten voller Selbstbewusstsein nach Karlsruhe, um nach einer bisher erfolgreichen Saison mit nur einem Minuspunkt auch gegen die Gastgeberinnen und Baden-Baden zu bestehen. Für den Spitzenkampf am Sonntag hatte ich mir etwas besonderes einfallen lassen. Alle Fotos: Georgios Souleidis
Als Teamchef sehe ich meine Aufgabe nicht nur darin die gesamte Organisation für jedes Spielwochenende zu übernehmen – was schon recht viel Arbeit ist, sondern vielmehr darin einen starken Kader aufzubauen und für jedes Spielwochenende ein Team aufzustellen, das gegen jedes andere Team bestehen kann. Die Saison 2023/24 verlief in diesem Sinne vor Karlsruhe fast perfekt und mit dem nötigen Glück hatten wir nur einen Punkt gegen Schwäbisch Hall abgegeben.
Es war klar, dass ich auch gegen Baden-Baden ein starkes Team auf die Beine stellen wollte, um die Chance auf einen Sieg zu nutzen, auch wenn sie klein erschien. Schließlich kann Baden-Baden theoretisch mit einer Weltauswahl antreten und schlimmstenfalls immer noch mit sechs Brettern, die uns “nur” an jedem Brett etwas überlegen sind.
Vor dem Kampf gegen Baden-Baden stand allerdings die Pflicht gegen den Karlsruher SF auf dem Programm. Alles andere als ein klarer Sieg wäre eine Enttäuschung gewesen, da wir an jedem Brett deutlichen Vorteil hatten. Beim 5:1 gaben nur Zsoka Gaal und Judith Fuchs einen “Halben” ab. Insbesondere Judith war unzufrieden, doch als Teamchef schaue ich auf das Gesamtergebnis und das schmeckte gut, genau wie das Abendessen im eritreischen Spezialitäten-Restaurant Mogogo.
Seit gut zwei Monaten wusste ich, wie ich dieses Wochenende bestreiten würde. Ich hatte unser Spitzenbrett Monika Socko gefragt, ob sie nur für die eine Partie gegen Baden-Baden aus Polen anreisen möchte. Trotz ihres Geburtstags gefiel Monika die Idee und sie packte das Gepäck. Sie verbrachte den Samstag Nachmittag in aller Ruhe im Hotel und bereitete sich auf Elisabeth Pähtz vor, die vermutlich nichtsahnend noch ihre Partie gegen Solingen bestritt. Am Sonntag morgen dankte ich Monika schonmal mit ein paar Pralinen und griechischem Gebäck für ihren Einsatz. Das Ständchen hatten zum Glück Familie Papp und Judith übernommen.
Tatsächlich klappte die Überraschung. Im Spielsaal spürte ich, dass u.a. Elisabeth, Dinara Wagner und Josefine Heinemann nicht mit unserer Aufstellung gerechnet hatten. Das Match begann vielversprechend für uns. Insbesondere an Brett zwei verbrauchte Dinara gegen Eline Roebers sehr viel Zeit in der Eröffnung. Eline ist dafür bekannt, sich sehr intensiv auf ihre Gegner vorzubereiten. Sie überraschte die deutsche Nr. 2 mit einer seltenen Variante gegen Najdorf und mir war klar, dass sie großen Vorteil aus der Eröffnung herausgeholt hatte.
Die erste Partie endete allerdings an Brett fünf. Ich hatte beim Abendessen die Marschroute klar festgelegt und gesagt, dass ich schnelle Punkteteilungen nicht gutheiße. Melanie Lubbe lehnte das frühe Remisangebot von Ketino Kachiani-Gersinska dementsprechend ab, nur um sich einige Züge später in einer positionell schlechteren Stellung wiederzufinden. Zu unserem Glück wiederholte Kachiani-Gersinska die Züge in einer Stellung, die man objektiv mit Weiß hätte weiterspielen müssen. Gut für uns!
Die Partie an Brett sechs zwischen Judith Fuchs und Josefine Heinemann endete ebenfalls remis. Allerdings verpasste Judith einen recht einfachen Sieg, was wir aber alle viel später feststellten. “Josi” hat diese Partie auf ihrem YouTube-Kanal analysiert.
Das nächste Remis folgte an Brett drei zwischen Divya Desmukh und Zsoka. Zsoka hielt mit Schwarz super mit gegen die junge indische Spitzenspielerin, der eine große Karriere bevorsteht. Am Ende dachte ich, das Zsoka trotz einem Minusbauern dank ihrer starken Dame und der besseren Leichtfigur hätte weiterspielen können, doch letztendlich ging das völlig in Ordnung.
Dann schlug die große Stunde von Eline. Sie hatte frühzeitig die Weichen auf Sieg gestellt gegen Dinara und ließ die gesamte Partie über nichts anbrennen. Tolle Vorbereitung, viel Einsatz, verdienter Punkt und die Führung für den Hamburger SK. Diese junge Dame macht Laune.
All das geschah in Zeitnot an allen verbliebenen Brettern und ich schlich hin und her, um mir einen Überblick zu verschaffen. Superspannend verlief es an Brett vier zwischen Sarah Papp und Antoaneta Stefanova. Die Könige waren heterogen postiert und die Stellung öffnete sich immer mehr. Es war unübersichtlich und unklar, wer hier welchen König zuerst erlegt. Sarah verpasste in Zeitnot tatsächlich ein Matt, wie mehrere Spielerinnen im Nachhinein erzählten, und erlaubte Stefanova stattdessen die Partie mit 1-2 taktischen Schlägen für sich zu entscheiden.
In der Zwischenzeit passierte allerdings so viel an Brett eins, das man es kaum in 1-2 Sätzen zusammenfassen kann. Monika hatte irgendwann im Mittelspiel remis angeboten, doch Elisabeth hatte völlig zurecht abgelehnt, da sie mit Weiß etwas besser stand. In Zeitnot hatte ich immer noch den Eindruck, dass sie am Drücker ist, doch dann ließ sie zu, vielleicht unnötig, dass Monika mit ihrer Dame und ihrem Turm eine Mattdrohung aufstellt.
Die deutsche Nr. 1 hatte weit gerechnet und opferte ihre eigene Dame, um die Mattdrohung abzuwehren. Dafür erhielt sie mit Turm, Springer und Läufer sehr viel Material. Glücklicherweise stellte sich für uns heraus, dass hatte ich zuerst gar nicht gesehen von der Ferne, dass Monikas Dame superaktiv ist und die gegnerischen Figuren total unharmonisch in der Gegend platziert sind. Es dauerte nicht lange, bis Monika ein paar Bauern einsammelte und kurz nach dem 40. Zug ihre Gegnerin zur Aufgabe zwang.
Nach diesem völlig verdienten Sieg stehen wir punktgleich mit Schwäbisch Hall, aber mit 3,5 Brettpunkten weniger, auf Platz zwei der Tabelle. Einen Punkt hinter uns rangiert Baden-Baden. Diese drei Teams kämpfen bei der verbleibenden zentralen Endrunde vom 7. bis 9. Juni in Bad Königshofen um den deutschen Meistertitel. Die letzte Runde wird wohl die Entscheidung bringen. Schwäbisch Hall spielt gegen Baden-Baden, während wir auf Bad Königshofen treffen.
Der Hamburger SK ist in der eingleisigen Bundesliga weder bei den Herren noch bei den Frauen jemals deutscher Meister geworden. Bei den Herren muss man bis ins Jahr 1958 zurückgehen, lange vor der Einführung der eingleisigen Bundesliga im Jahr 1980. Bei den Frauen muss man nicht ganz soweit zurück. 1990 und 1991 gewann der HSK die deutsche Meisterschaft, just bevor die jetzige Bundesliga mit zwölf Teams eingeführt wurde.
Es wird Zeit, Geschichte zu schreiben!