Hamburger Schachklub von 1830 e.V.

Königlich in Fantasie und Logik

Offener Spielbetrieb, auch für Gäste: Jeweils Dienstag & Freitag von 19:00 – 22:00 Uhr bieten wir einen offenen Spielabend an! Wir freuen uns über alle Interessierten, die uns kennenlernen möchten. Wir bitten um Anmeldung über schachklub@hsk1830.de.

Bericht vom Klubturnier: 5. Runde in der B1 – ein verwirrender Läufer auf d3!

Die fünfte Runde der Klubmeisterschaften fanden am Dienstag, 4. November 2025, im HSK statt. Gegen Leonard Mücke ging es für mich, Bendix Perschk, mit Weiß in eine Pirc-Verteidigung. Ich hatte mir vorher die Pirc-Verteidigung durchaus angeschaut, und sozusagen aus der Mücke einen Elefanten gemacht 😉 Auch im Pirc gibt es eine Drachen-Variante. Diese ist aber ungleich weniger bekannt als seine sizilianischen Artgenossen. Wir hatten in der Eröffnung:

Weiß ist hier am Zug. Man sollte hier keinesfalls auf d6 nehmen, da …Sxe4! droht! Entsprechend zeigt der Computer auch Ld3, um dann mit De2, Le3, 0-0, a3 und b4 gegen die schwarze Dame fortfahren zu können, die bis dahin ja auf c5 genommen haben wird.

Witzigerweise habe ich den Läufer dann auch vom 7. bis zum 38. und letzten Zug auf d3 gelassen. Der hatte nur die ganze Zeit den Job, den e4 zu decken, und irgendwann in ferner Zukunft mal f5 vorzubereiten! Und so kam es dann auch. Wir luken nochmal rein:

Schwarz hat hier gerade …Db7 gespielt. Die Dame steht erstaunlich gut auf b7, das kann man sich merken, wenn man mal diese sehr offensive Pirc-Variante mit Schwarz spielt. Die schwarze Dame auf a5 wird auch in fast allen Großmeister-Partien früher oder später verjagt, daher ist die Felderwahl hier sehr wichtig.

Leonards Pläne in der Eröffnung können hinterfragt werden: sein …e6 mochte die Engine nicht, auch hat er mit …Lg4 und …Lxf3 (deshalb steht meine Dame auf f3!) zwar erfolgreich seinen schwachen weißfeldrigen Läufer abgetauscht, dafür aber auch zwei Tempi verschwendet, rechnet man …e6 dazu sogar drei. In seiner Stellung spielen eigentlich nur die Springer richtig mit. Seinen fianchettierten schwarzfeldrigen Läufer habe ich durch Ta2 (um der Sicht besagten Läufers zu entgehen) nebst Se2 erfolgreich verschlechtert – dieser Läufer spielt erstaunlich wenig mit! Die Engine mochte meine Manöver bis hierhin sehr, und zeigt 98% Genauigkeit (nur mein Turm steht auf c4 bescheiden. Wieso steht der Turm dort? Nun, ich hatte gesehen, dass er …Sb6 hat, Weiß antwortet mit Tc1 und im nächsten Zug Tac2 und verdoppelt die Türme, behält aber gleichzeitig seinen Läufer auf d3, um den e4 weiter stabil zu halten. Dieses Konzept wird aber von der Engine als Papiertiger eingestuft, Weiß hätte mit dem Läufer statt Turm auf c4 schlagen sollen).

Wie dem auch sei, hier spielt Weiß erfolgreich einen positionellen Blunder mit 21. Df2? Was macht dieser Zug? Nun, er nimmt …Sb6 aus der Position, da ich aber, wie gerade beschrieben, sowieso Tc1 machen wollte, war dieser Zug schlicht unnötig! Leonard antwortet hier völlig richtig mit einem sehr kleinen, aber feinen Zug …a5!

Ich muss schon sagen, es ist fast schon lächerlich, wie viel Panik ich nach …a5 bekommen habe. Es gibt schlicht keine gute Antwort auf diesen Vormarsch des Bauern. Die Engine möchte den schwachen weißen b4-Bauern mit b5 opfern, aber auch hier steht Weiß nicht besonders toll. Wenn Weiß nichts macht: Schwarz schlägt auf b4 und Weiß kann nicht nehmen, wegen der Fesselung des Turms auf a2. Auch bxa5? sieht übermütig aus; Weiß öffnet unnötig die B-Linie und gibt schwarz in manchen Positionen …Db1+!

Ich spielte pragmatisch (ein anderes Wort für schlecht :-P) mit 22. Txc6?? Txc6, 23. b5 Tcc8, 24. a4 Sc5, 25. Lxc5 (erzwungen!) Txc5.

Leonard hatte mich nach 25. Zügen erfolgreich überspielt, obwohl er außer …a5 eigentlich gar nicht viel gemacht hatte in dieser Partie! Was nun aber auf der f-Linie geschah, war ebenso absurd wie komisch:

Ich hatte mich zurück in die Partie gekämpft und es geschafft, ihn dazu zu bewegen, die Qualität zurückzuopfern, nachdem ich mit meinem Springer nach d4 und c6 gehopst bin. Der Springer auf c6 mit Blick auf a5 war ihm wohl zu stark, sodass er Turm für Springer und Bauer gab. Wir hatten kurz danach:

Hier spielte ich gerade 32. Tb2! Dies droht eigentlich „nur“ Tb8+, aber nur weil ein Zug nur eine plumpe Idee hat, muss er ja nicht gleich schlecht sein. Ich möchte den Leser darauf hinweisen, dass die Engine hier eine Bewertung von 0.00 gibt. Es liegt allerdings viel dynamisches Potenzial in der Luft. Er patzte in großer Zeitnot mit 32. …Dc3? Ich antwortete natürlich mit 33. Tb8+! Kh7.

Und nun das Unglaubliche:

Weiß gewinnt hier locker mit 34. fxg6+! Nach…fxg6 einfach 35. Df7 mit der Drohung Dg8#, und falls 35 … Dc8 36. Txc8 gibt Schwarz sofort auf. Falls aber 34. fxg6+ Kxg6 dann natürlich 35. Df5#. Es ist unglaublich, dass ich diese simplen Taktiken nicht gesehen habe. Ich glaube ich war gehemmt dadurch, dass mein Läufer auf d3 hing und ich nur noch wenige Minuten auf der Uhr hatte. Dennoch macht es Sinn, sich hier eine Minute zu nehmen, und die beiden Matt-Linien durchzurechnen. Das ist ja nun kein Hexenwerk.

Ich spielte aber völlig unnötig 34. f6??? Auf den Bock, den ich damit geschossen habe, wäre so mancher Jäger stolz gewesen:

Nun, hier schlägt Schwarz am besten einfach den Läufer! Denn nach 35. fxg7 einfach Kxg7, Weiß versucht 36. Tb7, um den vom König bewachten f7 anzugreifen, Schwarz pariert nüchtern mit 36. …Dc4!! Und Schwarz hat sechs Bauern, Weiß nur noch vier, das ist wahrscheinlich ist verloren.

Leonard hatte allerdings Angst, meinen Läufern zu schlagen, und spielte achtlos 36…. Lh8? Dieser Fehler führt sofort zum Verlust:

Weiß hat hier zwei schöne Wege, um zu gewinnen, und einen, um spektakulär zu verlieren.

Denn wer hier denkt, Dh4! gewinnt, (mit der Idee Turm schlägt Läufer, dann Dame schlägt auf h6 mit Schach, dann Dg7 Matt), der wird von …Dd2 kalt überrascht! Schwarz deckt einfach den h6 und der Vorteil von Weiß ist dahin. Es gibt eine schöne Weltmeisterschaftspartie Anand-Carlsen, indem Carlsen genau dieses Konzept nutzt – ein einzelner Verteidigungszug der Dame gewinnt die Partie für Carlsen! Einfach mal auf YouTube schauen … 😉 Anand gab in der Partie zitternd und geschockt auf!

Die Engine mag Da2, mit schöner Übersicht (die Dame schaut auf der Diagonalen nach f7, den Schwarz nun kaum noch decken kann). Ich spielte hingegen Da7, ebenfalls gewinnend, und antwortete korrekt auf …Dc7 mit Tb7! Weiß greift seitwärts auf dem 7. Rang an und gewinnt.

Sowohl …f6 als auch …Lh8 waren spektakuläre Blunder, die man tunlichst vermeiden sollte. Mit 4 von 5 Punkten vom Schachturnier grüßte euch euer Bendix.

 

Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank, lieber Bendix, für diese lebhafte und mitreißende Analyse! Und mit 4 aus 5 grüßt du nicht nur vom Schachturnier, sondern auch von der Tabellenspitze! Philipp Cramer hat noch eine Partie weniger, könnte also noch zu ihm aufschließen.

Zwischenstand aus der B1-Gruppe – Bendix Perschk auf dem Weg in die A-Gruppe 2026!?

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