Obligatorischer Hinweis, dass ich keine K.I. bin, auch nicht der Osterhase, sondern persönlich am Oster-Open teilgenommen habe 😉 Wenn man mich nicht gesehen hat, liegt das daran, dass ich nie an den interessanten Top-Brettern mitgespielt habe. Ansonsten bin ich als recht stämmiger Zeitgenosse immer gut irgendwo zwischen jungen Hüpfern („Kaninchen“) und erfahrenen Senioren („Osterhasen im Ruhestand“) zu finden. Oder man schaut auf den Brettern nach verrückten, farbenfrohen Varianten, in denen keine Seite ahnt, was gerade passiert. Beides ist möglich!
Einleitung

Hier mein Bericht zum fantastisch organisierten Oster Turnier 2025 im HSK. Ein großes Shout-Out an Evi Zickelbein, Andreas Albers und das gesamte Schiedsrichtergespann. Ihr seid der Wahnsinn! Egal ob Brötchen schmieren, Kasse verwalten, Spaghetti Bolognese oder Chili con Carne zubereiten, oder einfach nur da sein und gute Stimmung verbreiten, ihr habt es einfach drauf. Die Schiedsrichter mussten wegen sehr sehr fairen Spielweisen kaum eingreifen. Probleme mit Hooligans, die über das Spielfeld laufen, sind im Schach generell selten. Und der ganze Raum war schön mit Ostereiern und Dekorationen geschmückt. Es sollte somit der Rahmen wunderbar gesetzt sein für ein großartiges Turnier. Als Favoriten wurden, wie immer, Malte Colpe, Henning Holinka und wie sie alle heißen gehandelt 🙂 Spieler, die durchaus wissen, wo das Matt – als metaphorisches Synonym zum Fußballtor – steht.
Schachlich werden einige Dinge dabei sei kann, die man von mir lernen kann, und einige, von denen man dann immerhin eher lernt, wie man Schach nicht spielt. Der Leser wird die Erkenntnis vermutlich in Letzterem finden 😉
Denn, liebe Schachfans, euer Osterhase Bendix hat schachlich in seinen Partien einige dicke Eier gelegt. Und die Suche nach vorteilhaften Stellungen gestaltete sich schwierig. Zu Hause ein Schokoladen-Ei zu Ostern zu finden ist leichter!
Dennoch gute Unterhaltung und schöne österliche Grüße wünscht euch euer Bendix, der im Folgenden seine Perspektive zurückblickend auf das Turnier teilt:
Runde 1 – Caro Kann … ( … wie immer gar nichts)
Plan war, im ersten Turnier überhaupt konsequent auf 1. e4 zu setzen. 1. d4 ist ja eher was für Linkshänder, und 1. c4 hört sich schon vom Namen eher nach Dynamit als nach Schach an. (Zephyr).
Erstens e4 hingegen ist ein Zug, der einen viel breiteren Spielbaum bietet als das Vorschieben des Damenbauern. Und was machen Gegner heutzutage gegen diese Dynamik? Genau, sie spielen alle Caro-Kann. Gegen mich jedenfalls ist es die mit Abstand prominenteste Variante.
Nun habe ich mich von den Main Lines verabschiedet, weil ich nach 1. e4 c6, 2. d4 d5, 3. Sc3 de, 4. Sxd4 Sf6 5. Sxf6 exf6 immer seeeeehr zähe Partien habe. Gegen 4. … Lf5 spiele ich tatsächlich sehr gerne mit der Flohr-Variante 5. Sh3, aber die Springer-Variante von Schwarz ist schon sehr langweilig und nervig.
Also habe ich den Hillbilly-Angriff gespielt. Eine höchst dubiose Variante, die aber viele Gegner schockt:
„Hillbilly, das Wort kenne ich doch irgendwo her?“ Ja, richtig, nämlich vom Bestseller „Hillbilly-Elegy“ von keinem anderen als US-Vizepräsident J.D. Vance! Der hat nämlich seine Kindheit unter so genannten Red Necks, also etwas derberen Zeitgenossen, verbracht, und darüber ein Buch verfasst.
Und der Angriff von Weiß hier ist in der Tat derb! Es droht ein halbes Matt auf f7, und Schwarz greift hier immer zu 4. … g6 und … e6. Ich wollte gerne e6 sehen, damit ich in Ruhe Sc3 spielen kann. Aber nach g6 geht die Dame nach h4, greift den Bauern an, wartet auf Sf6 von Schwarz, welches den Bauern halten will, und spielt dann Sc3. Insofern ist es per Zugumstellung eigentlich dasselbe. Übrigens kann Schwarz, statt den Springer auf f6 zu stellen, auch einfach 5. …Lf5 spielen! Dies aber nur in der 4. …g6-Variante, in der e6-Variante ist der weißfelsige Läufer ja hinter seinem eigenen Bauern eingeschlossen 😉
5.… Lf5 ist eine reine Engine-Variante, die Stockfisch mit -1 für Schwarz bewertet. Das aggressive 6. g4! Bringt nichts für weiß! Traut sich mit Schwarz niemand so zu spielen, ist aber wahr. Probiert es selbst mal aus.
Wie dem auch sei, er fianchettierte seinen Läufer und ich habe jetzt nur einen Zug, der für Weiß ausgleicht: 5. f3! Mit dem Bauernopfer, später, dann d3 und Lh6! hat weiß gutes Spiel gegen die schwarzen Felder und freut sich auf h4 und h5.
Und, welchen Zug habe ich vergessen zu spielen?
Genau, f3! 🙁
Nachdem ich auf e4 gierig wie ein Schokoladen-Eier-suchendes Eichhörnchen nahm, tauschte Schwarz die Springer und spielte dann doch … Lf5! Nachdem ich die Dame nach b4 stellte (völlig idiotisch) hat er mit …Dc7 und …a5 meine Dame angegriffen, die dann immer auf dem 4. Rang hin und her hüpfen musste. Ein buchstäbliches Trauerspiel. Übrigens kann Schwarz sogar direkt …a5 spielen, also ohne den b7 zu bewachen, so schlecht ist die weiße Stellung.
Habe gespielt, wie JD Vance aufgewachsen ist – derb, vorlaut, rumpelig. Der Hillbilly-Angriff machte seinem Namen alle Ehre!
Im Endspiel dann gab es noch eine Interessante Situation:
Weiß ist „am Zug“, wie ein Passagier, der zu Ostern mit der Bahn nach Hause möchte. Ich habe hier, etwas hyperaktive den König mit in die Schlacht nach f3 geschickt. Wahrscheinlich habe ich zu viel Game of Thrones geschaut, da kämpfen die Starks auch immer an der Front mit. Oder ich hatte einen Schokoladen-Ei-bedingten Zuckerschock. Jedenfalls sollte weiß hier b4 spielen! Dies gleicht strategisch aus! Warum b4 so stark gewesen wäre, und Kf3 so schwach war (und tatsächlich auch verlor) überlasse ich dem Leser!
Es ist und bleibt ein Kreuz gegen Caro-Kann! Caro kann … mir erst einmal eine Weile gestohlen bleiben… 🙁
Bendix hat 0 aus 1 und geht erbost in die zweite Runde:
Runde 2 – Schwarz gegen Bird-Eröffnung
Mit 1. f4 spielte Gegner Rudolf Kock die Bird-Eröffnung, und machte mich somit zum Ornithologen. Ornithologie ist der Zweig der Zoologie, der sich mit Vögeln befasst (Allgemeinwissen auf ca. 64.000€-Niveau bei Wer-Wird-Millionär).
Nun denn, ich spielte einen Grünfeld-Aufbau mit Schwarz:
Schwarz steht hier besser. Später hatte ich noch eine Dame auf D5, was kein sehr inaktives Feld für eine Dame ist. Auf einer Skala von Bibliothekarin im Vorruhestand bis Taylor-Swift-Konzert, was Damen-Aktivität angeht, schon eher Letzteres. Die Dame vertrieb er dann mit 2 völlig unnötig investierten Tempi Df3 und Dxd5. Außerdem hatte ich eine Leichtfigur. Um genau zu sein einen Extra-Springer. Mit 2 Springern vor dem König fühlt es sich an, als säße Gaius Julius Caesar (*) in einem Streitwagen. Ich gewann komfortabel.
(*) Nach welchem römischen Kaiser, liebe Kinder, wurde wohl der Monat Juli benannt? Hinweis: Es war nicht Kaiser Augustus, der hat schon einen anderen Monat für sich in Anspruch genommen … 😉 . Wer-wird-Millionär Stufe ca. 125.000€.
Bendix hat 1 aus 2 Punkten. Die Menge applaudierte, und mit Menge meine ich niemand.
Runde 3 – Weiß gegen Pirc-Verteidigung
In Runde 3 ging es gegen den aus Syrien stammenden Ahmad Hajjar. Ein unglaublich freundlicher Herr, lächelnd, intelligent, höflich. Ich finde, da macht die Partie auch etwas mehr Spaß.
Kriegsherr Ahmad kommandierte seine schwarzen Steine in eine Pirc-Verteidigung hinein. Das ist auch ein gutes, flexibles System, allerdings sollte Schwarz hier nicht … Ld7 spielen und nicht …e6 spielen, sondern …e5! Anders gesagt: Stelle als Schwarzer in Pirc / Königsindisch bitte nichts anderes auf d7 außer einen Springer! J
Schließlich kennen wir doch sicher alle aus dem königsindischen die Partien, in denen Schwarz das d7-Feld braucht. Z.B. durch Züge wie … e5, … beide Springer nach d7 und e7, dann …f5 und … Sf6! Also spielte strategisch etwas zwielichtig, was wir hier sehen:
Weiß hat einfach gutes Spiel. Man kann Lh6 probieren, man kann sich Platz mit a5 holen, man kann irgendwann entweder d5 oder e5 spielen. Es gibt fast schon zu viele gute Varianten!
Das Spiel entwickelte sich wie folgt:
Hier gibt die Engine +1 für den besten Zug in der Stellung: d5. Naturgemäß spiele ich niemals den besten Zug (außer 1.e4) und spielte daher natürlich d5!
D5 ist schwach, weil schwarz einfach schlagen kann. Nimmt weiß zurück mit ed, spielt schwarz das Pferd nach e7, greift mit beiden Pferden an. Der d5-Bauer wird von den wütenden schwarzen Hengsten totgetrampelt – die Partie wäre wohl Remis verlaufen.
Er spielt aber … Se5! Ich nutzte seinen Patzer für einen Vorstoß meines E-Bauern. E wie Einfach mal gewinnen, Digger!
So langsam zeichnet sich ab, warum weiß perspektivisch die Dame opfern kann! Denn Schwarz am Zug spielt natürlich den einzigen Zug … Te8, und weiß bedient sich auf d6.
Schwarz will dann den weißen Bauern, der sich doch recht unbequem tief in die Stellung gegraben hat, schlagen und stellt die Dame nach b7, um ihn zweimal anzugreifen. Doch weiß kontrolliert die lange Diagonale und schielt mit seinem Läufer nach a8…
Eine beispielhafte Fortführung sähe dann folgendermaßen aus:
Weiß hätte verbundene Bauern auf aggressiv-dreinschauenden Feldern, ein Monster-Läuferpaar und Druck auf a6. Die Engine gibt nur leichten Vorteil für Weiß, aber ich bin sicher, dass dies die spannendste Variante gewesen wäre.
Statt dieser verrückten Variante spielte ich, langweilig wie ich nunmal bin, 21. e5, wir tauschten alles ab, und ich gewann das Endspiel. Man sollte noch erwähnen, dass Schwarz im Endspiel genau einmal hätte remisieren können:
Weiß bietet, das erkennt der geübte Leser, Schach. Schwarz sollte den König tunlichst nach h6 stellen! Alles andere verliert. Nach dem Seitensprung des Königs tauscht Schwarz in vielen Varianten seinen B-Bauern für den C-Bauern des weißen und hält, wenn auch mit Mühe, das 2 gegen 3-Bauern Endspiel auf der Königsseite.
Bendix triumphiert und hat 2 aus 3 Punkten!

Runde 4: Mit weiß gegen das Traxler-Gegengambit:
Ich bin Weiß gegen den geistig noch extrem rüstigen Thomas Schiller. Dieser ist noch nicht im Spätherbst seiner Karriere, aber auch nicht mehr im blühenden Frühling. Trotzdem spielt er, auf einer Skala von Colle-System (oder wie ich es nenne: Rentner-System) bis Königsgambit noch unglaublich aggressives Schach.
Man richte sein Augenmerk auf folgende verblüffende Stellung:
Thomas hatte mit 4. … Lc5 ein dickes Überraschungsei für mich parat! Den Traxler-Gegenangriff! Dass ich das nochmal erleben darf… Der Traxler-Gegenangriff ist so ziemlich das Gegenteil von Caro-Kann. Ich war positiv überrascht, aber auch geschockt, diesen Zug zu sehen.
Weiß muss sich hier nur eine Sache gut merken: Man nimmt mit dem LÄUFER auf f7. Dies sogar mit Schach. Dann geht der weiße Läufer zurück nach c4. So schwer kann das nicht sein, oder?
Also, Bendix, nimm mit dem L-Ä-U-F-E-R! Vermassel es nicht, alter Junge!
Und so schlug ich mit dem Springer auf f7. -.-
Das Pferchen tobte wild nach links und rechts und bedrohte Dame und Turm.
Nun denn, er spielt natürlich …Lxf2, ein Zug, den ich zwar kenne, aber der irgendwie in der Turnierpartie mächtiger wirkt, als er ist.
Er hat dann auch alle möglichen aggressiven Züge geblitzt. Zwischendurch kam noch …d5 und …Sd4. Ich fühlte mich am Brett gemobbt, erschlagen und vernichtet und machte es wie beim Kochen: Ich habe jede Menge Zeit verbraten.
Es kam zu folgender kuriosen Situation:
Nach Da4+ überlegte er erstmals (!). Und dies sehr lange. Zuvor fühlte ich mich, als hätte er mich „tot-gepreppt“ und einfach aus der Erinnerung heraus Engine-Züge auf mich abfeuern.
Hier aber spielt er recht widerwillig …Ld7! Seine Körpersprache wurde passiver. Ich fand den psychologisch wohl besten Zug: Da3?!
Nach Da3 hat die schwarze Dame überhaupt keine Felder mehr! Sie kann zwar zurück nach d8, aber das bringt nix!
Die Engine mochte übrigens Dxc4 mehr (leichter Vorteil Team Weiß), allerdings hat er dann noch eine Dame, die aktiv ins Spielgeschehen gehen kann – ich war glücklich, die Damen abtauschen zu können!
Wir erreichten nun:
Hier bot er mit erst Schach auf f2, dann, nach hin-und-her-Tänzelns des weißen Königs ein Remis an! #Verben sparen.
Das wohl glücklichste Remis-Gebot, was ich je erhalten durfte…
Denn Schwarz hat Matt in 7!!!
Mehr sage ich jetzt mal nicht 😉
Außer, dass Thomas Schiller ein wirklich feiner Kerl ist, gegen den ich immer gerne spiel. Dies war unsere zweite Partie. Ich liebe einfach seinen Schach-Stil!
Bendix hat 2,5 aus 4. So weit, so gut!
Runde 5 – mit Schwarz im Aljechin-Skandinavischen gegen Jungspund Hannes Neumann

Nun sollte ich gegen den äußerst talentierten Hannes Niemann mit Schwarz spielen, dessen Name sich übrigens sehr nach Hans Niemann anhörte. Ich ahnte Übles. Jedoch hatte ich mit meinen schwarzen Stuten schnell das Zentrum, die Partie und sowieso das gesamte Universum dominiert und drückte sehr auf Sieg.
Denn, nicht nur mein Körper (wie im Foto zu sehen), auch meine Figuren hatten deutliches Übergewicht:
Nach seinem Blunder De2, der auch recht argwöhnisch von der Engine beäugt wird, spielte ich das für Schwarz beste … Sxd4!, welcher übrigens besser als …Lxf3 zuerst ist. Schwarz sahnt einfach das Zentrum ab.
Es entwickelte sich eine wilde Partie, in der beide Seiten das Läuferpaar hatten, ich jedoch aufgrund seines frühen Fehler schon rochiert hatte, über aktivere Türme und einen Mehrbauern verfügte.
Wäre ein Sieg ein Kochrezept, wären das keine schlechten Zutaten gewesen. Doch so sollte es nicht kommen.
Hier ist Schwarz am Zug. Ich wählte Turm schlägt Pferd! Die Qualle wird erstmal geopfert. Danach schlug er, dann ich, dann stellt er den König weg, dann wieder ich, dann wieder er.
Nach ein paar Zügen erreichten wir folgendes Endspiel:
Schwarz ist abermals am Zug. Ich fand mich besonders schlau nach meinem nun auch gespielten Sxe5!, denn ich sah, dass ich die Gabel des Bischoffs auf d4 (auf Springer und Turm) mit dem herrlichen … Lg4+! Parieren konnte!
Sein König hat nun keine Felder mehr, und überall drohen Springer-Gabeln auf König und Turm!
Jedenfalls fast.
Denn was ich übersah, war ein kleines Detail mit riesigen Folgen. In der Partie kam, wie von mir ach so schlauem Hecht berechnet, Ld4 Lg4+, Kf1 Lh3+ und dann nicht, wie von mir geplant, Kg1 mit Sieg für Schwarz (…Sf3+ räumte alles ab),
Sondern er stellte den Aristokraten zurück nach e2. „Tja, doof!“, sagte schon Olaf Scholz bei Auflösung der Ampel-Koalition. Was für bewegende, staatsmännische Worte dies doch bis heute sind.
Hier kann Schwarz am Zug trotz Dominanz nichts mehr gegen das Remis von Weiß unternehmen.
Bendix hat 3 von 5 Punkten.
Glückwunsch an Hannes, der die Eröffnung versägt hat, dann aber dynamisch und akkurat im Mittelspiel glänzte. Ich wünsche ihm für die Zukunft von Herzen nur das Beste!
Runde 6: Österliche Auszeit
In der sechsten Runde nahm ich mir ein Bye! Ich feierte zu Hause Ostern mit meiner lieben Freundin Eli, die sich auch schon gut mit Evi angefreundet hat! Eli und Evi, das passt irgendwie!
Runde 7 – das (sehr harte Finale)
Ich bin ja der Meinung, dass die Englische Eröffnung nicht langweilig ist. Im Gegenteil, mit Schwarz gegen Englisch zu spielen, das heißt erstmal: Flexibilität hoch 10!
1.c4?
… e5 – passt
… e6 – kann man machen
… Sf6 – geht auch.
Und so weiter.
Warum viele Schnappatmung bekommen, wenn sie gegen Englisch auf Sieg spielen sollen, habe ich nie so richtig verstanden. Ich finde es zehn Mal nerviger, gegen 1. D4 ranzumüssen!
Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Englisch-Spieler diese pseudo-vorteilhaften Varianten c4, g3, Sc3, Lg2, 0-0 und so weiter machen. Ist natürlich super-spielbar, aber weiß kreiert auch keine ultra-scharfen Varianten. Gruß an meinen Kumpel Florian Frank, der ein Experte dieser Systeme ist.
Nun gut, ich wählte man …d6 gegen Englisch. Dies aus 3 Gründen:
- Er kennt bestimmt nicht so viel Theorie hier
- Ich habe schon mit weiß gegen d6 gespielt in diesem Turnier. Die meisten Varianten waren noch gut im Kopf.
- Ich wollte durchaus königsindisch gegen ihn spielen, oder, wenn 2. e4 mit … Sf6 meinetwegen auch Pirc.
Stattdessen spielte er ein selteneres System mit e4 erst später, und dann Springer g nach e2, was ich gar nicht kannte:
Ich habe hier, wie im Screenshot zu sehen, mit Schwarz …Lg4 gespielt. Ich wollte seine Schwächen auf dem weißen Feldern ausnutzen. Dies ist jedoch keine gute Wahl. Denn erstens kann weiß hier wunderbar einfach f3 spielen (Weiß steht +0,6 nach …Ld7). Zweites wird nach h3, auch ein guter Zug, der Abtausch Läufer gegen Springer forciert (Weiß schläft mit dem Springer und hat 0,3) und drittens, und so kam es auch in der Partie, ist der ganze Plan mit …Ld7 und …Dc3, um gegen h3 zu spielen, einfach nicht gut. Punkt.
Wir sehen:
Weiß hat mittlerweile, nachdem Schwarz den Bauern bedroht hat, denselben nach h4 geschickt. Wie man sieht, mag der Kombo …g5! Aber spiel das mal auf dem Brett…
Ich finde es extrem unbequem, als Schwarzer hier die eigene Königsseite zu schwächen mit solchen Zügen. Im Blitz ja, aber in der klassischen? Außerdem muss Schwarz dann jeden Zug richtig spielen, oder er stürzt einfach zusammen. Nach …g5, hg Sh7??, d4! Kollabiert Schwarz direkt. Ich halte …g5 daher für einen blödsinnigen Engine-Zug. Insofern hätte ich die ganze Sache mit …h5 gar nicht machen sollen, sondern einfach rochieren sollen, wie ein normaler Königsinder.
Ich weiß nicht, ob er Holz sehr liebt, aber er leistete sich nach der gespielten Variante …Sg4+ einen Schnitzer:
Weiß spielte hier b3, was nichts bringt. D3 wäre viel besser gewesen. Nach b3 kommt der Springer bedrohlich in die Position. Der zweite Springer schart schon mit den Hufen.
Und jetzt passierte etwas, vor dem ich mich wirklich nur verneigen kann: Er machte für den Rest der Partie (67 Züge) keine Fehler mehr! Die Bauernzüge h4 und der bereits genannte b3 waren schwach – den Rest spielte er ausgezeichnet und mit beeindruckender Präzision!
Nach langem Ringen erreichen wir:
Hier findet er Dd5! Alle anderen Züge bieten nur kleinen Vorteil für Weiß (trotz Mehrfigur!), weil Schwarz die Stellung gut geschlossen hat.
Nach meinem starken …c5 überlegte er 20 Minuten. Wahrscheinlich war er genervt, dass b4 als Hebel nicht funktioniert. Nach der Zentralisierung seiner Dame und langem Überlegen beider Seiten (wir waren mit Abstand die längste Partie am Ostermontag) stand es:
Dies nun geöffnete Stellung spielt sich von selbst. Dennoch gab es auch noch ein paar Knotenpunkte, die er aber alle völlig korrekt auflöste – Chapeau! Ich finde, dass er außer dem etwas Ängstlichem h4! gegen mein …h5, und dem aus meiner Sicht völlig überzogenen Zeiteinsatz von 20 Minuten nach …c5 absolut perfekt gespielt hat!
Entsprechend lobt ihn auch die Engine:
Weltklasse!
Und so geht ein tolles, spannendes Turnier, das für mich aus nur 6 Runden bestand, zu Ende.
Hier noch einmal die Partien im Überblick:
Kurzzusammenfassungen:
1 – Schlechtes Caro-Kann mit Weiß. F3 spielen Pflicht im Hillbilly-Angriff. König im Endspiel ungeschickt zentralisiert.
2 – Stark gespielt gegen Bird mit dem Grünfeld-Aufbau. Everbody knows that the Bird is the word!
3 – Stark gegen Pirc. Ruhig und kontrolliert gewonnen. Er hätte mit …Kh6 jedoch remisiert!
4 – Aggressives Traxler-Gegengambit mit Schwarz. Glückliches Remisangebot bekommen und akzeptiert.
5 – Mit Schwarz super stark aus der Eröffnung. Im Endspiel unnötig in eine Remis-Variante gegangen.
6 – Mir Schwarz anfangs dominant gegen Englisch. Dann chancenlos im scheinbar-ewigen Endspiel.
Noch ein paar Worte in eigener Sache
Diversität ist für mich ja eher so eine Art Trendbegriff. Heutzutage ist immer alles und jeder divers.
Der neue Film im Kino? Divers!
Dein neues Lieblingsbuch? Bunt und mit sooo diversen Charakteren!
Das Parlament? Diverser geht’s nimmer.
Wenn sich jeder immer des gleichen Ausdrucks bedient, hat das für mich schnell etwas Nerviges.
Schach ist hier für mich eine klare Ausnahme. Hier bin ich ganz klar der Meinung: Je mehr Diversität, desto besser!
Wir hatten zwei Spieler aus Syrien, einen aus Dänemark, eine Spielerin aus Armenien und eine Spielerin aus Mexiko. Wir spielen traditionell mit Jung und Alt im gleichen Raum. Wir integrieren Frauen und hatten mit Ornella Falke eine echt starke Spielerin mit dabei!
Wir hatten mit meinem guten Freund Ignacio und mit der sehr netten Rocio zwei 2 spanischsprachige Talente. Wir hatten Teilnehmer mit körperlichen Behinderungen, wir hatten Teilnehmer mit kaputter Hüfte oder Kniegelenken.
Wir hatten mit dem sympathischen Mi Gufeng und seiner unglaublich lieben Mutter ein Mutter-Sohn-Gespann.
Daher gilt hier für mich: Diversität ist kein reiner Kunstbegriff, der zwanghaft um sich geworfen wird.
Diversität wird hier richtig gelebt, und der Begriff wird mit freundlichen und intelligenten Menschen gefüllt
Wir sind der HSK und wir sind gerne so divers und bunt!
Mochte jemand meinen Bericht? Gerne greife ich auch in Zukunft mal wieder zum Füllfederhalter!
Herzlich,
Euer Bendix zu Ostern 2025!
PS: Alle Partien zum Nachklicken auf Lichess gibt es hier.
PPS: Ihr findet mich hier.