Hamburger Schachklub von 1830 e.V.

Königlich in Fantasie und Logik

Offener Spielbetrieb, auch für Gäste: Jeweils Dienstag & Freitag von 18:30 – 22:00 Uhr bieten wir einen offenen Spielabend an! Wir freuen uns über alle Interessierten, die uns kennenlernen möchten. Wir bitten um Anmeldung über schachklub@hsk1830.de.

HSK 29: Sensationeller Sieg in der vierten Runde gegen Union Eimsbüttel und vorläufige Tabellenführung

Zu Gast hatten wir (ohne Helmut, aber mit Liliana spielend) heute den Tabellenführer aus Eimsbüttel, die Mannschaft mit dem besten DWZ-Schnitt der C-Gruppe zu Gast. Wir haben einen ca. 250 Punkte schlechteren und damit den schlechtesten in der Gruppe überhaupt. Ich hatte das in der Ankündigungsmail zu diesem Kampf nicht so konkret geschildert, damit wir unbelasteter in den Wettkampf gehen konnten.

Diesmal bin ich 18.00 Uhr der erste im Spielsaal und kann aus dem vollen Uhrenmaterial schöpfen. Die Kunst ist, nicht zu warten, bis der Kinderkurs oben tatsächlich beendet ist, sondern so energisch hineinzuplatzen, dass der Leiter eingeschüchtert das offizielle Ende bekannt gibt. Ich lasse HSK 12, für die 18.15 Uhr jemand erscheint, der nur aufbaut, sich ansonsten aber um das „Kiek mal wedder in“-Turnier kümmert, oben zum Balkon hin extra Platz. Das wird aber mit keinem Wort honoriert. Vielmehr gibt man sich mit gewohnt ernster Miene Mühe, meinen Vorsprung aufzuholen. Leutseliger verhält sich HSK 7, für die ich schon ein bisschen vorarbeite. Dass sie die enge Ecke im Seitenarm hin zum Fenster nehmen müssen, weil am unteren Ende des Hauptarms HSK 28 spielt, stört sie nicht. Die Stimmung dort ist einfach gut. Malte, der für HSK 28 seine Uhren manuell stellen muss, tut mir ein wenig leid, doch kann Andreas, der 18.30 da ist, ihm bzw. seinen Leuten dank Helges Uhren-Einführungskurs sehr schnell helfen.

Von HSK 7 und HSK 12 ist (erneut) niemand bereit, die vier Gastmannschaften zu begrüßen. Da ich Malte gegenüber wegen meines barschen Ausweichens beim letzten Heimspiel ein schlechtes Gewissen habe, sage ich ihm zu, diesmal die Kämpfe anzusagen, wenn sich die höherklassig spielenden Teams drücken. So originell und kenntnisreich wie Christian früher, der der Veranstaltung eine für alle Anwesenden angenehme Wichtigkeit verlieh und dafür auch mal mit leichter Hand Tabellenstände und Anekdoten aufbot, bin ich natürlich nicht. Um mir überhaupt Gehör zu verschaffen, muss ich meine Stimme erst einmal durch lautes Klopfen unterstützen, was mir bei meinem Zwei-Minuten-Einsatz aber auch sofort hilft. Ich kündige alle Spiele an (die hatte ich mir schon in Ahnung dessen, was heute auf mich zukommen würde, zuhause notiert), informiere über den Imbiss unten (der gar nicht aktiv ist, wie ich später bemerke) und gebe meine eigenwillige persönliche FIDE-Regelauslegung zu vermeidbaren Störungen im Hinblick auf den Genuss von Eibrötchen am Brett zum Besten. Schließlich rufe ich die On-Body-Regelung für ausgeschaltete Handys in Erinnerung und ende in Dirk Jordans DASM-Manier mit „Schwarz drückt die Uhr“. (Am 3. April werden aber mal die MF höher platzierten Mannschaften mit der Ansage dran sein. Ich halte es auch grundsätzlich für sinnvoll, wenn sich die Gäste an eine bestimmte Person aus unserem Verein gewöhnen, die nicht selber spielt, also unabhängig von ihrer Beteiligung immer vor Ort ist. Gerne jemand Wichtiges, also z. B. ein Mitglied des Vereinsvorstands).

Eimsbüttel trifft ein und spielt nur am letzten Brett mit (immer noch hochrangigem) Ersatz und ist ansonsten, wie Georg bemerkt, „dicht aufgestellt“. Und wir reden hier von Eimsbüttel 5, nicht von der sechsten Mannschaft, die in einer Parallelgruppe spielt. Unsere sehr freundlichen und überaus fairen Gäste nehmen den heutigen Kampf ernst. Aber irgendetwas läuft heute bei ihnen gründlich schief.

Peter meldet sich bereits um 20.10 Uhr mit einer überraschenden Wendung in seinem Spiel, die sogleich in der Aufgabe des Gegners mündete. Er hatte sich mit Schwarz zunächst mit Königsindisch gut gegen den etwas passiven weißen Aufbau des über 200 Punkte besser gelisteten Gegners verteidigt. Im 14. Zug brachte er seine Dame Angriffszwecken nach h4 und wollte Schwarz zu h- oder g-Bauernzügen vor dem König verleiten. Letztlich manövrierte er damit aber, wie man im Folgediagramm zum 19. Zug sieht, seine wichtigste Figur ins Abseits und sah auch noch eine weiße Bauernwalze auf sich zukommen.

Zieht hier Weiß h3 und weicht Schwarz mit seinem Läufer zurück, droht Weiß, ähnlich wie Andreas in der letzten Runde beim Barmbeker SK, die Dame zu fangen (nämlich wie?), so dass Schwarz seinen Läufer zurückholen und opfern muss. Schwarz muss also schon mit ungewissem Ausgang auf h3 opfern. Weiß zog nun aber seinen a1-Turm, was an sich keine schlechte Idee ist (z. B. nach c1, um c4-c5 mehr Kraft zu geben), doch er ließ ihn (Macht der Gewohnheit?) … auf d1 los! Nach Peters schneller und vorhersehbarer Antwort gab er sofort auf.

Zwanzig Minuten später berichtete mir Ole von einem Remis-Angebot seines Gegners. Es lief für uns gut, ich war froh, dass wir einen weiteren Punkt bekommen konnten, und stimmte daher gerne zu. Allerdings war mir seine Stellung unbekannt. Sonst hätte ich ein bisschen gegrummelt: Sein Gegner hatte mit Weiß schon in der Eröffnung sehr originell (Blackmar-Diemer-like) einen Bauern geopfert (1. Sf3 d5 2. e4), und mit Schwarz hatte sich Ole, der sich von der Originalität des forschen, in jedem Zug nach Verwicklungen strebenden weißen Aufbaus und dem 250-DWZ-Punkte-Unterschied zu seinem Gegner unbeeindruckt zeigte, schon im 12. Zug eine klare Spielüberlegenheit erarbeitet.

Man sieht allerdings auch, dass ein weißer Läuferabzug droht. Der lässt sich aber leicht entschärfen, indem man entweder dessen Aktionsradius mit e5-e4 oder Se4 begrenzt oder die Dame nach b6 wegzieht. Mit der langen Rochade hingegen fügt sich Ole in ein Schicksal, dass hier gar nicht unvermeidbar war. Mit nun folgendem weißem Lf5 und bei Ole verbleibendem schwarzem Turm, Leichtfigur, zwei Mehrbauern und viel mehr Raum für die gegebene Dame ist er aber immer noch leicht im Vorteil. In der nächsten Stellung hat Ole wieder Fortschritte erzielt und geschickt den weißen Springer gefesselt. Was macht man in einer solchen Situation? Man intensiviert die Fesselung.

Welche schwarze Figur, die Zeit nur zuschaut, bietet sich dafür an? Kann hier etwas schiefgehen? Nein, eine weitere Figur und somit eine klare Gewinnstellung sind in Aussicht. Doch irgendetwas muss Ole Sorgen gemacht haben, und sein o. g. Remis-Angebot nahm sein Gegner natürlich gerne an. 1,5 zu 0,5.

Fünf Minuten später trug sich Liliana mit ihrem erfreulichen Ergebnis an ihrem Brett 8 auf meiner Spielberichtskarte ein. Vom Spielstärkeunterschied her (ihr Gegner hatte 300-DWZ Punkte mehr) war noch weniger zu erwarten als in Peters o. g. Partie. Aber heute war eben der Tag der großen Überraschungen. Im Alapin-Sizilianer (2. c3) , wo Weiß auf ein (oft überschätztes, weil eben ohne c-Bauern doch zu kleines) e4/d4-Zentrum hofft, hatte Liliana zunächst, um den Le3 nicht gegen den Sg4 tauschen zu müssen, mit dem Läufer-Wegzug nach f4 den d4-Bauern gegeben. Ihr Gegner wollte in der nächsten Stellung einen weiteren Bauern erobern und schlug auf e4 zu. Dafür standen ihm der Läufer auf b7 und der Springer auf f6 zur Verfügung.

Ist es egal, womit er schlägt? Er hoffte ja auf einen Zwischentausch auf c1 und Ablenkung der Dame von e4, also dem Platz, wo die schwarze Figur den e4-Bauern schlägt. Das klappt auch mit Sxe4. Aber führt Lxe4, was Schwarz dann auch zog, wirklich zum selben Ergebnis? Nein! Denn jetzt hat auch Weiß, wenn er den Läufer mit seinem Springer schlägt, einen schönen Zwischenzug, mit welchem er seinen Springer rettet, wenn sich Schwarz erst einmal auf c1 bedient. Welchen?

Liliana spielte nun mit einer Figur mehr für einen Bauern. Aber die Stellung war trotzdem kein Selbstläufer. Auch nicht, nachdem Schwarz in der Folgestellung e5 gezogen und Liliana sich auf d5 bedient hat.

Was kann Schwarz nämlich jetzt ziehen und wie gewinnt er mindestens den Bauern auf b2, wenn nicht sogar etwas Hochwertigeres, wenn sie ihren König zieht, statt ihre Dame dazwischen zu stellen? Schwarz vertraute aber Lilianas, vom Computer mit 1,5 reichlich knapp eingeschätzten Materialverwertungschancen und gab lieber auf. Damit verschaffte er uns einen weiteren Überraschungspunkt. 2,5 zu 0,5! Kaum zu glauben.

Fast im selben Moment tat sich an meinem Nachbarbrett (Brett 2) etwas. Georgs Gegner, mit einem Vorsprung von 200 DWZ-Punkten ausgestattet, hatte sich gegen Georgs Londoner System schwarzfeldrig verteidigt, strebte also nach Lg7, d6, Sbd7 und Springer-Wegzug nach h5 letztlich e5 an, wodurch der Londoner Läufer entweder eingesperrt oder beseitigt wird. Bei der Analyse, wo der Anfang vom Ende in Georgs Bemühungen um einen erfreulicheren Ausgang lag, ist mir die folgende Stellung aufgefallen:

Mir gefällt schon das vorangegangene c4 nicht. Schwarz Ziel ist ja nicht d5, und b5 ist auch keine Drohung, dafür wird d4 entwurzelt, vor allem wenn Schwarz auf f4 den Läufer nimmt. Aber noch ist alles drin, es drängt sich z. B. die Entwicklung des Springers nach e4 auf. Oder, um Schwarz zumindest zu Bauernzügen vor dem König zu provozieren, eine mit Lg5 beginnende Läuferwanderung mit späterem Abtausch (wie im Spiel) auf g3. Bleibt der f4-Läufer am Platz, würde nach schwarzem Sxf4 der weiße Bauer auf f4 immerhin das schwarze e5 erschweren, und ein schwarzes f5 ist ohne e5 ist meist nicht so kraftvoll.

Te1 ist jedenfalls zu langsam. Schwarz setzte dann f4 mit Schwerfigurendruck auf der f-Linie durch und erreichte folgende für Georg schon sehr schwierig zu spielende Stellung.

Der Springer auf f3 muss unbedingt aus der Schusslinie. Ja, Schwarz schlägt ihn nach Sf3xd4 auf d4 mit Tempo zurück, aber auf f2 kann er erstmal nichts erreichen, zumal sein Lg4 noch vom Le2 geschlagen werden kann. Nimmt er selbst mit dem Lg4 auf e2, ist aber f2 nach Txe2 erstmal gedeckt. Kg2 gab hingegen den Springer und das Spiel verloren. Denn nun fesselt Df6 den Springer, der nun nicht mehr weg kann, weil jetzt f2 angesichts der Dreier-Schwerfiguren-Batterie wirklich ein Sargnagel ist.

Nur noch 2,5 zu 1,5 für uns.

Gegen 22.00 Uhr gibt sich Marianne ihrem 250 Punkte besser gelisteten Gegner geschlagen. Schwarz hatte sich mit b6, e6 und h6 aufgebaut, Marianne sich für einen passiven aber auf e4 stabilen Aufbau mit d3 und Sc3 entschieden. In der folgenden Stellung musste sie angesichts der Bauern auf d3 und e4, die ihrem Springer die vernünftigen Felder wegnahmen, besonders vorsichtig mit Bauernzügen am Damenflügel sein. Da b5-b4 nichts droht, war ihr eigenes b2-b4 überflüssig und schädlich.

Denn der c3-Springer ist nun entwurzelt, kann nirgendwo hin und wird zum Angriffsziel auf der c-Linie. Schwarz spielte konsequent c6, Marianne hätte mit Dd3, also dem Nichtschlagen des c-Bauern und Unterstützen des d5-Bauern mehr Widerstand leisten können. Denn nun hätte der c3-Springer das Feld d5 gehabt. Mit dxc6 kam der Gegner früh zu einer Vertriplung der Schwerfiguren auf der c-linie und konnte dort dank der vielen Möglichkeiten, die weiße Dame zu belästigen, Bauern und so auch das Turmendspiel bequem gewinnen. Eimsbüttel hatte ausgeglichen. 2,5 zu 2,5.

Vollends auf den Boden der (scheinbaren) Tatsache holte uns Andreas´ Gegner an Brett 7 zurück. Mit 220 DWZ-Punkten mehr im Rücken hatte er mit dem Läuferspiel (2. Lc4 und 3. Sc3) und Spiel auf den Stützpunkt d5 eröffnet, wobei Andreas richtigerweise sofort Fesselungsmotiven mit dem Lg5 durch h6 vorbeugte. G7-g5 ist oft auch ein richtiges Mittel, den weißen Läufer nicht nur seine Sicht auf f6 zu nehmen, sondern sogar mit Sh5-f4 einzusperren („Capablancas Gefängnis“). Hingegen ist dessen Schlagen auf g3 nicht so gut, wenn Weiß noch nicht rochiert hat. Denn er hat dann die freie h-Linie für böse Absichten gegen den entblößten schwarzen König. Andreas gelang allerdings die lange Rochade, vergaß dabei allerdings die offene H-Linie und seinen nun schutzlosen Bauern auf h6, der auch prompt verloren ging. Aber das war nicht entscheidend, denn er konnte, was viel wichtiger war, seinen Gegner daran hindern, mit seiner Schwerfigurenarmee am Königsflügel in die Stellung einzudringen. Dass Andreas einen weiteren Plan, nämlich mit seinem König Schutz zu suchen, verwirklichen wollte, ist verständlich, aber dessen Abschneidenlassen auf der h-Linie war für ein wahrscheinlicher gewordenes Endspiel zu gefährlich. Nach dem Damentausch kam es zu dem folgenden Turmendspiel, in dem Schwarz klar schlechter stand, aber keinesfalls schon verloren hatte. Daher stellte sich für Andreas die Frage, welche Verteidigung die aussichtsreichste war.

Eine Deckung von f6 mit Th6 wäre wegen seiner Passivität einer Aufgabe gleichgekommen. Also kam nur die Variante „Gegenspiel“ in Betracht, aber welche? Man muss man aufpassen, dass man auch genug Bauern bekommt und der Gegner nicht seinerseits mit seinem „Gegen-Gegenspiel“ überlebenswichtige Bauern einkassiert. Andreas entschied sich mit Th2 dafür, seinen Hunger auf den weißen g- und f-Bauern stillen zu wollen. Das konnte nicht gut gehen, weil Weiß ja den f-Bauern nach seiner Bauernmahlzeit auf f6 leicht decken kann. Mehr Chancen hätten Kxa4 und Th1 mit Fress-Ziel auf der anderen Brettseite geboten. Matt drohte nicht wirklich, weil Schwarz ja der erste auf der a-Linie ist, wenn Weiß von oben kommt. Von unten kann dem König auch nichts geschehen, weil Andreas ja einfach a7-a5 ziehen konnte. Hier musste man wirklich länger rechnen. Nun aber konnte Weiß neben f6 auch e5 gewinnen, sein e-Freibauer war stärker als sämtliche Bauern, die Schwarz noch erobern konnte.

2,5 zu 3,5 gegen uns. Aus der Traum? Hätte ich nicht im Laufe der Jahre meine Nervosität ab dem 30. bis 35. Zug besser in den Griff bekommen, wäre die Antwort ein klares „Ja“ gewesen, da hätte Wilhelm spielen können, wie er wollte. Aber zum Glück hatte ich diese frühe HMM-Zeit hinter mir gelassen.

Ich war an meinem Brett 1 darauf aus, irgendwann in einer Position der Stärke Remis anzubieten. Wilhelm stand zwar gut und konnte nicht mehr verlieren, aber im Falle eines Remis durfte ich in meiner Stellung mit Damen auf dem Brett auch nichts überdehnen, auch wenn ich noch mehr Raum gewonnen hatte. Mein König war nach einem leider nötigen f5-Deckungszug für den englischen schwarzen e4-Bauern Zug nicht mehr optimal geschützt. Wilhelm hielt an seinem Brett 4 bereits Ausschau nach den anderen Brettern, doch zu unserem Glück, entschied er sich richtigerweise dafür, noch etwas zu versuchen. Am liebsten hätte ich noch langsamer gespielt, um sein Ergebnis abzuwarten, aber das konnte ich mir bei meiner Uhrenstellung nicht leisten. Wie bei mir alles begann:

Ich hatte das c4, sc3 und g3 meines Gegners mit e5, Sf6 und c6 erwidert, und er Gegner konnte gegen meine ihn einengenden Züge d5 und e4 zunächst nichts ausrichten. Ich selbst allerdings musste ständig das Vorrücken seines durch e3 gedeckten d4-Freibauern im Blick behalten (dem konkret allerdings immer meine Antwort Se5 im Wege stand) und konnte gegen seine mangels f-Bauern etwas luftige Königstellung nichts ausrichten, da er h2 und g3 immer zuverlässig mit seinem e1-Läufer gegen meine Dame/Läufer-Batterie auf c7/b8 decken konnte. Und g6 nebst Kg7 und Th8 mit Schutzabzug von e4 war wohl eher ein Luftschloss, zumal Weiß notfalls selbst noch h4 ziehen konnte.

Wir waren schon fast dabei, die Züge zu wiederholen, als er mir durch seinen eigentlich unverdächtig aussehenden Zug Td1 Gelegenheit zu Lf5 und Lg4 gab, denn mein h-Bauer war wegen Lg4 und Aufspießen von Dame und Turm tabu. Ich stand nach Lg6-f5-g4 auf einmal deutlich besser, kam aber immer noch nicht recht weiter. Wir tauschten die Türme, ich wollte c4 über eine lange Springerwanderung (Se7, Sxc8, Sb6) als Stützpunkt für meinen Springer, um die c-Linie für seine Dame zu schließen. Es kam zu folgender Stellung:

Mein gerade gezogenes h4 war jetzt deswegen so gefährlich, weil mein Gegner es zuvor versäumt hatte, meinen Springer auf c4 abzutauschen (mein c4-Bauer wäre gefährlich gewesen, aber sein a3/b4-Bauern-Duo auch). Stattdessen ließ er seinen Springer auf b1 weitab vom Geschehen stranden. Und er schlug auf h4, was meine siegbringende Eroberung von e3 noch beschleunigte. Wie konnte ich jetzt sofort gewinnen? Tipp: Ein langer Läuferzug, der nicht nur einen oder mehrere Bauern gewinnt (neben h2 fallen später auch e3 und h4). Vielmehr nähert sich mein Springer seinem König todbringend, wenn er meinen Läufer nimmt. Seine Dame kann noch ein Schach auf c8 geben, sich aber nicht mehr auf f5 (mit Schach) bedienen, weil f5 ja von meinem künftigen e3-Springer gedeckt ist. Mein Gegner sah das kommende Matt und gab auf. 3,5 zu 3,5 um 23.00 Uhr.

Wilhelm stand in seinem Spiel vor der Aufgabe, etwas Brauchbares gegen die Pirc-Verteidigung seines ca. 60 Punkte besseren Gegners zu finden. Er wählte die klassische Variante mit Le2, in welcher man sich eines „kleinen Bauernzentrums“ erfreut, nur um dann doch irgendwann das verpflichtende d4-d5 ziehen zu müssen, wenn der schwarze bauernlose Zentrumsbeschuss zu sehr nervt. Nach Sg4 meldete er seinen schwarzfeldrigen Läufer auf d2 ab, und nach dem Anhebelungs-Zug c6 war Wilhelm sich seines Zentrums immer noch so sicher, dass er den d5-Bauern glatt verlor. So ist das mit dem (angeblichen) „kleinen“ weißen Zentrumsvorteil im Pirc, wenn man als Weißer nicht aggressiv genug ist. Kein Wunder, dass viele nur den Aufbau mit dem zusätzlichen f4 als Pirc-Widerlegung betrachten.

Es sollte noch schlimmer kommen. Mit einer Dame auf c5 muss man nicht oft rechnen, wenn man den Läufer nach g5 rausbringt. Doch diesmal war es leider so. Einzügig war der g5-Läufer weg! Aber hier bewahrheitete sich das, was Andreas mir schon damals bei meinem ersten Spiel in der HMM vor 10 Jahren sagte: Mit einer Figur weniger wird hier nicht aufgegeben! Und in der folgenden Stellung passierte es dann tatsächlich: Wilhelms Gegner übersah mit seinem Zug Sc5-a4 … welche Erwiderung?

Nach Wilhelms richtiger Widerlegung von Sa4 hatten beide Spieler keine Leichtfigur mehr, und unser viertes Brett war wieder im Spiel. Im Folgenden wird die o. g. Stellung abgebildet, in der Wilhelm g3 ziehen musste, um nicht matt zu werden.

Es bedeutete Remis, sein Gegner musste ja nur den Bauern f7 decken. Entweder mit Kf6 oder noch besser mit Df6. Nach Db2 aber, was wohl auf b2 und f2 schielt, fehlt der schwarze f-Bauer im Bauernendspiel, das sich nach weißem Txf7 sogleich ergibt. B2 oder f2 können mangels überlebender gegnerischer Dame gar nicht mehr in Verlustgefahr kommen. Die Eimsbüttler Dagebliebenen schüttelten nur noch entsetzt ihre Köpfe. Die folgende Stellung konnte ich, gerade mit meinem Spiel (siehe oben) fertig geworden, nicht mehr mit ansehen und verschwand bangend mit Andreas aus dem Spielsaal.

Zieht Wilhelms Gegner nach a2, kommt Db4. Dann muss der schwarze König runter, und der Bauer ist weg. Zieht er nach c2, kommt Da4+. Er zog indes Kc3, was es für Wilhelm noch einfacher macht. Wo muss jetzt die weiße Dame hin, damit sie den schwarzen König sofort und endgültig von seinem Bauern abschneiden kann? Und genau diesen Zug fand Wilhelm.

4,5 zu 3,5, und wir sind Tabellenführer, da uns am kommenden Dienstag im Spiel St. Pauli gegen Mümmelmanns-berg keiner der beiden einholen kann! Dazu haben wir zu viele Brettpunkte. Aber nicht überschnappen: In der 5. Runde im März sind wir spielfrei, da können alle punkten, nur wir nicht. Drei Mannschaften können uns zwischen dem 24. und 26. März ablösen, sollten sie ihre Spiele gewinnen.

Trotzdem genießen wir natürlich alle die Tage bis zum Beginn der in einem Monat ohne uns stattfindenden 5. Runde. In dieser Zeit haben wir bestimmt die Ehre, zumindest inoffiziell die HMM-Mannschaft der Stunde zu sein. Und diesmal nicht nur aus Gründen, die außerhalb unseres Spiels liegen.

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