Beide Teams, HSK 21 und wir, HSK 22, traten ersatzgeschwächt an, HSK 21 hatte Heimrecht. Bei nur noch zwei Teams im großen Spielsaal oben gab es für keine Mannschaft mehr den sonst so beklagenswerten Kampf um das Spielmaterial. Wir konnte uns also über sieben voreingestellte, die sogenannten „blauen“ Uhren freuen, nur die achte war – und zwar schon in Runde 1 – ein Modell, das immer wieder Einstellungsmühen verursacht – eben weil sie nicht oder falsch voreingestellt ist. Zum Glück gab es ja zu stressverursachenden Uhren dieser Art ja in der Vor-Corona-Vergangenheit extra Anleitungskurse, so dass die regelmäßige Verzögerung von etwa fünf Minuten erträglich ausfällt.
Als „Preis“ für den großzügigen Platz müssen wir allerdings in der Kreisliga spielen, die eigentlich für uns eine Klasse zu hoch ist. In der Vergangenheit gab es stets mannschaftsinterne Diskussionen, wenn es um die Wahrnehmung der Chance ging, höher als in der Kreisklasse zu spielen. Aber man kann nicht alles haben, immerhin genießen wir weiterhin das sogenannte Freitags-Heimspiel-Privileg, worüber wir froh sind.
Dem wegen eines um 70 Punkte besseren DWZ-Durchschnitts leicht favorisierten Team von HSK 21 konnten wir ein Unentschieden abringen. Der Begriff „Sensation“ wäre zu hoch gegriffen, aber schön fühlte es sich trotzdem an, zumal noch mehr drin war.
Brett 3 – Wilhelm gewinnt
Nach 90 Minuten fiel die erste Entscheidung. Wilhelm meldete sein Sieg gegen Horst-Jürgen Feis. Leider kann ich zu seinem Spiel nichts mitteilen, weil ich die meisten Züge nicht entziffern kann.
Bretter 7, 1, 2 und 8 – Dieter gewinnt gegen Dieter, Liliana verliert
Gegen 21.00 Uhr fielen vier weitere Entscheidungen, die insgesamt an unserem 1 Punkt-Vorsprung nichts änderten.
Liliana eröffnete den Reigen von Partie-Entscheidungen 20.55 Uhr mit einer Niederlage gegen den 377 Punkte besser gelisteten Gerd Becker. Aus dem Schottischen Vierspringerspiel – Variante mit weißem Sxc6 und schwarzem Lxc3 – kam sie zunächst mit leichtem Vorteil heraus und überraschte mit dem seltenen aber giftigen 9. La3, das Schwarz zu einer Verrenkung des Sf6 nach d7 nötigte. Dann allerdings gab sie mit Tb2, das Schwarz ermutigte, mit Sc4 den Turm und den Läufer auf a3 anzugreifen, das Läuferpaar unfreiwillig auf (Lxc4 war Pflicht) und verlor noch den wichtigen Bauer auf e4. Im Bestreben, diesen mit Txa7 zurückzugewinnen, übersah sie das vernichtende Eindringen des schwarzen Turms auf b1 und f1, welches ihre Dame kostete.
An Brett 1 antwortete ich auf die a6-Variante meines Vornamensvetters Dieter Wichmann im Dd6-Skandinavisch wie oft empfohlen mit g3 und Lg2. So soll Schwarz die Öffnung der langen Diagonale mit b5 Unannehmlichkeiten bereiten. Und tatsächlich entbrannte um meinen nach d5 vorgeschobenen Bauern sogleich ein Kampf. Es gelang mir, Dieters Springer auf c5, der von meinem Lg7 anvisiert war, mit b4 zu fesseln, worauf Dieter mit Td8 einen Gegenangriff startete. Es entstand die folgende Stellung. Weiß muss sich entscheiden: Tauscht er die Damen mit bxc5 und verliert noch einen zweiten Bauern für die Figur, die er gewinnt? Oder spielt er Sd3, um den Springer außer Gefahr zu bringen? (das wäre ganz schlecht, weil dann schwarz für die Dame Turm, Läufer und Bauer hat). Oder zieht er vielleicht Df3? (Schon besser, aber längst nicht das Beste).
Nein, ich entschied mich in der obigen Diagrammstellung für Dg4. Wenn Schwarz jetzt den Springer auf e5 nimmt, was er auch tat, bedrohe ich mit Dxg7 beide Türme und gewinne letztlich einen Turm, da auch der schwarze Springer auf c5 nach meinem Schlagen eines der schwarzen Türme immer noch hängt. Weiß antwortete jedoch auf Dxg7 mit Txe3,
um die Fesselung endgültig zu beenden, verlor so aber letztlich doch nur eine zweite Qualität, weil ich ja den Ta8 mit Schach schlage und dann einfach seinen Turm auf e3 zurück schlage. Das wäre vom Material her zwar weniger als ein ganzer Turm (bzw. wenn weiß statt Txe5 die weiße Dame aus der Schusslinie des Läufers bringt, mit bxc5 eine ganze Figur), aber dafür mit offener Königsstellung.
Das sah auch Dieter Wichmann und gab sofort auf.
An Brett 2 nahm Jonny Skibb von HSK 21 das von Georg mit nachdrücklichen Gesten unterbreitete Remis-Angebot 21.05 Uhr an. Georg, der ca. 100 DWZ-Punkte weniger als sein Gegner mitbrachte, baute sich mit einer Art Slawisch gegen Jonnys c4 und d4 auf, allerdings mit frühem b6 und Lb7. Diese Eröffnungsbehandlung wird im Schrifttum sehr kritisch gesehen. Danach versuchte Georg, seine kompromittierte Bauerstruktur zu reparieren und seinen Entwicklungsrückstand aufzuholen. Vor dem Übergang ins Endspiel sah er keine andere Möglichkeit mehr, als Remis anzubieten. Denn er hätte dort mit einem schlechteren Läufer zurechtkommen müssen.
Mit demselben Ergebnis endete zur fast selben Zeit an Brett 8 das Spiel zwischen unserem erstmals eingesetzten Stamm-Ersatz Carsten Kaven und seinem HSK 21-Gegner Constantin Wahl. Carsten hatte sich mit Schwarz im Zweispringerspiel im Nachzuge einen Mehrbauern und eine klar bessere Stellung erarbeitet, in welcher auch Chancen bestanden, die Grundreihenschwäche des Gegners für Schlimmeres als nur den Bauern auszunutzen. Auch nachdem Weiß sich etwas konsolodiert hatte, behielt Schwarz seinen gesunden Mehrbauern.
Es stand also 3:2 für uns, doch Marianne hatte an Brett 5 mit Weiß Probleme. Zuvor war es ihr gelungen, sich in einem Bauernendspiel mit vier gegen fünf Bauern (2:2 auf dem Damenflügel, 2:3 auf dem Königsflügel) zu behaupten, da ihr Gegner Harald Meyer mit einem unachtsamen Bauernzug seinen Sieg zunächst verspielte. Es kam zu folgender Stellung:
Marianne hätte nun das Tempo, das Schwarz benötigt, sich um den weißen B-Bauern zu kümmern, ausnutzen können: Mit Kc3 und Kd4 eilt sie zum Königsflügel, holt sich schwarze Bauern, während Schwarz sich an ihren Bauern schadlos hält. Beide behalten je einen Bauern, die durchlaufen und sich zur selben Zeit umwandeln können. Das tatsächlich von Marianne gezogene b6 hingegen verschafft Schwarz die Opposition: Er kehrt nach dem Schlagen diagonal nach c5, und Marianne, die jetzt einen Zug zu früh mit ihrem König auf c3 steht also austempiert ist, kann jetzt nicht mehr Kd4 spielen und wird gnadenlos erst von der oberen Bretthälfte abgedrängt und dann später durch erneute Opposition am Schutz ihrer eigenen Bauern gehindert.
Um 21.15 musste sie von der Deckung ihres c4-Bauern loslassen – und gab folgerichtig auf.
Gleichstand, und nun wurde es richtig spannend, da sich in den nächsten 75 Minuten in Oles und Andreas´ Partie das Blatt mehrmals zugunsten eines der beiden HSK-Mannschaften wendete.
Ole hatte an Brett 4 mit Schwarz gegen den passiv agierenden, über 100 Punkte besser gelisteten Ralf Lohmann schnell eine überlegene Stellung mit einem Mehrbauern erreicht. Es kam dann zu der Stellung unten, in der Schwarz einfach seinen Traum von einer Mehrfigur (Springer auf c3, der zweimal von Schwarz angegriffen wird, nämlich von Turm und Dame) am besten nach dem Damentausch mit b5-b4 dank der Fesselung des Sc3 verwirklichen sollte.
Doch so kam es nicht: Ole schlug als erstes den Springer auf c3, aber Weiß schlägt jetzt natürlich erstmal die Dame auf f6, und Ole muss, um seinen Turm zu retten, ein Zwischenschach auf c2 geben. Das tat er auch und verlor nach Df2 Txf2+ die Qualität. (Er hätte auch den weißen Turm auf d3 nehmen können, was trotz des Damenverlustes laut Computer sogar noch besser gewesen wäre).
Wenig später revanchierte sich Weiß und gab Ole die Qualität zurück, indem er eine Gabel zuließ . Ein paar Züge kam es dann zu der Stellung im nächsten Diagramm. Was würdet ihr mit Schwarz ziehen? Ole fand den Zug und stand nun (und wenig später erst recht nach einem Turmtausch) auf Gewinn.
Es kam schließlich zu folgender Endstellung:
Weiß gab gleichzeitig mit seinem letzten Zug Kg1 um 22.15 Uhr auf. Ole wurde somit gutem angemessen aggressivem Spiel zum Match-Retter des Tages. Glückwunsch!
Mich wunderte, dass Weiß gerade jetzt aufgab, statt noch einen Zug zu warten. Ohne die beiden sich gegenüberstehenden Bauern von Schwarz und Weiß auf dem Königsflügel wäre es gar nicht so einfach gewesen, nicht Patt zu setzen. Das Einfachste wäre, die schwarzen Bauern am Damenflügel stehen zu lassen und dem Bauern am Königsflügel zum Durchmarsch zu verhelfen. Oder – was ein bisschen Rechnen erfordert hätte – Ole bleibt bei seinen beiden schwarzen Bauern und macht den weißen König zugunfähig, so dass Weiß seinen a-Bauern am anderen Flügel ziehen muss. In diesem Fall hätte Ole diesen a-Bauern natürlich nicht geschlagen (Patt!), sondern wäre an ihm mit seinem b-Bauern vorbeigezogen und hätte mit der Bauernverwandlung gleichzeitig Matt gesetzt.
Bei leerem Königsflügel hätte Schwarz noch gut aufpassen müssen und wegen Patt-Gefahr nach weißem Kh1 keinesfalls seinen h-Bauern, sondern den g-Bauern vorziehen müssen. Also nach weißem Kh2 den h-Bauern opfern und nach schwarzem Kxh3 den g-Bauern vorziehen und seinen König nach f2 stellen müssen. Weiß wird dann NICHT patt, weil sich sein König noch auf der h-Linie bewegen kann.
Nun kämpfte nur noch Andreas an Brett 7 mit Schwarz gegen die 430 Punkte Übermacht von Gerd Deckers. Dieser setzte ihm wie schon Andreas´ Gegner in der ersten Runde Italienisch vor. Diesmal aber in der offenen Variante mit dem Angebot, auf e4 zu schlagen. Das nahm Andreas an und kam danach trotz seines Doppelbauern auf f6 zu Vorteil, da sein Gegner nicht die optimale Figurenstellung fand. Schließlich wurde die folgende Position erreicht, in der Weiß zuletzt a3 gezogen hatte.
Schwarz kann seinen Vorteil deutlich vergrößern, wenn er einen Gegenangriff mit b5 startet. Entweder gewinnt er den Bauern auf a3 oder er bekommt auf b4 einen Freibauern, der gefährlicher als seine weißen Kollegen auf der d- und c-Linie wäre. Andreas´ Gegenangriff auf den weißen Turm mit cxd4 verlor hingegen sofort, da dieser mit einem Schach auf die g-Linie ausweichen kann und der schwarze Läufer weiterhin einsteht.
22.30 Uhr gab Andreas auf, das für uns erfreuliche 4:4 war besiegelt.